Die Rolle der Sportpsycholog*innen

Über den Berufsethos der DFB-Expert*innen

Sportpsycholog*innen übernehmen eine wichtige Funktion im Spitzenfußball. Sie begleiten die Spielerinnen und Spieler auf dem Karriereweg und unterstützen bei der Leistungsentwicklung. Eine erfolgreiche Tätigkeit basiert jedoch auf einem wichtigen Fundament: auf der Haltung und dem Ethos mit der die Position gelebt wird. Deshalb ist das eigene Rollenverständnis eine wichtige Grundvoraussetzung, mit dem sich die Sportpsychologinnen und Sportpsychologen immer wieder auseinandersetzen sollten. 

Berufsethische Dilemmata 

Im Idealfall sind Sportpsycholog*innen wichtige Vertrauenspersonen ­– für Spieler*innen, Trainer*innen und den gesamten Staff. Sie haben tiefe Einblicke in das Team und erfahren vieles aus erster Hand. Wissen, das sie jedoch nicht teilen dürfen. Wichtige Informationen, die sie beispielsweise den Trainer*innen vorenthalten müssen. Sie sind gefangen zwischen Transparenz und Schweigepflicht. Sportpsycholog*innen stoßen in ihrer Arbeit immer wieder an Grenzen, die unter keinen Umständen übertreten werden sollten.

Falscher Aktionismus

Aufmerksam sein, Initiative zeigen, Dinge beobachten und ansprechen. Die Einsatzbereitschaft darf aber nicht aufdringlich werden. Aktionismus sollte nie ein Stilmittel sein, um die eigene Position zu rechtfertigen. Sportpsycholog*innen handeln im Sinne der Sache und nicht zur eigenen Legitimation.

Sture Leistungsoptimierung

Die Performance der Spieler*innen zu verbessern ist eine Aufgabe der Sportpsycholog*innen. Sie ist aber nicht die einzige. Und sie darf auch nicht allen anderen Zielen vorangestellt werden. Nicht alles, was der sportlichen Optimierung hilft, ist auch das Richtige für die persönliche Entwicklung der Sportler*innen.

Leitlinien

Selbstreflexion ist eine wertvolle Kompetenz. Für Sportpsycholog*innen ist es unabdingbar, sich immer wieder selbst zu evaluieren. Mit der Beantwortung wichtiger Leitfragen lässt sich ein genaueres Bild über das eigene Wirken zeichnen.

  1. Fußball ist ein Mannschaftssport, dementsprechend groß ist die Organisation mit allen Spieler*innen und dem gesamten Staff. In diesem System suchen sich die Sportpsycholog*innen ihren Platz und ihre Rolle.  Letztere ist nicht immer einfach zu finden. Sportpsycholog*innen sind die externen Internen. Sie fungieren als unabhängige Ansprechpersonen für die Athlet*innen, bleiben aber trotzdem ein Teil der Organisation. Es besteht die Chance, eine große Vertrauensposition einzunehmen, gleichzeitig kann diese isolierte Rolle im Mannschaftskontext auch einsam machen. Sportpsycholog*innen sollten sich mit dem eigenen Rollenverständnis auseinandersetzen und sich fragen: Welche formelle und informelle Position möchte ich innerhalb des Systems übernehmen? Wie möchte ich wirken? Welches Bild möchte ich gegenüber den anderen Teammitgliedern abgeben?

  2. Auch die Haltung, mit der den Sportler*innen in der gemeinsamen Arbeit begegnet wird, ist entscheidend. Sportpsycholog*innen stehen vor vielen Fragen: Welchen Blick habe ich auf die Athletinnen und Athleten? Verstehe ich mich selbst als Servicekraft, für deren Existenz jede Spielerin und jeder Spieler dankbar sein sollte? Oder kann ich mich in die Sportler*innen hineinversetzen und habe ich Verständnis und Respekt für deren Situationen und den damit verbundenen Herausforderungen? Nicht selten bestimmt die Auffassung die Herangehensweise an die eigene Tätigkeit. 

  3. Es ist kein leichter Spagat: Zwischen Vertrauen und Schweigepflicht auf der einen Seite und Transparenz und Teamplay auf der anderen. Sportpsycholog*innen sollten die Gespräche mit ihren Spieler*innen immer vertraulich behandeln, sind gleichzeitig aber auch dazu angehalten, über bestimmte Themen zu berichten. Wie können beide Interessen erfüllt werden? Grundsätzlich gilt die Maxime: Sportpsycholog*innen sind keine Plaudertaschen. Lieber als langweilig gelten, anstatt das Vertrauen der Sportler*innen aufs Spiel zu setzen. Erleidet diese Beziehung Risse, ist die Autorität des Sportpsychologen oder der Sportpsychologin stark gefährdet. Passend dazu ist ein Satz von Franz Kafka: "Alles Reden ist sinnlos, wenn das Vertrauen fehlt."

  4. Nahbar sein und gleichzeitig Distanz halten – darin besteht eine der großen Herausforderungen für Sportpsycholog*innen. Insbesondere in einer Mannschaftssportart, in der das Prinzip "Gemeinsam erfolgreich" gilt, müssen Grenzen gehalten werden. Sportpsycholog*innen sind in der Verantwortung, diese immer wieder zu ziehen und vertrauliche Informationen zu schützen. 

    Professionalität bedeutet auch, unabhängig und standhaft zu bleiben und den Versuchen von Einflussnahme zu widerstehen. Ein durchaus schwieriges Unterfangen, schließlich handelt es sich um eine Position, die nicht selten zwischen verschiedenen Interessen steht. Umso wichtiger ist es, seine eigene Rolle immer wieder zu verlassen und eine neue andere Perspektive zu wählen. Der regelmäßige Blick von Außen auf die Organisation und das eigene Handeln können helfen, den Anspruch an die eigene berufliche Professionalität neu zu überprüfen.

  5. Wie steht es mit der Wertschätzung der eigenen Arbeit? Es ist menschlich, sich für die eigenen Leistungen, die mit viel Einsatz und hohem Aufwand erbracht worden sind, Anerkennung zu wünschen. Jedoch sollte Demut ein wichtiger Begleiter bleiben. Die Devise lautet, sich nicht in den Vordergrund zu stellen und die eigene Position zur Selbstvermarktung nutzen. Sportpsycholog*innen agieren im Hintergrund und werden nicht zu Lautsprechern. Ihr Platz ist nicht in der ersten Reihe. 

Sportpsycholog*innen müssen im Mannschaftskontext ihren eigenen Weg finden. Jede Organisation funktioniert anders und hat ihre individuellen Besonderheiten. Mit einem objektiven Blick auf die eigene Position und den Wirkungskreis sowie dem richtigen Maß an Empathie, Vertraulichkeit und Loyalität ist das Fundament für eine erfolgreiche sportpsychologische Tätigkeit gelegt.