Spielanalyse

Mbappés Tore der Saison 2018/2019

Der junge Franzose erzielte in der abgelaufenen Saison Tore wie am Fließband. Wir werfen einen genaueren Blick auf seine Treffer!

PSG-Stürmer Kylian Mbappé bejubelt zusammen mit Verteidiger Juan Bernat seinen Treffer im Ligue 1 Spiel Paris Saint-Germain gegen FC Toulouse. © 2019 Pascal PAVANI / AFP  /Getty Images
  1. Christopher Toetz

    Christopher Toetz, Redakteur der DFB-Trainerzeitschrift „Fußballtraining“, analysiert Mbappés Tore der Saison 2018/19.

Kylian Mbappé zählt zu den talentiertesten Spielern seiner Generation. Nach Einschätzung zahlreicher Experten ist der junge Angreifer sogar jemand, der einmal das Niveau eines Cristiano Ronaldo oder eines Lionel Messi erreichen könnte. In der abgelaufenen Saison bewies der 20-Jährige erneut seine Qualitäten und erzielte 33 Tore in 29 Ligaspielen.

Vorbereitung der Abschlussaktionen

Mbappé ist einer der Spieler, der die entstehenden Dynamiken einer Spielsituation frühzeitig erkennt und auszunutzen weiß. Wie kaum ein anderer vermag er Tempo und präzise Laufwege aufeinander abzustimmen.
Eine besondere Stärke ist sein Verhalten an der gegnerischen Abwehrreihe. Der Angreifer lauert oftmals aktiv an der Grenze zum Abseits, um im richtigen Moment einen Pass in die Tiefe zu erhalten. Selbst schnelle Verteidiger kann er auf den ersten Metern abhängen, gerade wenn er aus einer etwas tieferen Position kommt.
Zudem nimmt er auch gerne die Rolle des Wandspielers ein. Dafür „lockt“ er gegnerische Verteidiger aus der Abwehrkette, um das Zuspiel direkt klatschen zu lassen und die geschaffene Lücke mit einem Sprint zu attackieren: getreu der offensiven DFB-Leitlinie „Räume im Rücken des Gegners erkennen und nutzen!“.
Doch egal wie Mbappé die Situationen löst, er sucht stets den direkten Weg zum Tor, um zielstrebig abzuschließen.

Verwertung von Torgelegenheiten

Aufgrund der Spielphilosophie, der Qualität seiner Mitspieler und seiner eigenen Fähigkeiten kommt Mbappé fast ausschließlich im Strafraum zu Abschlüssen. Hierbei befindet er sich meist in der zentralen Zone zwischen Torraum und Strafraumlinie.
Mit vielen schnellen, zum Ball und zu den Gegenspielern oft entgegengesetzten Bewegungen öffnet er sich Räume und kommt so in gute Positionen für Direktabnahmen. Er arbeitet nur dann mit zwei oder mehr Kontakten, wenn keine sofortige Abschlussmöglichkeit besteht. In diesen Fällen nutzt er den ersten Kontakt meist, um selbst in Schussposition zu kommen. Die Abschlüsse erfolgen häufig mit dem Innenspann, allerdings fast ausschließlich mit dem rechten Fuß.

    1. Ausgangssituation: Di María dribbelt von der Außenspur in Richtung Strafraum und linken Verteidiger (LV). Meunier startet in die Tiefe.

    2. Meuniers Laufweg bindet den LV und verschafft Di María den nötigen Raum für einen Pass. Mbappé nimmt die Situation wahr und bietet sich für ein Anspiel in die Tiefe an.

    3. Mbappé erkennt, dass er überspielt werden wird und blickt deswegen bereits auf die Situation der ballfernen Seite.

    4. Während sich die Verteidiger vor dem Tor umorientieren, ist Mbappé weiterhin in der Bewegung und startet gedankenschnell einen Laufweg zum Tor.

    5. Cavani nimmt dessen Laufweg wahr und legt mit einem Kopfball quer auf Mbappé, der das Zuspiel durch seinen Bewegungsvorsprung und der zentralen Position direkt verwerten kann.

    1. Kimpembe passt zum freistehenden Bernat, der zuvor ins Zentrum eingerückt ist.

    2. Bernat dreht sich mit der Annahme auf und dribbelt auf die gegnerische Abwehrreihe zu. Mbappé bietet sich für ein kurzes Zuspiel an und nimmt zudem den startenden Di María wahr.

    3. Bernat erkennt den Laufweg ebenfalls und passt zu Di María in die Außenspur.

    4. Di María dribbelt im hohen Tempo die Außenspur entlang. Mbappé hat sich nach einer kurzen Verzögerung dem Blickfeld der Verteidiger entzogen und vollzieht nun einen Tempowechsel.

    5. An der Strafraumecke nimmt die Di María ein wenig das Tempo aus seinem Dribbling und verlangsamt das Verschiebeverhalten der Gegner. Mbappé befindet sich mittlerweile im Vollsprint.

    6. Als Mbappé auf Höhe der Abseitslinie ist, spielt Di María ein gut getimtes flaches Zuspiel hinter die Abwehrreihe, das Mbappé mit dem ersten Kontakt in die ballferne Ecke verwandelt.

    1. Nkunku passt entlang der Außenspur zu Bernat, der sich bereits im Lauf befindet.

    2. Bernat kann den Ball behaupten, kreuzt den Laufweg vom direkten Gegenspieler und dribbelt Richtung Strafraum. Dort hat PSG eine 4-gegen-3-Überzahl.

    3. Choupo-Moting startet einen Laufweg zum ballnahen Pfosten und bindet seinen Gegenspieler. Mbappé nimmt die Situation wahr ...

    4. ... und entscheidet sich für eine Positionierung im Rückraum. Dabei achtet er stets darauf, auf Lücke anspielbar zu sein. Bernat setzt sein Dribbling in Richtung Grundlinie fort.

    5. Von dort spielt er einen Pass in den Rückraum, wo der freistehende Mbappé direkt in die ballferne Ecke abschließen kann.

    1. Verratti dribbelt seinen Gegenspieler aus und passt diagonal auf Neymar, der sich wie Mbappé zwischen der Abwehr- und Mittelfeldreihe positioniert hat. Der Innenverteidiger (IV) orientiert sich frühzeitig an Neymar.

    2. Aufgrund der Positionierung von Mbappé verzichtet der IV jedoch, auf Neymar durchzulaufen, sodass dieser sich aufdrehen und anschließend einen Pass in den Lauf von Mbappé spielen kann.

    3. Der Pass wird jedoch vom IV abgefälscht, sodass Mbappé sich schnell umorientieren und seine Laufrichtung anpassen muss.

    4. Nach seiner Korrektur verschafft er sich umgehend einen neuen Überblick und erkennt die Möglichkeit, ...

    5. ... mit einem frühzeitigen Torschuss den Torwart zu überwinden. Führungstreffer PSG.

    1. Nach einem Fehlpass von Monaco ist Kurzawa in Ballbesitz. Dieser passt in den Lauf von Verratti, der das Spiel mit einem Dribbling fortsetzt.

    2. Verratti kann sich anschließend in einer 1-gegen-2-Unterzahl behaupten und setzt sein Dribbling in der Halbspur fort. Mbappé hat sich zwischen die gegnerischen Innenverteidiger (IV) postiert und nimmt die Situation wahr.

    3. Die IV schließen die Schnittstelle und orientieren sich näher zu Mbappé. Währenddessen steht Alves frei in der Zentrumsspur und hat viel Raum vor sich. Verratti wählt jedoch den Pass auf Mbappé.

    4. Dieser kann sich durch seine vorherige Körperstellung nicht in Richtung Tor aufdrehen, sodass er auf den freistehenden Alves ablegt.

    5. Mbappé startet nach seinem Zuspiel sofort in die Tiefe und fordert einen Pass von Alves, der ihm auch direkt in den Lauf spielt. Durch seine Geschwindigkeit kann sich Mbappé ausreichend Platz verschaffen und den Pass direkt verwerten.

    1. Nach einem Zuspiel vom Torwart dreht der gegnerische zentrale Mittelfeldspieler (ZDM) in Spielrichtung auf. Di María nähert sich bereits in seinem Rücken.

    2. Überrascht vom Druck Di Marías spielt der ZDM einen ziellosen Pass ins Mittelfeld. Draxler erkennt die Situation und läuft dem Pass entgegen.

    3. Draxler passt direkt in den Lauf von Mbappé, der bereits vor dem Ballkontakt ein Zuspiel gefordert hat. Der ZDM versucht den Pass abzufangen, jedoch ohne Erfolg.

    4. Mbappé kreuzt mit dem ersten Kontakt in den Strafraum, ...

    5. ... , täuscht mit seiner Körperhaltung einen Torschuss in die ballnahe Ecke an, schließt aber auf die andere ab.

    1. Nach einem Ballgewinn weit in der eigenen Hälfte schaltet PSG auf Offensive um. Dagba spielt einen Pass zu Kehrer in die Außenspur.

    2. Kehrer nimmt nach innen an und mit und passt zu Di María in die Tiefe, der bereits Tempo aufgenommen hat. Mbappé ist ebenfalls auf Höhe der Abseitslinie und lauert auf der ballfernen Seite.

    3. Nach Problemen bei der Ballannahme ist kurzzeitig das Tempo aus dem Konterangriff. Di María kann die Situation jedoch retten und mit einem Abkappen nach innen am Gegenspieler vorbeidribbeln. Mbappé bleibt weiterhin in Bewegung.

    4. Mbappé hält den Abstand zum ballführenden Di María, indem er in einem leichten Bogen nach außen läuft. Dadurch bleibt er in Bewegung und hält gleichzeitig den vertikalen Passweg offen.

    5. Di María spielt den Pass in die Tiefe, den Mbappé mit seinem Bewegungsvorsprung problemlos erläuft.

    6. Zudem ermöglicht ihm sein vorheriges Verhalten, dass er nun optimal in den Ball gehen und zielgenau mit einem Kontakt in die ballferne Ecke abschließen kann.

    1. Nach einem Befreiungsschlag kommt der gegnerische zentrale Mittelfeldspieler (ZDM) in Ballbesitz. Nkunku läuft direkt durch und übt Druck aus. Mbappé antizipiert bereits einen möglichen Querpass.

    2. Nkunku kann den Ball gegen den ZDM erobern, woraufhin Mbappé und Diaby gedankenschnell in die Tiefe starten.

    3. Nkunku, Mbappé und Diaby laufen mit hohem Tempo auf ein 3 gegen 1 gegen den linken Verteidiger (LV) zu.

    4. Der LV dreht sich mitten im Konter zum Ballführenden Nkunku auf, worauf dieser mit einem Pass auf Mbappé reagiert. Ein Zuspiel auf Diaby wäre ebenfalls möglich gewesen.

    5. Nach der Annahme dribbelt Mbappé mit wenigen Kontakten und großen Schritten in Richtung Tor. Nkunku, Diaby und der LV versuchen Schritt zu halten.

    6. Im Strafraum angekommen, ist Diaby immer noch in der Aktion und für einen Querpass anspielbar. Doch Mbappé setzt zielgerichtet zum Torschuss an, verlädt den Torwart mit seiner Körperhaltung in die ballferne Ecke und schließt auf die ballnahe Ecke ab.

Schnell und direkt

Die Torgefährlichkeit von Kylian Mbappé basiert zum großen Teil auf seiner Schnelligkeit – sowohl im physischen als auch im kognitiven Bereich. Diese Stärken kann Mbappé insbesondere dann einbringen, wenn schnell und zielstrebig vertikal nach vorne gespielt wird. Er ist der Abnehmer zahlreicher Bälle hinter die Abwehr und leitet diese teils sogar selbst mit ein. In Kombination mit geschickten Laufwegen erarbeitet er sich viele Chancen zentral vor dem Tor, die er meist mit nur einem Kontakt erfolgreich verwertet.

Fußball bedeutet für mich vor allem Spaß. Tore zu schießen und Rekorde aufzustellen, das treibt mich an und macht mich glücklich.
Kylian Mbappé, Stürmer Paris Saint-Germain

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