Spielvision

Die Spielvision fasst klare, anschauliche Qualitätsmerkmale für alle Phasen des Spiels zusammen. Sie machen einen attraktiven, zukunftsorientierten und erfolgreichen Fußball aus. Kern der Sportlichen Zukunftsstrategie ist eine Spielauffassung, die originäre Qualitäten und Strategien des deutschen Fußball(er)s mit nachweisbaren Erfolgsprinzipien und -mustern des internationalen Fußballs verbindet. Einige plakative und prägnante Leitlinien beschreiben dabei, was das Fußballspiel als solches im Grundwesen ausmacht. Konsequent mit unseren Stärken umgesetzt, weisen sie uns zukunftsorientiert den Weg zu begeisterndem und letztlich erfolgreichem Fußball!

Anforderungen und Qualitätsmerkmale

Aus der Spielvision leiten sich (alters- und leistungsmäßig angepasste) Anforderungen und Qualitätsmerkmale für alle Bereiche des deutschen Fußballs ab – von der Nationalmannschaft bis zum Kinderfußball.
Ziel ist es, alle Trainer*innen in Deutschland für diese Spielauffassung zu begeistern! Das beeinflusst gleichzeitig positiv seine Ausbildungs- und Trainingsarbeit, denn Trainer*innen formen und fördern Spieler*innen und Teams, die exakt diesen Fußball spielen können!

Die Spielvision ist unterteilt in übergeordnete, offensive und defensive Leitlinien. Die Leitlinien der Spielauffassung formulieren somit auch klare Orientierungspunkte für alle DFB-Teams von der U15 bis zur A-Nationalmannschaft. Diese konkreten „Erfolgsregeln“ müssen dabei variabel in konkreten Spielsituationen umgesetzt werden. Musterszenen aus Spielen diverser männlicher und weiblicher U-Teams zeigen anschaulich wie die Spieler*innen in verschiedensten Phasen des Spiels auf Basis der Leitlinien jeweils eine flexible, angepasste Lösung finden.

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Übergeordnete Leitlinien

  1. Beispiel: Absetzen der Innenverteidiger*innen (Offensivphase)
    • Wir setzen uns mit hoher Intensität ab, um anspielbar zu sein und dem ballführenden Spieler eine Passoption zu geben.

    • Wir bewegen uns aus dem Deckungsschatten der Gegenspielerin, um wieder anspielbar zu sein und fordern aktiv den Ball.

    • Wir setzen uns mit dem Rückpass auf den Torhüter sofort in hohem Tempo seitlich ab, um spieloffen anspielbar zu sein und die Zentrumsspur für einen Pass in Spielrichtung zu öffnen.

  2. Beispiel: „Spiel über Dritte“ (Offensivphase)
    • Wir dribbeln an und binden Gegenspieler, öffnen in der Angriffsreihe mit einer Gegenbewegung den Raum und laufen mit dem Pass in den Rücken der Abwehrreihe.

    • Wir erkennen die Überzahlsituation in der Zentrumsspur, positionieren uns anspielbar im Zwischenraum und bewegen uns aus dem Rücken des Gegenspielers in die Tiefe.

    • Wir binden ohne Ball Gegenspieler, lösen uns im Zwischenraum aus dem Deckungsschatten und nutzen den Raum im Rücken der Gegenspieler.

  3. Beispiel: Positionierungen im eigenen Pressing anhand von Pressingsignalen dynamisch anpassen (Defensivphase)
    • Wir stehen geordnet in der Pressingzone, passen unsere Positionierung sowie Höhe anhand von Pressingsignalen an.

    • Wir haben ein Verständnis für Raum- und Gegnerzuordnungen, reagieren auf das Verhalten unserer Mitspieler und antizipieren potentielle Ballgewinne.

    • Wir üben Druck auf den Spielaufbau aus, agieren in der Abwehrreihe variabel und schieben durch, um die Zuordnung situativ anzupassen. 

  4. Beispiel: Ball sichern / festmachen (Offensivphase)
    • Wir erkennen den Gegnerdruck im Rücken, suchen aktiv mit dem Arm den Körperkontakt und sichern den Ball in seitlicher Stellung.

    • Wir suchen bereits vor der Ballannahme den Körperkontakt, um stabil zu bleiben und den Ball zu sichern.

    • Wir haben Gegnerdruck im Rücken und sichern zuerst den Ball, um das Spiel kontrolliert fortsetzen zu können.

  5. Beispiel: Mit größtem Willen an Gegenspieler*innen vorbeikommen (Offensivphase)
    • Wir erkennen die Umschaltsituation, versuchen sofort Tempo aufzunehmen und nutzen die Unordnung des Gegners.

    • Wir möchten unbedingt am Gegenspieler vorbei, kreuzen den Laufweg und provozieren so aktiv das Foul des Gegenspielers im Strafraum.

    • Wir dribbeln aktiv Gegenspielerinnen an und nutzen Finten sowie Tempo- und Richtungswechsel, um Gegenspielerinnen zu überwinden.

  6. Beispiel: verbales und nonverbales Coaching (Defensivphase)
    • Wir coachen uns alle aktiv gegenseitig durch Kommandos und Armbewegungen, um dadurch den Raum zu kontrollieren.

    • Wir coachen uns gegenseitig, um wieder in der Ordnung zu stehen und kompakt zu sein.

    • Wir erkennen gegenläufige Bewegungen und Positionswechsel und unterstützen uns, indem wir miteinander kommunizieren und dadurch Zuständigkeiten schaffen.

  7. Beispiel: Einen ballfernen Laufweg hinter die Abwehrreihe bei spieloffenen Fuß in der Halbspur anbieten (Offensivphase)
    • Wir erkennen die Möglichkeit des langen Passes hinter die Abwehrreihe und laufen bereits vor dem Abspiel los, um einen Bewegungsvorsprung zu haben.

    • Wir erkennen den spieloffenen Fuß unseres Mitspielers und laufen im Quersprint hinter die Abwehrreihe.

    • Wir erkennen, dass sich unsere Mitspielerin aus dem Druck dreht und fordern durch den Laufweg aktiv den Pass hinter die Abwehrreihe.

Offensive Leitlinien

  1. Den spieloffenen Fuß anspielen
    • Wir finden mit einem scharfen Pass den Vorderfuß des Mitspielers und schaffen es so, die Dynamik aufrecht zu erhalten.

    • Wir passen scharf sowie präzise in den Lauf der Mitspielerin, sodass diese mit dem ersten Kontakt an der unmittelbaren Gegenspielerin vorbeidribbeln kann.

    • Wir spielen unseren Mitspieler auf dem richtigen Fuß an und schaffen es so, mit wenigen Pässen in den torgefährlichen Raum zu kommen.

  2. Beispiel: Dynamische Positionsanpassung anhand von Bezugspunkten
    • Wir passen unsere Position hinsichtlich der Bezugspunkte Ball, Mit- und Gegenspieler immer wieder an und sind so im Rücken des Gegners anspielbar.

    • Wir stehen in der Außenspur so breit wie nötig, passen dauerhaft unsere Position an und bleiben dadurch anspielbar.

    • Wir setzen uns aus dem Deckungsschatten ab, spielen mit wenigen Pässen aus dem Druck und bleiben durch Breiten- und Höhenanpassung dauerhaft anspielbar.

    • Wir schaffen es durch Andribbeln, Spielverlagerungen und Läufe in Spielrichtung ins Angriffsdrittel zu kommen und sind in der Restverteidigung gut zugeordnet für mögliche Ballverluste.

    • Wir dribbeln an, binden dadurch Gegenspielerinnen, schaffen 2 gegen 1 Situationen und halten in Spielrichtung Anschluss, um Zugriff auf Gegenspielerinnen zu haben.

    • Wir schaffen sowie nutzen durch Binden mit und ohne Ball freie Räume und ordnen uns in der Abwehrreihe sowie ballfernen Gegenspielern zu.

  3. Beispiel: Aus dem Deckungsschatten der Gegenspieler*innen
    • Wir lösen uns aktiv seitlich aus dem Deckungsschatten und sind wieder anspielbar, um das Spiel nach vorne fortzusetzen.

    • Wir erkennen den freien Raum und lösen uns seitlich aus dem Deckungsschatten der Gegenspielerin, um anspielbar zu sein.

    • Wir setzen uns im Zentrum ab und passen unsere Position so an, dass wir außerhalb des Deckungsschattens spieloffen im Rücken der Gegenspielerin anspielbar sind.

  4. Beispiel: Über den Spielaufbau ins Angriffsdrittel durchspielen
    • Wir passen so präzise wie möglich, kontrollieren den Ball bei der Ballannahme optimal und gelangen durch Aktivität sowie Geduld zum Torabschluss.

    • Wir haben in Ballbesitzphasen den Blick für die Spielrichtung, erkennen sowie nutzen Räume im Rücken und kreieren durch ein präzises Passspiel eine gute Torabschlusssituation.

    • Wir nutzen Überzahlsituationen, um Gegner zu überspielen, setzen das Spiel aktiv in Spielrichtung fort und halten die Dynamik durch schnelle (Doppel-)Pässe aufrecht.

Defensive Leitlinien

  1. Beispiel: Übergeben-Übernehmen im Mittelfeldpressing
    • Wir stehen kompakt in der Pressingzone, ordnen uns Gegenspielerinnen in Ballnähe zu und nutzen Pressingauslöser konsequent für den Ballgewinn.

    • Wir kommunizieren miteinander, übergeben und übernehmen Gegenspieler und verteidigen innerhalb der Pressingzone aktiv.

    • Wir stören Gegenspielerinnen beim kontrollierten Passspiel, stellen Passwege zu und antizipieren Pässe in die Pressingzone.

  2. Beispiel: Potential für Ballgewinne erkennen
    • Wir nehmen Gegenspielerinnen im Raum wahr, kommunizieren Zuständigkeiten und setzen Gegenspielerinnen mit Anspiel unter Druck.

    • Wir provozieren Fehler durch Druck auf den ballführenden Gegenspieler und antizipieren Situationen, um Pässe zu attackieren.

    • Wir verteidigen in einer kompakten Organisation im Raum, orientieren uns an Gegenspielern und erkennen Pressingauslöser, um zum Ballgewinn zu kommen.

  3. Beispiel: Ins Doppeln kommen
    • Wir agieren im Raum aber gegnerorientiert und attackieren den Pass in die Zentrumsspur, stellen die Gegenspielerin und unterstützen bei der Balleroberung.

    • Wir schalten nach Ballverlust im Kollektiv um, setzen die Ballführende unter Druck und versuchen durch „Doppeln“ den Ballgewinn zu erzielen.

    • Wir schließen das Zentrum, attackieren den Pass in die Außenspur und kommen, nachdem wir überspielt sind, zum „Doppeln“ dazu und gewinnen im 2 gegen 1 den Ball.

  4. Beispiel: Strafraumverteidigung (Verhalten gegen gegnerische Flanken)
    • Wir stehen spieloffen, um Ball und Gegenspieler sehen zu können und suchen von der inneren Linie Körperkontakt, um den Gegenspieler zu fühlen.

    • Wir erkennen die Gefahr einer Flanke auf der Außenspur, kommen in die Position, stehen spieloffen und suchen aktiv den Körperkontakt zum Gegenspieler.

    • Wir ordnen uns frühzeitig zu (suchen bereits Körperkontakt, bevor die Flanke droht) und blocken mit der Flanke den Laufweg des Gegenspielers.

  5. Beispiel: Umschalten nach Ballverlust
    • Wir setzen Gegenspieler unter Druck, schließen das Zentrum und versuchen in hohem Tempo hinter den Ball zu kommen und den Torabschluss zu verhindern.

    • Wir wollen den Ballgewinn erzielen, auch wenn wir überspielt sind, nutzen den Moment für eine clevere Balleroberung und verteidigen bis zur klaren Ballkontrolle.

    • Wir erkennen den Umschaltmoment frühzeitig, verdichten Räume im Zentrum und verhindern mit einer hohen Intensität konsequent den Torabschluss.

Spielkonzeption

Die Herausforderung: Die Spielauffassung teamspezifisch umsetzen!

Orientiert sich ein Trainer im ersten Schritt an den Leitlinien der Spielauffassung, so kann er sicher sein, sich mit seinem Team auf dem richtigen „Weg” zu einem erfolgreichen, motivierenden und attraktiven Fußball zu befinden.

Nun beginnt aber erst seine originäre, individuelle und hoch anspruchsvolle Trainerarbeit. Denn er muss auf Basis der bereits recht konkreten, dennoch variabel umsetzbaren „Erfolgsregeln” für sein Team – besser mit(!) seinem Team – eine maßgeschneiderte Spielkonzeption entwickeln! Eine funktionierende Spielkonzeption berücksichtigt dabei beispielsweise das aktuelle Leistungslevel der Spieler, aber auch originäre Vorstellungen und Ideen des Trainers.

Christian Wück beim Trainingslager in La Manga