Spielanalyse

AZ Alkmaar - die holländische Talentschmiede

Das Team von Cheftrainer Arne Slot ist derzeit eines der spielstärksten Teams der Eredivisie. Das spiegelt sich auch in Zahlen wider.

AZ Alkmaarposiert posiert für ein Mannschaftsfoto vor dem UEFA Europa League Spiel zwischen AZ Alkmaar und Manchester United. © 2019 JOHN THYS/AFP/Getty Images
  1. Christopher Toetz

    Christopher Toetz, Redakteur der DFB-Trainerzeitschrift „Fußballtraining“, analysiert Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball.

AZ Alkmaar ist derzeit Tabellenzweiter und liegt nur drei Punkte hinter Ligaprimus Ajax Amsterdam. Das Besondere dabei: Die Mannschaft besteht aus zahlreichen Spielern des eigenen Leistungszentrums. In dieser Spielzeit haben die Eigengewächse fast 47% der gesamten Spielminuten bestritten. Ein Topwert im europäischen Vergleich.

Variables Ballbesitzspiel

Die eigentliche Stärke von AZ Alkmaar ist der Positionsangriff. Dabei agiert das Team in einem 4-2-3-1-System, das sich jedoch fließend in ein 4-3-3 verwandeln kann. Sie überzeugen mit einem hochwertigen Bewegungs- und Kombinationsspiel, mit Rollenverteilungen, die den Stärken der einzelnen Spieler entsprechen und einer gleichmäßigen Raumaufteilung, durch die sie stets die Verbindungen zueinander halten können. Mit fast 59% Ballbesitz sind sie das zweitdominanteste Team der Eredivisie und spielen im Schnitt 16 Torschüsse pro Spiel heraus. Davon bringen sie durchschnittlich 6,8 Schüsse auf das Tor – nach Ajax Amsterdam der zweitbeste Wert der Liga.

Spielweise

Das wichtigste Angriffsmittel von AZ Alkmaar ist das Spiel über die Außen. So gelingt es ihnen mit einem herausragenden Zusammenspiel zwischen Außenverteidiger und –stürmer, vermehrt in den Rücken der Abwehr zu gelangen. Dabei ist der Ablauf vergleichsweise simpel: Der Ballbesitzer bindet den stellenden Verteidiger, indem er ihn andribbelt. Ein naher Angreifer läuft im Höchsttempo eng hinter oder vor dem Ballbesitzer herum und schafft so eine 2-gegen-1-Überzahl. Der Ballbesitzer kann in die Bewegung des Hinter- bzw. Vorderlaufenden passen oder – wenn der gegnerische Verteidiger genau darauf spekuliert – alleine durchbrechen. Generell zeigen sich die Alkmaarer beim Erspielen der Chancen beeindruckend effektiv. Mit relativ einfachen Mitteln wie Doppelpässen oder Durchbrüchen zur Grundlinie spielt AZ seine Stürmer so frei, dass sie im Grunde nur noch einschieben müssen. Entscheidend für die Qualität der Chancen ist, dass die Hereingaben flach, scharf und in den Rücken der Innenverteidiger kommen.

    1. Suguwara dribbelt in der Außenspur. Svensson läuft in die Tiefe und fordert ein Zuspiel hinter die gegnerische Abwehrreihe, das er auch erhält.

    2. Svensson flankt in die Mitte. Die Hereingabe wird jedoch vom gegnerischen Innenverteidiger (IV) geklärt.

    3. Der Ball landet bei Midtsjø, der das Spiel mit einem Pass zum freistehenden Idrissi verlagert.

    4. Idrissi nimmt an und mit, dribbelt in den Strafraum und bindet den Außenverteidiger (AV). Gleichzeitig läuft Wijnders in die Tiefe, woraufhin der gegnerische äußere Mittelfeldspieler (AMF) mitgeht.

    5. Dadurch ergibt sich ein 2 gegen 2 im Strafraum. Wijnders hinterläuft Idrissi, der im richtigen Moment in dessen Lauf passt. Wijnders setzt das Spiel mit einem Dribbling fort.

    6. An der Grundlinie passt Wijnders in die Mitte zu Boadu, der das Zuspiel erfolgreich verwertet.

    1. Idrissi verlagert zum freistehenden Svensson, der das Spiel mit einem Dribbling fortsetzt.

    2. Anschließend passt Svensson zu Stengs, der sich zuvor nach außen abgesetzt hat.

    3. Stengs dribbelt den gegnerischen Außenverteidiger (AV) an und bindet diesen. Gleichzeitig setzt Svensson seinen Lauf fort.

    4. Svensson hinterläuft Stengs und schafft so ein 2 gegen 1 gegen den AV. Stengs passt zu Svensson, ...

    5. ... der seine Bewegungsdynamik nutzt und präzise in die ballferne Ecke abschließt.

    1. Chatzdiakos dribbelt unter Druck des gegnerischen Stürmers (ST) nach außen. Daraufhin rückt der zentrale offensive Mittelfeldspieler (ZOM) von Koopmeiners ab und versperrt den vertikalen Passweg. Koopmeiners erkennt die Situation und fordert ein Zuspiel, das er auch erhält.

    2. Koopmeiners dreht in Spielrichtung auf und passt in die Tiefe zu Boadu (nicht im Bild).

    3. Boadu nimmt an und mit und dribbelt in Richtung gegnerisches Tor.

    4. Durch das Dribbling bindet Boadu den gegnerischen Außenverteidiger. In dem Moment, als sich der Außenverteidiger (AV) zum ihm orientiert, passt er zu Idrissi.

    5. Der AV reagiert sofort auf den Pass und versucht, mit einer Grätsche den Ball zu erobern. Idrissi erkennt die Absicht frühzeitig, überspielt den AV und dribbelt in den Strafraum.

    6. Kurz vor der Grundlinie überblickt Idrissi zunächst die Situation in der Mitte. Letztlich wählt er den Alleingang und schließt erfolgreich in die ballferne Ecke ab.

Spielverlagerung

Auf dem Weg nach vorne nutzt der AZ Alkmaar bevorzugt die rechte Seite. Sie versuchen, mithilfe der spielstarken Stengs und Koopmeiners sowie Midtsjø und Svensson den Raum zu überladen. Durch die Überzahl verschiebt der Gegner mit vielen Spielern oder gerät in Unterzahl. AZ kann diese Situation dann ausspielen oder bei Gleichzahl eine schnelle Spielverlagerung vortragen, um den Angreifer auf der anderen Seite in eine gefährliche 1-gegen-1-Situation zu schicken oder eine Überzahlzahlsituation herzustellen. Bei den Seitenwechseln weiß besonders Koopmeiners zu überzeugen, der mit großer Ruhe die Bälle verteilt und stets als Verbindung zwischen linker und rechter Seite fungiert.

    1. Midtsjø dribbelt mit Tempo in der Außenspur und zieht so das gegnerische Mittelfeld auf seine Spielfeldseite.

    2. Kurz bevor Midtsjø vom Mittelfeld gestellt wird, passt er zu dem in der Mitte freistehenden Stengs.

    3. Boadu bindet den gegnerischen Außenverteidiger (AV), sodass Idrissi frei steht. Stengs nimmt die Situation wahr und passt in den Lauf von Idrissi.

    4. Idrissi nimmt an und mit und sucht das 1 gegen 1 gegen den AV. Nach einer Finte bricht er nach innen durch ...

    5. ... und schließt erfolgreich in die ballferne Ecke ab.

    1. Stengs passt zu Boadu, der zuvor den Innenverteidiger (IV) aus der Abwehr gelockt hat und nun den Raum in dessen Rücken anläuft.

    2. Der Pass gerät jedoch zu kurz, sodass Boadu das Tempo rausnehmen und den Ball gegen den IV behaupten muss. Dabei dribbelt er in die Zentrumsspur.

    3. Dort passt Boadu zu Idrissi, der sich bereits vom gegnerischen Außenverteidiger (AV) abgesetzt hat. Mit dem Pass läuft Wijndal in die Tiefe.

    4. Idrissi dribbelt in Richtung Tor und bindet den gegnerischen AV. Wijndal setzt seinen Laufweg weiter fort.

    5. Wijndal hinterläuft Idrissi und schafft ein 2 gegen 1 gegen den AV. Idrissi passt im richtigen Moment zu Wijndal, ...

    6. ... der den Bewegungsvorsprung nutzt und direkt vor das Tor passt. Dort verwandelt Boadu die Hereingabe zum 1:0-Führungstreffer.

Standards

Ein weitere Stärke von AZ Alkmaar sind ihre Standards. Von ihren insgesamt 38 Ligatoren haben sie neun Tore nach einem ruhenden Ball erzielt. Zum Vergleich: Die nächstplatzierten FC Utrecht und ADO Den Haag verzeichnen je sechs Tore. Elfmetertore sind hiervon ausgenommen, die bei AZ mit weiteren sechs Toren zu Buche schlagen. Wie auch bei gruppen- und mannschaftstaktischen Abläufen im laufenden Spiel verfügt das Team über eine Vielzahl von einstudierten Varianten. Dabei nutzen sie bevorzugt Blocks, um Zielräume zu öffnen oder offen zu halten, sowie die „Blindside“ der Verteidiger.

    1. Ausgangssituation: Koopmeiners ist der Freistoßschütze. Stengs hält die Breite und bindet einen Gegenspieler. Midtsjø steht mittig der Strafraumgrenze und postiert sich so, dass er den Weg nach innen zum offenen Raum hin blocken kann.

    2. Koopmeiners passt in den freien Raum zu Midtsjø. Stengs und der gegnerische Innenverteidiger (IV) starten gleichzeitig in den Strafraum.

    3. Durch den Pass dreht sich der IV zum Ball und verliert Stengs aus den Augen, der nun in dessen Rücken freisteht. Midtsjø passt zu Stengs.

    4. Stengs überdribbelt den IV ...

    5. ... und schließt erfolgreich in die ballnahe Ecke ab.

    1. Ausgangsituation: Boadu (2) postiert sich halblinks vor dem Tor. Koopmeiners (3) und de Wit (4) stehen um den Elfmeterpunkt herum. Alle drei Spieler sind in Manndeckung. Midtsjø (1) ist der Eckballschütze.

    2. Mit dem Anlauf von Midtsjø (1) starten Koopmeiners (3) und de Wit (4) ihre Läufe. Boadu (2) verharrt in seiner Position.

    3. Sowohl Koopmeiners (3) als auch de Wit (4) haben sich bereits einen Vorsprung gegenüber ihren Gegenspielern erlaufen. Boadus (2) Verhalten bleibt unverändert. Midtsjø (1) flankt in den Strafraum.

    4. Die Flanke überspielt Koopmeiners, der am ballnahen Pfosten zwei Gegenspieler bindet. Jetzt kommt Boadus (2) Verhalten zum Tragen: Durch den passiven Block verhindert er ein mögliches Eingreifen vom Gegenspieler und Torwart und öffnet so den Zielraum für den einlaufenden de Wit (4).

    5. De Wit (4) nutzt den Raum und verwertet die Hereingabe mit einer akrobatischen Einlage.

Klarer Plan

AZ Alkmaar überzeugt mit einer klaren Spielidee, die in der Offensive vom Spiel über die Außen, dem Zusammenspiel zwischen Außenverteidigern und -stürmern, Spielverlagerungen sowie Standardsituationen geprägt ist. Dabei überzeugen gerade die jungen Talente mit viel Kreativität und Spielwitz.

Als Cheftrainer ist es sehr schön zu sehen, dass sich die Spieler so gut entwickeln und so gut spielen. Dafür bist du Trainer.
Arne Slot, Cheftrainer AZ Alkmaar
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