Spielanalyse

Allzeit bereit, das Tor zu verteidigen

Die defensive DFB-Leitlinie "Je näher zum Tor, desto näher am Gegenspieler sein!“ wird trotz ihrer großen Bedeutung im Fußballspiel häufig unterschätzt.

Jonas Hector ist zu sehen wie er gegen einen Spieler von den Niederlanden verteidigt. © 2019 EMMANUEL DUNAND/AFP/Getty
  1. Dr. Stephan Nopp

    Dr. Stephan Nopp, Spielanalyst der A-Nationalmannschaft, analysiert mit Hilfe der Leitlinien der DFB-Spielauffassung diverse Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball. Dabei stellt er stets einen praxisorientierten Bezug für alle Trainer her – egal in welcher Spiel- und Altersklasse.

Experten-Kolumne auf DFB.de: Sportliche Leitung und Trainer vermitteln Hintergründe rund um den DFB-Nachwuchs und die DFB-Teams. Regelmäßig, authentisch und mit aktuellem Bezug. Heute: Dr. Stephan Nopp, Spielanalyst der A-Nationalmannschaften, beschäftigt sich mit der defensiven Leitlinie: "Je näher zum Tor, desto näher am Gegenspieler sein."

Um das eigene Tor zu verteidigen, muss man als Spieler die optimale Position zwischen Gegner, Ball und eigenem Tor finden. Was so einfach und logisch klingt, ist dennoch aus Sicht der Defensive häufig (und unnötigerweise) der Grund für Gegentore. Der DFB hat in seiner Spielauffassung dieses elementare Verhalten unter anderem in der Leitlinie "Je näher zum Tor, desto näher am Gegenspieler sein" zusammengefasst.

Raumdeckung entbindet nicht von Mannorientierung

Die Entwicklung hin zum raumorientierten Deckungsverhalten war ein Meilenstein in der Evolution des Fußballspiels. Dennoch gab es damals vieler Skeptiker. Die größte Herausforderung sahen viele darin, die eindeutige Zuständigkeit zu einem Gegenspieler nicht zu verlieren und Räume aufgrund fehlender Automatismen zwischen Mitspielern nicht freizugeben. Wie wir rückblickend wissen, waren diese Befürchtungen im Vergleich zu den Vorteilen der raumorientierten Verteidigung unbegründet. Dennoch liegt darin im heutigen Spiel eine Problematik, die häufig zu Gegentoren führt. Klar ist, dass Raum- nicht von Mannorientierung entbindet. Insbesondere wird dies relevant, je näher am eigenen Tor verteidigt wird. So ist der Ausspruch, ab Strafraumgrenze werde Manndeckung in der Defensive gespielt, allseits bekannt.

Hintergrund: Je kürzer die Distanz des Angreifers zum Tor ist, desto geringer ist meist die Anzahl derer, die das Tor noch verteidigen können und desto weniger Zeit hat der Verteidiger, den Angreifer am Schuss zu hindern. Wenn ein Innenverteidiger im Spielaufbau den Ball führt, dann sind idealerweise alle elf Spieler der Defensive zwischen Gegner, Ball und Tor. Damit ist zum einen die Anzahl der Spieler groß, die das Tor verteidigen können und zum anderen die Reaktionszeit für die notwendigen Handlungen aufgrund der Entfernung vergleichsweise lang. Hat aber im Gegenzug der gegnerische Stürmer in der Abwehrreihe der Defensive den Ball, ist hier sowohl die Anzahl der Abwehrmöglichkeiten als auch das Zeitfenster geringer. Konsequenz: Je näher zum Tor desto näher am Gegenspieler sein.

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