Kolumne

Di Salvo-Kolumne: "Scouting ist das A und O"

Experten-Kolumne auf DFB.de: Sportliche Leitung und Trainer vermitteln Hintergründe rund um den DFB-Nachwuchs und die DFB-Teams. Regelmäßig, authentisch und mit aktuellem Bezug. Heute in Folge zehn: Antonio Di Salvo, Co-Trainer der U 21-Nationalmannschaft. Der 39-Jährige verrät, wie die Vorbereitung auf die U 21-Europameisterschaft in Italien und San Marino (16. bis 30. Juni) abläuft und warum er sich vorher schon mal im Gastgeberland umgesehen hat.

Das Scouting ist für die Nationalmannschaften enorm wichtig. Da wir im Vergleich zu einer Vereinsmannschaft nicht täglich mit unseren Spielern auf dem Platz stehen, ist es unsere Hauptaufgabe, die für die U 21 relevanten Spieler kontinuierlich zu beobachten. Dabei geht es nicht nur darum, die ohnehin gesetzten Spieler im Blick zu behalten, sondern vor allem, eine Einschätzung der Leistungsfähigkeit potenzieller Spieler abzugeben. Aus diesem Grund schaue ich nicht nur Bundesligaspiele an, sondern bin auch regelmäßig in den Stadien der 2. Bundesliga und 3. Liga unterwegs. Die Spieler, mit denen wir uns vorwiegend beschäftigen, zählen zu den Jahrgängen 1996 bis 1998.

Seit knapp zwei Jahren beobachten und arbeiten wir intensiv mit einem Pool von circa 45 Spielern. Die Entwicklungssprünge in diesem Alter sind enorm, vor allem dann, wenn es unseren Jungs gelingt, sich in den Profimannschaften zu etablieren und entsprechend viel Spielpraxis zu erhalten. In Absprache mit Cheftrainer Stefan Kuntz sowie meinem Co-Trainerkollegen Daniel Niedzkowski und Torwarttrainer Klaus Thomforde, koordiniere und plane ich die zu beobachtenden Spiele.

"Nach dem Spiel ist vor der Nachbereitung"

Direkt nach den Spielen laufen im Trainerteam die Drähte heiß, oder wir treffen uns in der Zentrale in Frankfurt, um über unsere Eindrücke zu sprechen. Spiele, die wir nicht live vor Ort sehen konnten, schauen wir uns zusätzlich in der Videonachbetrachtung an. Anschließend geht es darum, die Spieler zu bewerten und alle Eindrücke in unserer Datenbank zu dokumentieren. Dies ist darüber hinaus von großem Nutzen, wenn wir mit einzelnen Spielern über verschiedene Spielszenen, Auffälligkeiten und ihre individuellen Aufgaben im Verein sprechen.

Scouting bedeutet aber nicht nur, die eigenen Spieler zu beobachten. In der kommenden Länderspielphase haben wir zwei interessante und zugleich schwere Begegnungen vor uns. Am 21. März spielen wir in Essen gegen Frankreich und am 26. März in Bournemouth gegen England. Zusammen mit unserem Videoanalysten Jannis Scheibe analysieren wir die Gegner, so dass wir bestmöglich vorbereitet sind.

Kontaktpflege zu Spielern und Trainern

Die Bindung zu den Spielern ist extrem wichtig. In Phasen, in denen man sich nach den Länderspielen eine Weile nicht sieht, versuchen wir dennoch, den Kontakt zu pflegen. Sei es telefonisch, per WhatsApp oder persönlich nach den beobachteten Spielen. Auch mit den Trainern findet ein regelmäßiger Austausch statt. Dafür eignen sich vor allem die Vereinsbesuche, die wir regelmäßig während der Saison machen.

In diesem Jahr war ich einige Tage in Spanien bei den Wintertrainingslagern des VfB Stuttgart, des Hamburger SV und der TSG Hoffenheim. Auch den FC Augsburg habe ich bereits besucht und mich über die relevanten Spieler ausgetauscht. Weiterhin war ich zwei Tage beim FC Bayern München, wo mir unter anderem der neue FC Bayern München Campus gezeigt wurde. Hierbei habe ich die Gelegenheit genutzt, Informationen über die Toptalente der Jahrgänge 1998 bis 2000 zu erhalten. Da ich öfter auch U 19-Spiele verfolge, kann ich mir schon jetzt einen Überblick verschaffen und den nächsten U 21-Zyklus gedanklich vorbereiten. Aber all das hat bis zur EM Zeit...

Vorbereitung und Durchführung von Länderspielen

Bei den Treffen mit der U 21-Nationalmannschaft haben wir nur wenig Zeit. In der Regel gibt es zwei bis drei Trainingseinheiten, um die Mannschaft auf das nächste Spiel vorzubereiten. Uns muss schon vorher bewusst sein, was wir auf dem Platz trainieren wollen und welche Inhalte in Besprechungen oder Videositzungen vermittelt werden müssen. Aus diesem Grund treffen wir uns im Trainerteam vor jeder Maßnahme, um diese so gut wie möglich zu planen. Einige für die U 21 spielberechtigten Spieler sind teilweise schon Bestandteil der A-Nationalmannschaft, und so gilt es, in Absprache mit Bundestrainer Joachim Löw den zu nominierenden Kader festzulegen.

Wir überlegen uns, mit welchen taktischen Varianten wir die Stärken unserer Spieler auf den Platz bekommen. Nach diesen Kriterien und den Erkenntnissen aus der Gegneranalyse erstellen wir einen groben Trainingsplan. Auch während der "Maßnahme" hat jeder im Trainerteam seine Aufgaben. Neben der gemeinsamen Erstellung und Umsetzung des Trainings bereite ich unter anderem die Gegneranalyse vor und versorge die Mannschaft mit den wichtigsten Informationen zur Spielweise des Gegners. Darüber hinaus führen wir viele Gespräche und zeigen den Spielern individuelle Videos.

Nach den März-Länderspielen geht es direkt an die Planung der U 21-EM. Zeitpunkt und Ort des Trainingslagers stehen schon fest. In einem mehrtägigen Workshop geht es in erster Linie um das Organisatorische:

  • Status Quo des Trainingslagers und U 21-EM
  • Wichtige Termine und Verpflichtungen
  • Regulierung der wichtigsten Abläufe
  • Detaillierte Kaderanalyse
  • Spielkonzeption
  • Wenn-Dann-Strategien
  • Trainingsinhalte und Belastungssteuerung
  • Testspielgegner und vieles mehr..
Hospitationen im In- und Ausland

Seit dem vergangenen Jahr habe ich die sechs europäischen Topnationen England, Frankreich, Spanien, Italien, Niederlande und Portugal unter die Lupe genommen. Wie sind die Verbands- und Vereinsstrukturen? Wie sind die Juniorenligen strukturiert? Welche Schwerpunkte haben die U-Nationalmannschaften? Auch aus diesem Grund habe ich im vergangenen Monat eine Woche in Italien hospitiert. Neben dem Besuch des Italienischen Fußball-Verbandes konnte ich mir auch einen Überblick über die Profi- und Jugendabteilungen des AC Florenz, Atalanta Bergamo und Inter Mailand verschaffen. Denn nicht nur als Trainer kann man sich bei solchen Hospitationen weiterentwickeln, sondern auch als Verband.

Dabei analysieren wir, wie im In- und Ausland der Fußball gesehen wird. Von dieser interessanten Woche habe ich anschließend auf der DFB-Trainertagung berichtet. Interessant ist die Erkenntnis, dass mittlerweile auch der Italienische Fußball-Verband Leitlinien - ähnlich denen des DFB - entwickelt hat. Wir haben allerdings den großen Vorteil, dass wir durch unsere Strukturen bessere Möglichkeiten zur Implementierung in die Vereine und Verbände haben. So konnte ich erst kürzlich bei der Ausbildung zur Elite-Jugend-Lizenz in Leipzig unsere Leitlinien vorstellen und mit den Trainern besprechen.

Darüber hinaus habe ich im Sommer des vergangenen Jahres die Finalspiele der U 19-EM in Finnland analysiert. Auch in diesem Fall war es das Ziel, aktuelle Trends und Entwicklungsstände im internationalen Nachwuchsfußball zu erhalten.

Auf das kommende Wochenende freue ich mich schon. Am Samstag geht es nach Augsburg, gegen Hannover steht für beide Vereine im Kampf um den Bundesliga-Klassenverbleib viel auf dem Spiel. Am Sonntag beobachte ich das Spiel Bayern München gegen Mainz 05. Ich hoffe, dass unsere Jungs mit guten Leistungen ihren Vereinen helfen und dann mit viel Selbstvertrauen zur U 21 reisen können.

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