Spielanalyse

Brighton & Hove Albion – der spielstarke Underdog

Cheftrainer Graham Potter hält mit Brighton & Hove Albion trotz Abstiegskampf an seiner Spielidee fest und setzt den Fokus auf die spielerische Weiterentwicklung.

Pascal Gross von Brighton and Hove Albion feiert sein erstes Permier League Tor © 2017 Getty Images/Dan Istitene
  1. Marius Fischer

    Marius Fischer, Redakteur der DFB-Trainerzeitschrift „Fußballtraining“, analysiert Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball.

Brighton & Hove Albion steckt aktuell mitten im Abstiegskampf der Premier League. Dennoch spielt das Team von Trainer Graham Potter einen sehr attraktiven und offensiven Fußball und lässt sich trotz einiger Rückschläge nicht von ihrem Weg abbringen. Wir haben uns das Team von Englands Südküste genauer angeschaut.

Ein Trainer mit Handschrift

Internationale Bekanntheit erreichte der 44-jährige Graham Potter im Jahr 2018, als er den kleinen FK Östersund erstmals in die höchste schwedische Spielklasse führte und als Höhepunkt in der Europa League mit 2:1 beim FC Arsenal gewann. Nach einer Saison in der zweiten englischen Liga bei Swansea City wechselte Potter im Sommer 2019 zu Brighton & Hove Albion. Durchaus überraschend, da sein Vorgänger Chris Hughton den Verein zuvor in die Premier League geführt und letzte Saison die Klasse gehalten hatte. Dennoch wollte man sich vor allem spielerisch weiterentwickeln und entschied sich daher für Potter, der in seinen vorherigen Stationen stets Wert auf einen attraktiven Ballbesitzfußball legte und den Teams schnell eine spielerische Identität verlieh.

Flach und vertikal

Brighton hat in der Hinrunde der aktuellen Saison 2019/2020 den sechstmeisten Ballbesitz, die fünftmeisten Pässe und die siebtmeisten Schüsse verzeichnet. Trotz der Underdog-Rolle versucht man, mit Ballbesitzfußball und dominanter Spielweise zum Erfolg zu kommen. Vor allem im Spielaufbau sucht man immer wieder flache, vertikale Lösungen und bleibt dieser Spielidee auch unter großem Gegnerdruck treu. Mit Australiens Nationaltorhüter Matthew Ryan verfügt man über einen spielstarken Torspieler, der immer wieder in den Aufbau miteinbezogen wird und zusammen mit den Innenverteidigern Lewis Dunk und Adam Webster dafür verantwortlich ist, die erste Pressinglinie des Gegners zu überspielen. Eine Schlüsselrolle nimmt hierbei der Niederländer Davy Pröpper ein, der durch sein hervorragendes Raumgefühl immer wieder als Anspielpunkt zwischen den Linien fungiert und aus dieser Position heraus die Angriffe einleitet.

    1. Innenverteidiger Lewis Dunk spielt unter leichtem Gegnerdruck einen Pass auf den Linksverteidiger (nicht im Bild).

    2. Bernardo spielt einen Doppelpass mit Stephens ...

    3. ... und passt anschließend zwischen 2 Gegenspielern hindurch auf Pröpper, der mit der Ballannahme aufdreht ...

    4. ... und einen tiefen Pass auf Mooy spielt, der den Ball dynamisch diagonal nach vorne mitnimmt und andribbelt.

    5. In der gegnerischen Häfte passt Mooy in die Außenspur auf Trossard, der mit Tempo ins 1 gegen 1 gehen kann.

    1. Ryan wird von Liverpools Stürmer angelaufen und spielt den Ball auf Innenverteidiger Dunk.

    2. Dunk spielt einen tiefen Pass auf den entgegenkommenden Mooy. Mit dem Pass bewegt sich Linksverteidiger Burn nach vorne.

    3. Mooy lässt den Ball auf Burn klatschen, ...

    4. ... der andribbelt, abkappt und den Ball ins Zentrum auf den freistehenden Stephens spielt.

    5. Stephens nimmt den Ball mit und spielt einen tiefen Pass auf Pröpper, der sich hinter Liverpools Pressinglinie freigelaufen hat und von dort nun ungestört andribbeln kann.

Schnelles Umschaltspiel

Nach einem Ballgewinn versucht Brighton, so schnell wie möglich umzuschalten, um die Desorganisation des Gegners auszunutzen. Hier wird dann versucht, mit so wenig Pässen wie möglich die schnellen, technisch versierten Offensivspieler einzusetzen, die sich im Optimalfall in einer 1-gegen-1-Situation befinden und schnell den Torabschluss suchen können. Die restlichen Spieler sorgen mit ihren Tiefenläufen für zusätzliche Anspielstationen und Lücken in der gegnerischen Defensive. An diesem Umschaltspiel beteiligen sich alle Spieler, sodass je nach Situation auch mal ein Innenverteidiger im Vollsprint nach vorne startet. Mit dem Australier Aaron Mooy verfügt man über einen sehr guten Umschaltspieler, der durch seine Zweikampfstärke viele Ballgewinne erzielt und anschließend in der Lage ist, den Ball im Tempodribbling nach vorne zu tragen.

    1. Ryan schaltet nach einem abgefangenen Ball schnell um und rollt den Ball auf Alzate. Linksverteidiger Burn startet in hohem Tempo nach vorne.

    2. Alzate legt den Ball auf den hinterlaufenden Burn ab, ...

    3. ... der den Ball in die linke Außenspur auf Trossard weiterspielt.

    4. Trossard passt zurück ins Zentrum auf Stephens, der den Ball in den Lauf des heransprintenden Burn spielt.

    5. Burn dribbelt ins Zentrum und wird von Trossard hinterlaufen. Die Verteidiger von Everton weichen zurück.

    6. Burn steckt den Ball auf Trossard durch, der frei in den Strafraum dribbeln kann und mit einer flachen Hereingabe ein Eigentor erzwingt.

    1. Pröpper fängt einen gegnerischen Pass ab, dribbelt an ...

    2. ... und passt in den Lauf von Mooy, der mit Tempo nach vorne dribbelt ...

    3. ... und in die Außenspur auf Maupay spielt.

    4. Maupay geht ins 1 gegen 1 und dribbelt aufs Tor zu.

    5. Im Strafraum legt Maupay auf den nachgerückten Jahanbakhsh ab, der den Ball ins lange Eck einschießt.

Fehlende Effizienz

Geht es nach den "expected goals", also den zu erwartenden Toren, die eine Mannschaft auf Grund ihrer Chancen statistisch hätte erzielen müssen, liegt Brighton im gesicherten Mittelfeld mit Kontakt nach oben. Dies deutet auf ein aktuelles Manko hin: Man nutzt die Torchancen nicht effektiv genug. Ballbesitzmannschaften wie Brighton erspielen sich oftmals weniger, aber dafür qualitativ bessere Torchancen. Aktuell befinden sich in Brightons interner Torschützenliste zwei Innenverteidiger in den Top 5. Nichtsdestotrotz hat Trainer Graham Potter der Mannschaft eine spielerische Identität gegeben, die eine gute Basis bildet, um sich mittelfristig auch in der "echten" Tabelle im gesicherten Mittelfeld zu etablieren.


 

Unter Graham (Potter) geht es viel mehr darum, sich selber zu entfalten und von hinten flach herauszuspielen. Sich mit Ruhe und Gelassenheit am Ball zwischen die Linien des Gegners zu kombinieren.
Matthew Ryan, Torwart von Brighton & Hove Albion

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