Szene der Woche

Wahrnehmung als Spielentscheider

10.02.2019 Manchester City- Chelsea FC 6:0 (4:0)

Einige Spieler von Manchester City jubeln und freuen sich gemeinsam über ein geschossenes Tor. © 2019 Shaun Botterill/Getty Images
  1. Dr. Stephan Nopp

    Dr. Stephan Nopp, Spielanalyst der A-Nationalmannschaft, analysiert mit Hilfe der Leitlinien der DFB-Spielauffassung diverse Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball. Dabei stellt er stets einen praxisorientierten Bezug für alle Trainer her – egal in welcher Spiel- und Altersklasse.

Mit zunehmender Geschwindigkeit wird die Komplexität eines Spiels größer. Spieler müssen eine Situation unter höchstem Zeit- und Gegnerdruck wahrnehmen, eine Entscheidung treffen und schließlich die gewählte Aktion ausführen. Dass die Qualität der Umsetzung dabei maßgeblich von einer optimalen Wahrnehmung abhängt, zeigte nicht zuletzt eine Szene von Mats Hummels im DFB-Pokalspiel gegen Hertha BSC Berlin. Trotz Vororientierung hat er einen Gegenspieler nicht gesehen und dadurch den Rückpass zum Torwart zu kurz gespielt. Auch am vergangenen Wochenende spielte die Wahrnehmung im Spitzenspiel der Premier League eine entscheidende Rolle. Sowohl beim 1:0 als auch beim 3:0 war die Aufmerksamkeit der Spieler Chelseas groß - dennoch erkannten sie in den relevanten Momenten die größte Gefahr für das eigene Tor nicht.
Fazit: Qualität vor Quantität - nicht alles, sondern das Richtige muss erkannt und wahrgenommen werden.

    1. Freistoß für Manchester City: Die Chelsea-Spieler coachen sich gegenseitig. Doch der Raum des wichtigsten Gegenspielers bleibt nahezu unbemerkt! De Bruyne und Bernardo erfassen die Situation blitzschnell: De Bruyne passt flach zum einlaufenden Bernardo.

    2. Die Chelsea-Spieler sind gezwungen, nach hinten zu verteidigen, während Bernardo zielstrebig in Richtung Tor dribbelt. Drei City-Spieler, u.a. der ballfern positionierte Sterling, laufen in den Strafraum ein.

    3. Weil sich alle (wieder) zum Ball orientieren, kann Sterling im Rücken der Verteidiger in den Strafraum laufen. Bernardo passt flach zu Sterling.

    4. Sterling verwertet die flache Hereingabe ohne Gegnerdruck in die ballnahe Ecke zum 1:0.

    1. Der linke Außenverteidiger Zinchenko dribbelt nach innen ...

    2. ... und chippt den Ball in den Strafraum.

    3. Barkley orientiert sich vor. Luiz klärt die Hereingabe per Kopf.

    4. Der Ball landet bei Barkley. Nun geschieht der entscheidende Wahrnehmungsfehler: Barkley möchte den Ball auf Rüdiger ablegen, sieht jedoch vermutlich den im Rücken der Abwehrreihe stehenden Agüero nicht. Das Zuspiel landet beim City-Stürmer, ...

    5. ... der aus kurzer Distanz in die ballferne Ecke verwertet.

Wahrnehmung als Teil des Spielkompetenzmodells ist komplex, zugleich aber für eine erfolgreiche Ausführung in der heutigen Dynamik des Spiels unabdingbar.
Dr. Stephan Nopp
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