Kolumne

Wück-Kolumne: Klare Rollen, klare Experten

Experten-Kolumne auf DFB.de: Sportliche Leitung und Trainer vermitteln Hintergründe rund um den DFB-Nachwuchs und die DFB-Teams. Regelmäßig, authentisch und mit aktuellem Bezug. Heute in Folge neun: Christian Wück, Trainer der U 16-Nationalmannschaft. Er verrät, wie die Zusammenarbeit und Kommunikation funktioniert - sowohl im DFB-Trainerteam als auch mit den Spielern, Vereinen und Landesverbänden.

Vom 3. bis zum 12. Februar war mein Team mit dem Jahrgang 2003 zum UEFA-Turnier in Portugal eingeladen. Neben unseren deutschen U 16-Junioren nahmen in diesem Jahr Gastgeber Portugal, die Niederlande und zum ersten Mal die U 16 aus Argentinien teil. In solchen Turnieren versucht die UEFA unter anderem, neue Modi und Regeln zu erproben, um Sinn und Machbarkeit zu bewerten. In unserem Fall kamen zum Beispiel folgende neue Regeln vor:

  • Zeitstrafen für unsportliches Verhalten wie taktische Fouls, Ballwegschlagen oder heftiges Gestikulieren (Acht-Minuten-Strafe)
  • mögliches Elfmeterschießen im alten AB-AB Modus (der in den letzten Jahren erprobte AB-BA Modus wurde wieder fallengelassen)
  • direktes Elfmeterschießen, wenn es nach der regulären Spielzeit keinen Sieger gibt (der Sieger des Elfmeterschießens bekommt zwei Punkte, der Verlierer behält einen Punkt; bei Siegen in der regulären Spielzeit bleibt es bei drei Punkten für den Gewinner)
Tolles 4:2 gegen Argentinien

Für uns Trainer ist es das erste Mal, dass wir die Spieler einer U 16 in einem Turniermodus einsetzen. Innerhalb von sechs Tagen drei Spiele zu absolvieren, ist eine große Herausforderung. Sie bereitet die Jungs auf kommende Aufgaben vor - insbesondere auf unser großes Ziel, die U 17-Europameisterschaft 2020 in Estland. Die jüngsten Vergleiche gegen die drei Topgegner sollten uns genug Erkenntnisse geben, wie der Jahrgang im Vergleich zu den anderen Nationen einzuschätzen ist. Des Weiteren gibt so ein Turnier Aufschluss über die individuellen Stärken und Schwächen jedes einzelnen Spielers auf internationalem Niveau.

Nach einem 4:2 im Elfmeterschießen zum Start gegen die Niederlande (nach 80 umkämpften Minuten stand es 1:1) folgte im zweiten Match ein spannendes Aufeinandertreffen gegen einen außergewöhnlichen Gegner. Argentinien unterscheidet sich nicht nur im Fußballstil von den europäischen Konkurrenten, sondern die besondere Mentalität der Südamerikaner machte sich schon bei der mit Gesang verbundenen Anreise und dem eher rhytmischgepräten Aufwärmen bemerkbar. Im Spiel legten wir ein schnelles 2:0 vor, Argentinien übernahm danach die Kontrolle, glich aus, doch wir konnten auch dank einiger Wechsel am Ende ein tolles 4:2 feiern. Im letzten Spiel gegen den Gastgeber Portugal mussten wir uns nach einem Duell auf Augenhöhe leider unglücklich durch einen Gegentreffer in der Nachspielzeit 1:2 geschlagen geben.

Videochats mit den anderen DFB-Trainern

Ein großes Augenmerk legen wir in solchen Länderspielreisen auf die Kommunikation mit den Spielern. Ilja Hofstädt, unser Torwarttrainer, führt Einzelgespräche in der Analyse mit den Torhütern. Dennis Lamby ist als Trainer für die Spieler der Offensive zuständig, Rainer Zietsch für die Defensive. Hier legen wir viel Wert auf den regelmäßigen Austausch im Einzelgespräch. Nicht nur wir als Trainer wollen Input geben, sondern die Spieler sollen Vertrauen bilden und ihre Sicht der Dinge äußern und kommunizieren. Dies ermöglicht uns, das eine oder andere Verhalten eines Spielers auf dem Platz besser zu verstehen und einzuordnen. Die benötigten Videoszenen - egal, ob aus Training oder aus Spielen - werden von unserem Videoanalysten Leo Höhn immer zeitnah zur Verfügung gestellt. Seit einigen Monaten werden wir im Trainerteam von einem Psychologen unterstützt. Christoph Herr ist für uns Trainer im "Coach to Coach" - eine wertvolle Hilfe in der Persönlichkeitsentwicklung. Auch zeigt er den Spielern Möglichkeiten auf, um etwa in Drucksituationen die richtigen Entscheidungen zu treffen und fördert ihre Selbsteinschätzung sowie Entwicklung.

Nach dem Turnier steht für mich und mein Trainerteam Rainer Zietsch, Dennis Lamby, Ilja Hofstädt und Fitnesscoach Axel Mäder die Auswertung an. Wir pflegen sämtliche Trainingseinheiten und natürlich die Turnierspiele in unsere "Sports One"-Datenbank von DFB-Partner SAP ein. Neben den quantitativen Merkmalen werden alle Spieler individuell von uns bewertet. So können wir über die Jahre gesehen den Entwicklungsverlauf eines jeden einzelnen Nationalspielers mit einer Stärken- und Schwächenanalyse genau nachvollziehen. Aus dieser Datenbank generieren wir anschließend einen Belastungsbericht, den wir als Feedback an die entsprechenden Vereine senden. Dieser gilt als Grundlage für die Kommunikation mit den Trainern in den Vereinen. So können wir gewährleisten, dass die Entwicklung des Spielers im Verein und im Verband in eine Richtung geht.

Ein paar Tage nach solchen Länderspielreisen verabreden sich die DFB-Trainer regelmäßig per BlueJeans - ein Videochat-Programm -, um über ihre Trainingseinheiten, Spiele oder Turniere zu sprechen. Um sich schnell und unkompliziert unter den DFB-Kollegen auszutauschen, führen wir solche virtuellen Sitzungen immer häufiger durch. Wir können Videosequenzen ansehen und diskutieren, die eine oder andere aufgetretene Thematik besprechen und einfach über Fußball reden. In solchen Trainertagungen, egal ob per Video oder persönlich in Frankfurt, nehme ich viel Input der Kollegen mit in meine anstehenden Maßnahmen.

Im Austausch mit den Stützpunkten

Bei meinem Assistenztrainer Dennis Lamby, der als Verbandsportlehrer im Rheinland arbeitet, habe ich vergangenes Wochenende vor den Stützpunkttrainern des Rheinlands einen Vortrag über die entwickelten Leitlinien des DFB und die Basics im U 15- bis U 17-Bereich gehalten. Zu diesen Basics zählen wir:

  • Raumorientiertes Anbieten
  • Auftaktbewegung (Lösen vom Gegenspieler)
  • Vororientierung (Schulterblick, offene Stellung)
  • Ballaktion (Ballan- und -mitnahme, erster Kontakt, Passspiel)
  • Folgehandlung

Aus meiner Sicht ist es immens wichtig, dass wir schon im Jugendfußball diese Basics wieder mehr in den Focus rücken, da uns andere Nationen zum Beispiel im Passspiel, in der Technik mit Ball bei der An- und -mitnahme etwas voraus sind. In den Stützpunkten müssen wir daher den Grundstein legen für gut ausgebildete Spieler, die mit Freude und Spaß bei der Sache sind, noch bevor sie anschließend in den Nachwuchsleistungszentren (NLZ) die nächsten Schritte in ihrer Entwicklung gehen.

Besuche bei den Vereinen

Turniere, die eigene Mannschaft aber auch die Gegner werden von uns immer genaustens analysiert. Dies ist wichtig, um Trends zu erkennen, eigene Stärken und Schwächen zu analysieren und Folgen daraus zu generieren. Diese werde ich dann in der übernächsten Woche bei einer NLZ-Trainertagung in Köln den Kollegen aus den Vereinen vorstellen. Dieser Austausch findet regelmäßig statt und ist für uns DFB-Trainer im U-Bereich ein wichtiger Faktor, um die Zusammenarbeit mit den Vereinen zu vertiefen.

Dazwischen steht natürlich das Scouting meines Jahrgangs in der Prioritätenliste ganz oben. An diesem Wochenende werde ich in Stuttgart bei den Kickers sein. Die U 17 spielt am Samstag gegen Bayern München und danach die U 16 gegen den SC Freiburg. Am Sonntag schaue ich beim FC Augsburg gegen den 1. FC Heidenheim vorbei.

Neben diesen Aufgaben werde ich in der nächsten Zeit noch dem NLZ von Holstein Kiel einen Besuch abstatten. Diese Besuche werden regelmäßig von all meinen DFB-Kollegen in Absprache mit den NLZs wahrgenommen, um den guten Austausch in der Nachwuchsarbeit in Deutschland noch zu verbessern. Hier nehme ich an internen Trainertagungen teil, um einen Einblick in die Vereinsarbeit zu bekommen, werde selbst einen Vortrag halten und danach noch die eine oder andere Trainingseinheit meiner Vereinskollegen begleiten.