Spielanalyse

FC Red Bull Salzburg – die Torgaranten

Die Bullen dominieren die Liga und überraschen in Europa. Wir haben das Team analysiert!

FC Salzburg beim Mannschaftsfoto kurz vor dem Spiel gegen den FC Liverpool.  © 2019 imago images/GEPA pictures
  1. Christopher Toetz

    Christopher Toetz, Redakteur der DFB-Trainerzeitschrift „Fußballtraining“, analysiert Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball.

Der FC Red Bull Salzburg spielt unter Neu-Trainer Jesse Marsch eine bis dato überaus erfolgreiche Saison. Der Amerikaner hat in kürzester Zeit eine angriffslustige Spielphilosophie mit hoher Intensität implementiert, die schon für viele torreiche Spektakel gesorgt hat: 64 Tore in 14 Pflichtspielen.

Hohe Intensität

Ein wichtiges taktisches Mittel der Salzburger ist – wie traditionell üblich – ein intensives Pressing. In einem 4-3-1-2 oder 4-2-2-2 setzen sie den Gegner oftmals im Angriffsdrittel unter Druck. Sobald die gegnerischen Innenverteidiger in Ballbesitz gelangen, laufen die vorderen Angreifer aggressiv an. Dabei rückt die übrige Mannschaft konsequent nach und erhöht mit teils situativen Mannorientierungen den Gegnerdruck. Dadurch sorgen sie dafür, dass der Gegner das Spiel nicht ruhig eröffnen kann. In der Folge reagieren die Gegner meist mit langen Pässen, auf die die Bullen jedoch wesentlich besser vorbereitet zu sein scheinen und so viele zweite Bälle gewinnen können. Diese nutzen sie dann konsequent für das eigene Umschaltspiel.

Umschaltmomente

Beim Umschalten nach Ballverlust gibt es nur eine Maxime: Gegenpressing. Die Salzburger ziehen sich sofort ballnah zusammen und überzeugen dabei mit einer hohen Reaktionsschnelligkeit und Aggressivität, wodurch sie sofort Druck erzeugen können. Sie nutzen den Moment, in dem der Gegner selbst noch nicht auf Ballbesitz eingestellt ist, und die Chance zur Rückeroberung des Balles am größten ist. Zudem sind sie am Ort des Ballverlustes in der Regel mit vielen Spielern vertreten, sodass eine Überzahl hergestellt werden kann. Gelingt der Ballgewinn, starten sie direkt einen Gegenangriff. Wenn ein Gegenpressing nicht möglich ist oder ein Gegner sich daraus befreien kann, dann gilt das Prinzip: Den direkten Weg versperren, hinter den Ball kommen und mithilfe einer Überzahl in ein intensives Pressing übergehen. Aus diesen Situationen entstehen ebenfalls viele gefährliche Konter.

    1. Nach einem Einwurf setzen Okugawa und Farkas den ballführenden Außenverteidiger (AV) unter Druck, der sich zunächst mit einem Dribbling nach hinten befreien kann.

    2. Die beiden Salzburger bleiben jedoch eng am AV dran. Okugawa kann den Ball zu Koïta spitzeln, der direkt in den Lauf von Farkas passt.

    3. Farkas nutzt den Freiraum und dribbelt mit Tempo auf die gegnerische Abwehrkette zu. Daka hat die Situation frühzeitig erkannt und setzt sich ballfern ab.

    4. Farkas passt im richtigen Moment zu Daka, der mit einem Dribbling in Richtung Tor fortsetzt.

    5. Im Strafraum schließt Daka präzise in die ballferne Ecke ab.

    1. Der gegnerische Innenverteidiger (IV) passt zum Außenverteidiger (AV), der mit dem Zuspiel von Ulmer und Szoboszlai angelaufen wird.

    2. Ulmer und Szoboszlai doppeln den AV und erobern so den Ball. Szoboszlai spitzelt den Ball zu Ulmer, der mit einem Dribbling fortsetzt.

    3. Haaland fordert einen Pass von Ulmer, den er auch erhält. Anschließend dribbelt er in Richtung gegnerisches Tor.

    4. Haaland dribbelt diagonal auf die gegnerische Abwehrreihe zu, während Daka ein Anspiel in die Tiefe fordert. Haaland dribbelt jedoch weiter und lässt Okugawa aufschließen.

    5. Als Ogugawa auf Höhe der Abseitslinie ist, passt Haaland in dessen Lauf. Ogugawa erläuft das Zuspiel, scheitert jedoch im 1 gegen 1 gegen den Torwart (TW).

    1. Nach einem Ballgewinn setzt Szoboszlai das Spiel mit einem Dribbling fort. Dabei setzt ihn der gegnerische Stürmer (ST) unter Druck ...

    2. ... und erobert den Ball. Szoboszlai setzt direkt hinterher und sucht ebenfalls den Zweikampf.

    3. Szoboszlai spitzelt den Ball zu Hwang, der mit einem Dribbling fortsetzt. Der ST setzt erneut nach, während Szoboszlai in die Tiefe läuft.

    4. Hwang lässt den ST mit einer Schussfinte aussteigen ...

    5. ... und passt zu Szoboszlai in den Strafraum, der mit seinem Torschuss jedoch scheitert.

Variabler Ballbesitz

Das Gegenpressing ist so dominant und die darauffolgenden Angriffe so effektiv, dass Salzburg den Ballverlust auch im Aufbauspiel nutzt. Mit langen Pässen ins mittlere Drittel zielen sie auf den Gewinn zweiter Bälle ab. Wenn das gelingt, suchen sie mithilfe von kurzen Dribblings, schnellen Kombinationen und Verlagerungen einen schnellen Angriffsabschluss. In den meisten Phasen bauen die Bullen jedoch kontrolliert und mit Flachpässen aus der Abwehr heraus auf. Generell ist das Ballbesitzspiel von einer hohen Dynamik geprägt, die durch viele direkte Kurzpässe mit Rhythmuswechseln von der Ballzirkulation hin zum zielgerichteten Vertikalspiel sowie dem „Überladen“ einer Zone bestimmt wird.

    1. Ashimeru dribbelt quer zur Spielrichtung. Dabei setzt ihn der gegnerische zentrale defensive Mittelfeldspieler (ZDM) unter Druck.

    2. Daraufhin kappt Ashimeru nach hinten ab und verschafft sich einen Freiraum zum ZDM.

    3. Ashimeru nutzt das Momentum, passt zu Prevljak und läuft in die Tiefe.

    4. Prevljak lässt auf Ashimeru klatschen, der an- und mitnimmt. Mit dem Pass setzt sich Koïta seitlich ab.

    5. Ashimeru spielt einen Doppelpass mit Koïta, ...

    6. ... dribbelt unter Druck durch den Strafraum und schließt in die ballferne Ecke ab.

    1. Mwepu dribbelt mit Tempo über die Mittellinie und passt in den Lauf von Wöber.

    2. Mit der Annahme von Wöber läuft Minamino in die Tiefe. Wöber nimmt die Situation wahr und passt zu Junuzović, ...

    3. ... der direkt zu Minamino in die Außenspur weiterleitet.

    4. Minamino dribbelt entlang der Strafraumgrenze. Daka und Haaland besetzen das Zentrum. Letzterer läuft im richtigen Moment aus dem Rücken in das Sichtfeld des Innenverteidigers (IV) ...

    5. ... und bietet sich für eine Hereingabe an. Minamino passt flach vor das Tor, überspielt jedoch Haaland und findet Daka, der freistehend das Tor erzielt.

Fazit

Der Erfolg von Red Bull Salzburg beruht größtenteils auf der besonderen Stärke in Umschaltmomenten, in denen sie stets eine große Torgefahr ausstrahlen. Doch auch in Ballbesitz entwickeln sie mit ihrer Risikobereitschaft im Kombinationsspiel eine Dynamik, mit der es immer wieder gelingt, die gegnerische Abwehr zu überwinden.

Die Entwicklung der Mannschaft ist ein Wahnsinn. Wir müssen aber jeden Tag weiter hart daran arbeiten. Deshalb sind der Hunger und die Mentalität wichtig.
Jesse Marsch, Cheftrainer RB Salzburg
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