Kolumne

Michael Feichtenbeiner: "Titel sind nicht immer das Wichtigste"

Experten-Kolumne auf DFB.de: Sportliche Leitung und Trainer vermitteln Hintergründe rund um den Elite-Nachwuchs und die DFB-Teams. Regelmäßig, authentisch und mit aktuellem Bezug. Heute: Michael Feichtenbeiner, Trainer der U 17-Nationalmannschaft, spricht über das Finale zwischen Borussia Dortmund und dem 1. FC Köln um die Deutsche Meisterschaft der B-Junioren, vorbildliche Nachwuchsarbeit und das Zusammenspiel von Verein und Verband für die Aus- und Weiterbildung von Talenten.

Wenn am Sonntag das Finale um die deutsche Meisterschaft der B-Junioren angepfiffen wird, treffen zwei der besten Nachwuchsmannschaften Deutschlands aufeinander: Borussia Dortmund und der 1. FC Köln. Diese Begegnung überrascht mich als Nationaltrainer keineswegs. Ich verfolge seit vielen Jahren beide Vereine und kann sagen: Sie leisten hervorragende Arbeit in den Nachwuchsleistungszentren.

BVB könnte alleiniger Rekordsieger werden

Seit Borussia Dortmund einige Umstellungen im Nachwuchsbereich vorgenommen hat, feiern sie regelmäßig Erfolge in Form von Titeln. In den vergangenen Jahren haben die Nachwuchsmannschaften von der U 15 bis zur U 19 sehr viele davon gesammelt. Erst vor kurzem gewann die U 19 die deutsche Meisterschaft gegen den VfB Stuttgart, vor einem Jahr sicherte sich die U 17 im Finale gegen Bayern München den Titel. Es zeugt von guter Arbeit und Konstanz, dass die Dortmunder Jungs auch in diesem Jahr wieder den Einzug ins Finale geschafft haben. Über die gesamte Saison hinweg haben sie ihre Klasse gezeigt, 21 Spiele gewonnen und 93 Tore erzielt.

Mit einem Sieg am Sonntag könnte der BVB am VfB Stuttgart vorbeiziehen und alleiniger Rekordsieger bei den B-Junioren werden. Zudem ist etwas Unerreichtes möglich: Bisher hat noch kein Verein im selben Jahr sowohl bei den B- als auch bei den A-Junioren die deutsche Meisterschaft geholt.

Länderspiele können Toptalente reifen lassen

Doch Titel sind nicht immer das Wichtigste für eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit. Auch beim 1. FC Köln werden die Nachwuchsspieler sehr gut ausgebildet, ohne dass der Verein in den vergangenen Jahren große Trophäen gewonnen hätte. Hier zeichnet sich der Erfolg auf anderer Ebene aus: Mit Marvin Obuz und Florian Wirtz haben die Kölner zwei aktuelle U-Nationalspieler in ihren Reihen, die im offensiven Bereich sehr viel Perspektive versprechen. Einige andere Spieler, wie etwa Jan Thielmann oder Tim Lemperle, waren in der Vergangenheit ebenfalls bereits bei den U-Nationalmannschaften dabei und haben Erfahrungen durch internationale Vergleiche gesammelt. Auch das ist eine Auszeichnung auf höchstem Niveau, denn wir Trainer der DFB-Teams geben nur den auffälligsten und talentiertesten Spielern die Chance, sich mit den besten Talenten weltweit zu messen.

Über Jahre hinweg entsteht so eine Symbiose aus der Arbeit im Verein und beim nationalen Verband. Während Spieler eine umfangreiche Grundausbildung beim Verein erhalten, entwickeln sie sich im individuellen Bereich bei der Nationalmannschaft weiter. Länderspiele können die Toptalente reifen lassen und liefern sehr gute Erkenntnisse, in welchen Bereichen jeder Einzelne noch arbeiten muss. Die Nationalmannschaften sind ein Spiegel der Nachwuchsarbeit im Verein. An unseren Leistungen kann man sehen, was den Spielern an Persönlichkeit und individueller Klasse noch fehlt. Diese Rückmeldung ist wichtig, um sich weiterzuentwickeln.

Vielen Talenten den Sprung in den Profibereich ermöglichen

Auch Halbfinal- oder Finalspiele zur deutschen Meisterschaft sind gute Lerngelegenheiten und zeigen, wer aktuell seine Höchstleistung abrufen kann. Der Druck in solchen Partien ist nicht zu unterschätzen. Die Spieler können sich zeigen und den nächsten Entwicklungsschritt auf dem Weg zum Topspieler machen.

Ich erwarte am Sonntag beim Finale von den Leistungsträgern, dass sie das Spiel prägen. Das wäre eine weitere Bestätigung für die gute Nachwuchsarbeit, mit der wir gemeinsam ein Ziel verfolgen: Möglichst vielen Nachwuchstalente den Sprung in den Profibereich zu ermöglichen. Ob das nun durch Titel, entscheidende Spiele oder die U-Nationalmannschaften passiert, ist erstmal Nebensache. Jeder einzelne Bereich gibt den Spielern eine weitere Chance, einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen.

Die Entwicklung von jungen Spielern hat mir in den vergangenen Jahren immer viel Freude bereitet. Vor allem beim DFB wurden mir dafür optimale Rahmenbedingungen geboten und ich hatte das Privileg, mit den besten Talenten Deutschlands zu arbeiten. Deshalb ist es für mich selbstverständlich, dem Nachwuchsfußball verbunden zu bleiben und die Entwicklungen meiner Nationalspieler weiter zu verfolgen. Das Finale der B-Junioren werde ich mir daher auf jeden Fall im Stadion ansehen und wünsche uns allen eine attraktive Partie.