Spielanalyse

Gianluigi Donnarumma

Der Torhüter des Europameisters wurde zum besten Spieler des Turniers gewählt!

Einem Torhüter kommt die Ehre eher selten zu Teil, als bester Spieler eines Turniers ausgezeichnet zu werden. Gianluigi Donnarumma, gerade einmal 22 Jahre alt, hat dieses Kunststück vollbracht. Der italienische Schlussmann war einer der Leistungsträger im italienischen Team und hatte maßgeblichen Anteil am Titelgewinn. In der Torwart-Analyse, die das Expertenteam der DFB-Akademie durchführte, wurden Donnarummas außergewöhnliche Fähigkeiten in der Raum- und Zielverteidigung, aber auch sein zuletzt stark verbessertes Offensivspiel deutlich.

Erfolgsfaktor Donnarumma

Donnarumma bediente die kompletten Anforderungen des Spiels. Er war überall gefordert, wobei er neben der Quantität auch mit einer hohen Qualität im Detail überzeugte. Rund 40 Prozent seiner Torhüter-Aktionen waren qualitativ wertvoll, womit er eine bedeutsame Rolle innerhalb der Mannschaft und auf dem Weg zum Turniererfolg einnahm. Zum Vergleich: Spaniens Unai Simón verzeichnete 12,5 Prozent und Englands Jordan Pickford rund 17 Prozent Qualitätsaktionen. Insgesamt fielen rund 61 Prozent seiner Aktionen auf das Offensivspiel, wohingegen sich der übrige Teil gleichmäßig auf Ziel- und Raumverteidigung verteilte.

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Zielverteidigung

    1. Da sich der Ball in indirekter Torgefahr befindet, steht Donnarumma (TW) zunächst in einer offensiven Position und signalisiert Bereitschaft im Raum zu agieren. Mit dem Dribbling vom zentralen offensiven Mittelfeldspieler (ZOM) schaltet er von Raum- auf Zielverteidigung um und passt seine Position nach hinten an. Die Verteidiger weichen zurück und versuchen, das Zentrum zu verdichten.

    2. Mit dem Eindringen des ZOMs in die torgefährliche Zone geht Donnarumma in die Grundstellung und ist für eine mögliche Zielverteidigungsaktion vorbereitet. Diese löst er nicht mehr auf. Der ballnahe Innenverteidiger (IV) versucht, den Angreifer nach außen zu lenken. Der ZOM überwindet jedoch den IV und setzt zum Torschuss an.

    3. In dem Moment, wo der ZOM das Standbein setzt, ist Donnarumma in seiner Grundstellung auf der Winkelhalbierenden und in angemessener Distanz zum Schützen. Dadurch kann er jederzeit auf den Ball reagieren. Der ballnahe IV versucht Abschlussdruck zu erzeugen, ohne die Blockdichte zu vernachlässigen.

    4. Donnarummas Positionsmanagement ist die Basis für die erfolgreiche Zielverteidigung. Der absolute Wille das Tor zu verteidigen, veredelt das gute Positionsmanagement. Dabei hilft ihm seine Dynamik im Abdruck.

    1. Ball in direkter Torgefahr: Die Verteidiger verdichten bewusst das Zentrum und schließen das direkte Schussfenster für den ballführenden Spieler (ZDM).

    2. Donnarumma (TW) ist rechtzeitig in seiner Grundstellung auf der Winkelhalbierenden und in angemessener Distanz zum Schützen, jederzeit bereit auf Änderungen der Situation reagieren zu können. Die Verteidigen verdichten weiterhin das Zentrum, schließen das direkte Schussfenster für den ballführenden Stürmer (ST) und lassen das Anspiel nach außen bewusst zu, das auch erfolgt.

    3. Mit dem Pass zum gegnerischen äußeren Mittelfeldspieler (AMF) nutzt Donnarumma das Zeitfenster, um aktiv seine Position anzupassen. Gleichzeitig setzt der ballnahe Außenverteidiger (AV) umgehend und aggressiv nach, um Abschlussdruck zu erzeugen.

    4. Im Moment des Torschusses hat Donnarumma eine gute Position und ist in Grundstellung, wobei er die Distanz maximal groß hält, um seine Reaktionszeit groß zu halten. Das virtuelle Tor ist aufgrund des Winkels klein. Gleichzeitig erzeugt der AV so viel Abschlussdruck wie möglich.

    5. Durch das konktrolierte Positionsmangement und die Überzeugung auf den Schuss reagieren zu können, ist Donnarumma dazu in der Lage, den Torschuss aktiv mit einer Fußabwehr zu verteidigen.

Raumverteidigung

    1. Gegnerischer Ballbesitz in der Außenspur: Donnarumma (TW) nimmt eine mutige offensive Position ein. Im Verlauf der Situation kappt der gegnerische äußere Mittelfeldspieler (AMF) ab und passt zurück zum zentralen Mittelfeldspieler (ZDM). Donnarumma nimmt den Rückpass wahr und passt seine Position nach vorne an.

    2. Dadurch erweitert er seinen Wirkungsradius und hat eine hohe Präsenz im Raum. Anschließend flankt der ZDM in den Strafraum.

    3. Donnarumma trifft die Entscheidung im Raum zu agieren. Beim Abfangen springt er mit einem linken Bein ab und geht in die volle Körperstreckung, während die Verteidiger den Gegner relativ gut abschirmen.

    1. Gegnerischer Ballbesitz in der Außenspur. Donnarumma (TW) besitzt eine gewisse 'Lockerheit' in der Positionsanpassung und hat eine hohe Präsenz im Raum.

    2. Im weiteren Verlauf der Spielsituation bricht der ballbesitzende Gegner in Richtung Grundlinie durch. Donnarumma erkennt die Situation frühzeitig und passt seine Position nach vorne in Richtung Querpassverteidigung an.

    3. Als der Gegner an der Grundlinie ist, hat Donnarumma aufgrund seines aktiven Positionsmanagement rechtzeitig die Position für die Querpassverteidigung eingenommen. Die 'Lockerheit' ist mittlerweile der Überzeugung und Körperspannung gewichen. Der Gegner passt in die Mitte, ...

    4. ... doch Donnarumma fängt das Zuspiel durch schnelles Tauchen ab. Die ballnahen Verteidiger unterstüzen mithilfe ihre Positionierungen: Der ballnahe Verteidiger bildet den 'Pfosten' des virtuellen Tores, der ballferne blockt den Angreifer in Tornähe.

Offensivspiel

    1. Mit einem Rückpass gerät Donnarumma (TW) unter Druck, wobei sich ein Raum im Rücken der ersten Angriffslinie öffnet. Donnarumma erkennt die Situation, nutzt einen neutralen Kontakt zur bewussten Gegnerbindung ...

    2. ... und passt zum freistehenden zentralen defensiven Mittelfeldspieler (ZDM). Dieser kann sich aufdrehen ...

    3. ... und hat so in einem situativen 4 gegen 2 mehrere Optionen zur Spielfortsetzung. Letztlich entscheidet er sich für den Pass zum Außenverteidiger (AV).

    4. Dadurch ist die erste Abwehrreihe überspielt und in der nächsten Ebene entsteht eine kurzzeitige 2-gegen-1-Überzahl.

    1. Abstoß Italien: Der Gegner stellt vorne zu und hat mannorientierten Zugriff. Der Innenverteidiger eröffnet mit einem Pass zu Donnarumma (TW).

    2. Donnarumma nutzt einen neutralen Kontakt, mit dem er sich alle Optionen offen hält. Zwar ist eine kurze Lösung möglich, beispielsweise mit einem Pass zum Außenverteidiger (AV), aber alle Gegenspieler sind auf dem Sprung, um den Ball zu attackieren und zu pressen. Donnarumma erkennt die Situation ...

    3. ... sowie den großen Raum vor der gegnerischen Abwehrkette und spielt einen präzisen Pass zum Stürmer (ST). Mit dem Flugball wurden sieben Gegenspieler überspielt. Der ST nutzt den Raum und nimmt zum Tor an und mit, während der Außenstürmer (AS) bereits die Linie entlang sprintet.

    4. Der ST nimmt die Situation wahr und passt zum AS, der nun mit Tempo ins 1 gegen 1 an der letzten Linie gehen kann – ausgelöst durch die Entscheidung des Torhüters.

    1. Rückpass zu Donnarumma (TW): Durch ein aktives Positionsmanagement verschafft er sich vorab Raum und Zeit zur Spielfortsetzung.

    2. Durch das Anlaufen des ballnahen Angreifers wird Donnarumma auf seinen schwachen Fuß gelenkt. Er hat die Situation jedoch frühzeitig wahrgenommen, vertraut auf die Fähigkeiten mit seinem schwachen Fuß ...

    3. ... und verlagert das Spiel auf den freistehenden Außenverteidger (AV).

    4. Gegebenenfalls wäre hier der Pass auf den Stürmer (ST) die bessere und einfachere Lösung, doch die technische Qualität und Präzision des Passes ermöglicht dem Außenverteidiger die zielgerichtete Spielfortsetzung.

    1. Donnarumma (TW) erhält ein Zuspiel, das er mit einem neutralen Kontakt annimmt und sich so alle Optionen offen hält. Er entscheidet sich jedoch frühzeitig für einen Pass zum Innenverteidiger (IV), ...

    2. ... wodurch der anlaufende Gegner umgehend Druck aufbauen kann. Mit dem Zuspiel sprintet der ballferne Angreifer in Richtung Donnarumma und setzt diesen unter Druck. Donnarumma reagiert mit einem Absetzen, um Zeit zu gewinnen. Der IV spielt zurück zu Donnarumma ...

    3. ... der die Situation mit einem langen Pass in die Tiefe löst.

    4. Trotz Druck und Direktspiel landet der Ball beim Zielstürmer (ST), der die Möglichkeit hat, auf den zentralen offensiven Mittelfeldspielers (ZOM) abzulegen. Der ST kann den Ball jedoch nicht kontrollieren, wodurch die Situation letztlich mit einem Ballverlust endet.

    1. Nach einer erfolgreichen Defensivaktion schaltet Donnarumma (TW) umgehend auf Offensive um und läuft nach vorne.

    2. Dabei geht Donnraummas erster Blick sofort in die nächste Ebene im Rücken des Gegners. Dort steht der zentrale defensive Mittelfeldspieler (ZDM) frei, den er auch anspielt.

    3. Der Ball wird so gespielt, dass der ZDM aufdrehen und das Spiel mit einem Pass zum Außenstürmer (AS) fortsetzen kann.

    4. Aufgrund des Umschaltimpulses von Donnarumma sowie der schnellen Spielfortsetzung vom ZDM hat Italien acht Gegner überspielt und befindet sich in einer gefährlicher Angriffssituation im vordersten Drittel.

Fazit

Donnarumma erfüllte bei diesem Turnier das komplette Anforderungsprofil eines Torhüters. Er war ein integraler Bestandteil des Spielaufbaus und zudem dazu in der Lage, das Spiel als Impulsgeber mitzugestalten. Darüber hinaus überzeugte er mit einer hohen Bereitschaft im Raum, strahlte hierbei eine hohe Präsenz und Souveränität aus. Als Zielverteidiger war er permanent "online" und kam durch sein optimales Positionsmanagement konstant in die bestmögliche Ausgangslage, um effektiv Tore zu verhindern. Dazu bestach er auch durch seinen unbedingten Willen, das Tor zu verteidigen.