„Intuitive Spielkompetenz“ als Schlüssel

Eine spielerdominierte Trainingspraxis etablieren!

Talententwicklung
Wir benötigen größere Quantität in der Qualität. Das umfasst Präzision, Aktivität und die nötige Dynamik in jeder Spielsituation.
HANNES WOLFU20-NATIONALTRAINER
„Intuitive Spielkompetenz“ als höchste Qualitätsstufe

DFB-Trainer Hannes Wolf stellt seinem Praxis-Konzept ein Spiel-Kompetenzmodell voran, bei dem die höchste Kompetenzstufe diejenige ist, die unbewusst und intuitiv funktioniert.

Kreative Spieler*innen, die auch komplexe Situationen mittels überragender individueller Aktionen und Überraschungsmomenten lösen, verfügen eben über diese intuitive Spielkompetenz. Intuitive Lösungen in unkalkulierbaren, hochkomplexen Spielsituationen sind dabei eine zentrale Anforderung im Spitzenfußball, wie auch die aktuelle Auswertung der WM 2022 wieder unterstreicht. Dabei ist das Training auf allen Spiel- und Alterslevel der Schlüssel, um Individualität, Kreativität und intuitive Spielkompetenz zu fördern.

Statt trainerdominierter Trainingspraxis ...
  • Für Hannes Wolf verhindert eine im deutschen Fußball weitverbreitete „Taktik-Dominanz“ inklusive einer trainerdominierten Trainingspraxis das Erreichen dieser höchsten Kompetenzstufe: Vorgegebene taktische Muster und „Wenn-Dann-Lösungen“ z. B. durch Matchpläne.
  • (Team)taktische Schwerpunkte, bei denen die Spieler*innen enge Vorgaben der Trainer*innen gegnerorientiert umsetzen sollen (z.B. systematischer Spielaufbau, klare Pressing-Strategien).
  • Vordefinierte Spielausschnitte im Training mit dem Ziel, automatisierte Lösungsabläufe einzuschleifen.

Die negativen Folgen: So ein vorrangig analytisch angelegtes Training klammert jedoch die oberste Stufe der Kompetenzpyramide aus. Kreative, quasi „automatische“ und unterbewusste Spiellösungen werden vom Ausbildungs- bis hin zum Spitzenbereich durch vordefinierte, fremdbestimmte Abläufe und Mechanismen über weite Strecken möglicherweise sogar „abtrainiert“! Spieler *innen bekommen in hochdynamischen und -komplexen Situationen, die nicht immer nach einem Musterschema ablaufen, dann ein Problem.

... spielerdominierte Trainingspraxis

Spielintelligente Spieler*innen müssen somit auch „kreative” Spieler*innen sein, die stets einen „Plan B”, eine für Gegner*innen überraschende Lösung parat haben! Kreativität bedeutet Phantasie, Originalität, Improvisationsvermögen – also eben nicht „Schema F”. Dann müssen Spieler*innen aus vorgegebenen Mustern ausbrechen und Gegner*innen durch originelle, kreative Aktionen überraschen und ausspielen. Kreative Fußballer*innen haben auch für knifflige Situationen eine originelle Lösungsidee. „Kreativität” lässt sich dabei trainieren, wobei Training hier weniger eine „Systematische Ausbildung nach Plan” bedeutet, sondern primär das freie Spielen in variantenreichen Situationen des Fußballs! Konsequenterweise muss für Hannes im Training der Anteil situativ-variabler Abläufe einen viel größeren Umfang bekommen, um positive Effekte bei der Ausbildung der höchsten intuitiven Kompetenzstufe zu erzielen:

  • Trainingsformen, in denen Spieler*innen individuelle, originäre (eigener Stil) und kreative Lösungen finden müssen.
  • Trainingsformen, in denen mögliche Lösungen von Situation zu Situation wechseln.
  • Trainingsformen die nicht auf einer analytischen Ebene, sondern auf intuitiver Ebene zu lösen sind ('schnelles Denken' versus 'langsames Denken').
  • Trainingsformen, in denen Umschaltsituationen stets die geistige und körperliche Flexibilität fördern und fordern!

Die Belastung ist dabei so zu steuern, dass jederzeit Spielabläufe mit der nötigen Intensität, Dynamik und Qualität ablaufen können!

Mit 70 PROZENT der Trainingszeit in diesen Formen entwickeln wir spielstarke, flexible und intuitive Spieler*innen – es bleiben noch 30 PROZENT Zeit für isoliertes Technik-, Athletik- und Taktik-Training!
Hannes WolfU20-NATIONALTRAINER
Trainingspraxis der DFB-Teams im Video

Konsequenterweise orientieren sich vielen Trainingsformen bei den DFB-U-Teams eben an konkreten Prinzipien, um die „Intuitive Spielkompetenz“ effizient zu fördern und zu fordern:

  • „Wir spielen so, wie wir trainieren!“ – Konsequenz: Top-Intensität bei jedem Training!
  • Kontinuierlich Zeit-, Raum- und Gegnerdruck über das Wettspielniveau hinaus erzeugen!
  • Nur dynamische Spielablaufe bringen die nötigen Lernimpulse auf höchstem Niveau!
  • Punktuell in Spielformen Zeit-, Raum- und Gegnerdruck über das Wettspielniveau hinaus erzeugen!
  • Die Belastung stets so steuern, dass jederzeit Spielablaufe mit der nötigen Intensität, Dynamik und Qualität ablaufen können!
Trainingsform '4 gegen 4 plus 2'
  1. Organisation

    • Ein 20 x 30 Meter großes Feld mit 2 Toren auf den Grundlinien errichten.
    • 2 Teams à 4 Spieler*innen bilden. 
    • 2 Neutrale bestimmen.

    Ablauf

    • freies Spiel im 4 gegen 4 plus 2
    • Nach einem Treffer bzw. Ausball spielt der Torwart der erfolgreichen bzw. ballbesitzenden Mannschaft den nächsten Ball ein.
Trainingsform '6 gegen 6 plus 2'
  1. Organisation

    • Ein ca. 45 x 40 Meter großes Feld markieren und in 3 Zonen unterteilen.
    • 2 Sechser-Teams bilden und 2 Neutrale bestimmen. 

    Ablauf

    • 6 gegen 6 plus 2 im Feld
    • In der eigenen Aufbauzone sind 2 Kontakte und in der Mittelzone 1 Kontakt erlaubt. In der Endzone ist das Spiel frei, hier entfällt eine Kontaktbegrenzung.
    • Nach einem Treffer bzw. Ausball spielt der Torwart der erfolgreichen bzw. ballbesitzenden Mannschaft den nächsten Ball ein.