Top-Teams der WM 2022
Frankreich
Kontinuität auf höchstem Niveau
Frankreich besiegte den „Weltmeisterfluch", denn bei den letzten drei WM-Turnieren überlebten die Titelverteidiger die Vorrunde nicht. Andererseits schaffte es der amtierende Weltmeister von 2018 nicht, was zuletzt Brasilien 1962 in Chile erreichte: seinen WM-Titel zu verteidigen. Auch konnte Frankreich keine vergleichbare Titel-Ära prägen wie Spanien zwischen 2008 und 2012 mit zwei EM-Titeln und dem Gewinn der FIFA-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Allerdings erreichte Frankreich bei den letzten sieben WM-Turnieren viermal das Finale – keine andere Fußballnation war in diesem Zeitraum so erfolgreich!
Und gerade nach dem spektakulären Finale von einer brillanten fußballerischen Qualität kann das französische Team stolz auf das WM-Turnier 2022 zurückblicken.
Spezielle Qualitätsmerkmale
Einige hochkarätige Spieler verpassten die WM in Katar. Vor allem Frankreich hatte viele Ausfälle zu beklagen. Mit N‘Golo Kanté, Paul Pogba, Weltfußballer Karim Benzema und Presnel Kimpembe fielen vier Spieler der Extraklasse im Vorfeld aus. Zudem verletzte sich Stürmer Christopher Nkunku unmittelbar vor dem Turnierstart. Und dann erlitt im ersten Gruppenspiel gegen Australien auch noch Lucas Hernandez von Bayern München einen Kreuzbandriss – ein Schock für die „Grande Nation“.
Es spricht aber für die enorme Qualität des französischen Fußballs, wie diese Ausfälle dennoch kompensiert werden konnten.
Didier Deschamps schaffte es wie bereits beim WM-Titel 2018, individuelle Stärken mit einem funktionierenden, geschlossenem Team-Konzept zu vereinen. Qualitäts- und Erfolgsattribute Frankreichs waren dabei insbesondere:
- individuelle Qualitäten auf jeder Position mit einer Extraklasse des Unterschiedsspielers und Spielentscheiders Mbappé
- eine funktionierende Balance und Stabilität durch eine klare Defensivkonzeption und disziplinierte Teamplayer mit herausragender Physis (Varane, Tchouaméni, Koundé)
- variable Anpassungen der Spielkonzeption je nach WM-Gegner und situativen Anforderungen – falls nötig, konnte Frankreich in der Offensive jederzeit „hochschalten“
Defensive
- Frankreichs Fokus im Spiel gegen den Ball war klar auf eine kompakte, geschlossene Defensivformation in jeder Phase und Situation des Spiels ausgerichtet: „Stabilität first“ und Risikominimierung!
- Dabei war jedoch eine Asymmetrie zu erkennen, da Mbappé im Vergleich zu Dembélé auf der anderen Seite (fast) komplett von Defensiv-Aufgaben befreit war
- Bevorzugt wurde dabei das Pressing im Mittelfelddrittel: Auch spielschwächeren Gegnern erlaubte Frankreich im Turnierverlauf relativ viel Ballbesitz mit einem zunächst geringeren Druck auf den Ball aus der Organisation
- Charakteristisch für das Spiel gegen den Ball war ein reaktiv-ballorientiertes Verschieben, um Passwege und Angriffsoptionen zu verstellen. Ziel war es, den Gegner im dichten Defensivverbund letztlich zu riskanten Aktionen zu zwingen und Ballgewinne zu erzielen
- Vor allem Zuspiele und Angriffsaktionen durch die Mitte wurden mittels einer kompakten Formation im Defensivzentrum konsequent zugestellt bzw. aktiv attackiert: „Top-Defensivlinie“ vor dem eigenen Tor mit einer enormen „athletischen Power“
- Die Prinzipien waren stets identisch: Mitte zu, kurze Distanzen untereinander, schnelles Umschalten nach Erobern des Balles!
- Im Halbfinale gegen Marokko erzielte Frankreich mit einer hohen Pressinglinie zu Beginn allerdings einen Überraschungseffekt: Griezmann positionierte sich bei diesem Angriffspressing aus einem 4-3-3 zunächst als rechter Außenstürmer, um sich dann im Spielverlauf und dem obligatorischen tieferen Pressing in einem 4:5:1 wieder auf die 8 zurückfallen zu lassen
- Im Spiel gegen Marokko war Deschamps nach 65.Min die Lücke hinter Mbappé zu groß und er zog mit der Einwechslung von Thuram für Giroud und der Versetzung Mbappés in die Sturmmitte eine klare Linie, zugunsten der defensiven Stabilität. Thuram spulte längere Wege in die Defensive ab und brachte dank seiner Dynamik noch viel Power für das offensive Umschalten ein
Offensive
Frankreich präsentierte phasenweise wie z.B. beim 3:1-Sieg im Achtelfinale gegen Polen sein enormes Offensiv-Potenzial: ein ebenso dynamisches wie variables Kombinationsspiel über die Außen (Mbappe und Dembele) als auch über die Halbspuren (Griezmann und Rabiot)
Frankreich konnte in der Offensive auf ein großes Repertoire an Angriffsmitteln mit hoher Qualität zugreifen:
- Ein effizientes Mittel waren vor allem Schnellangriffe mit höchster Dynamik nach Ballgewinnen in hinteren Pressing-Zonen
- Dieses explosionsartiges Umschaltspiel nach Ballgewinnen basierte insbesondere auf der herausragenden Dynamik, Zielorientierung und Individualität Mbappes
- Gegen tiefer gestaffelte Gegner präsentierte Frankreich alternativ strukturierte, ballsichere Positionsangriffe, wobei das Team im Spielaufbau zunächst im Sinne der Risikominimierung mit relativ vielen langen Zuspielen in die Tiefe (2. Ball) pragmatisch agierte
- Flexible Positionswechsel im Angriffsdrittel u.a. zum Schaffen von Überzahl-Situationen in bestimmten Zonen
- Und nicht zuletzt: eine enorme Effizienz und Variabilität beim Torabschluss
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