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"Wir lernen miteinander und voneinander"

Der 65. Fußball-Lehrer-Lehrgang an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef ist ein ganz besonderer. Zum einen, weil er die Premiere von Daniel Niedzkowski als Lehrgangsleiter ist und zum ersten Mal unter dem Dach der DFB-Akademie läuft, zum anderen wegen seiner prominenten Besetzung. Mit Daniel Bierofka (39), Patrick Helmes (34) und Andreas Hinkel (36) absolvieren drei ehemalige Nationalspieler den Lehrgang. Ein Gespräch über die ersten Monate in Hennef, über Fehler der Vergangenheit und Pläne für die Zukunft.

DFB.de: Herr Bierofka, Herr Helmes, Herr Hinkel – wenn Sie auf Ihre eigene Karriere als Spieler zurückschauen. Wer von Ihnen war der schwierigste Fall für Ihre Trainer?

Andreas Hinkel: (schweigt)

Daniel Bierofka: (zögert)

Patrick Helmes: Schon klar. (lacht) Ich möchte es mal vorsichtig formulieren. Ich hätte sicherlich mehr aus mir herausholen können. Den einen oder anderen Hinweis meiner Trainer habe ich nicht immer ganz ernst genommen. Leider. Ich bin stolz auf meine Karriere, habe Aufstiege gefeiert und für die DFB-Auswahl gespielt. Aber manchmal habe ich es auch etwas schleifen lassen. Und das bereue ich jetzt.

DFB.de: Zu Ihrer Entschuldigung: Sie waren oft verletzt.

Helmes: Ich hatte zwei Kreuzbandrisse und einen Mittelfußbruch. Einen habe ich mir beim Freizeitkick mit Freunden zugezogen. Zum Schluss hat ein Knorpelschaden in der Hüfte dazu geführt, dass ich meine Karriere viel zu früh beenden musste. Heute weiß ich: Ich hätte meine Karriere mehr genießen und gleichzeitig mehr Gas geben müssen. Mein Vater war ja auch Profi und er hat immer zu mir gesagt: "Pat, diese Zeit geht schneller vorbei, als du es dir jetzt vorstellen kann. Nutze sie, das kommt nicht mehr zurück." Ich habe das damals nicht ernst genommen. Heute muss ich zugeben: Mein Vater hatte Recht.

DFB.de: Wie war es bei Ihnen, Herr Bierofka, Herr Hinkel?

Bierofka: Eigentlich müsste ich mich heute bei all meinen Trainer entschuldigen. Erst jetzt merke ich, wie groß die Verantwortung und wie umfangreich das Pensum ist, das ein Trainer zu absolvieren hat. Man muss mindestens 20 Spieler unter einen Hut bringen, dazu das Betreuerteam. Das alles sind völlig verschiedene Charaktere mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen. Mit meinem Verhalten habe ich es meinen Trainern bestimmt nicht leicht gemacht. Aber es kann auch nicht jeder ein in jeder Hinsicht vorbildlicher Musterprofi sein wie der Andy.

Hinkel: Aus deinem Mund klingt das irgendwie negativ. (lacht) Aber es ist schon was dran: Im Gegensatz zu Pat und Daniel war ich eher der pflegeleichte Typ. Schon als junger Spieler hatte ich immer das große Ziel, irgendwann Profi zu sein. Mir ist das nicht in den Schoß gefallen, ich musste sehr hart und diszipliniert dafür arbeiten. Ich war nie mit mir zufrieden. 

DFB.de: Wie sind Sie heute als Trainer?

Hinkel: Auch sehr ehrgeizig. Ich lebe vor, was ich von meinen Spielern erwarte.

DFB.de: Wie erleben Sie die Ausbildung zum Fußball-Lehrer bisher?

Bierofka: Für mich ist es eine unglaublich wichtige und intensive Zeit. Da ich parallel die Profis von 1860 München in der 3. Liga betreue, verbringe ich viel Zeit im Zug oder Flugzeug. Von Montag bis Mittwoch bin ich hier in Hennef, dann geht es zurück nach München. Donnerstags bereite ich die Mannschaft auf das nächste Pflichtspiel vor. Aber ich nehme diese Belastung gerne in Kauf, weil mir die Ausbildung extrem viel gibt. Ich habe noch keinen Augenblick bereut.

Hinkel: Das kann ich nur unterstreichen. Ich habe inzwischen vier Kinder, die ich leider im Moment nicht so oft sehen kann. Ich habe größten Respekt vor dem, was meine Frau zu Hause leistet. Aber mir geht es dennoch so wie Daniel: Ich sauge all den Input auf, der mir hier angeboten wird.

Helmes: Im Gegensatz zu Andy und Daniel bin ich in einer Luxussituation. Ich bin in 30 Minuten zu Hause in Köln. Das erleichtert mir natürlich Einiges. Hinzu kommt, dass ich für die Zeit des Lehrgangs von Bayer freigestellt bin. Ich kann mich voll auf die Inhalte konzentrieren.

DFB.de: Welche Inhalte haben Sie bis jetzt am meisten überzeugt?

Helmes: Es ist aus meiner Sicht das Gesamtpaket. Ich finde es genau richtig, dass Daniel Niedzkowski die Schwerpunkte etwas verschoben hat. Ich habe keinen Vergleich zu früher, aber mir gefällt zum Beispiel gut, dass wir viel Wert auf die Frage legen, wie wir Kreativität von Mannschaften und Spielern fördern können.

Hinkel: Ein ganz wichtiger Punkt ist für mich daneben die Menschen- und Mannschaftsführung. Wie kann ich eine Beziehung zu der gesamten Gruppe und zu den einzelnen Spielern aufbauen? Wie kann ich Stimmungen innerhalb der Gruppe beeinflussen? Das sind Fragen, die wir uns stellen und auf die wir dann Antworten suchen und finden.

Helmes: Wir wissen doch alle, dass man als Trainer nur erfolgreich sein kann, wenn die Spieler in deiner Mannschaft für dich durch das Feuer gehen würden. Und das geht nur, wenn man die Spieler erreicht.

DFB.de: Und dafür sind heute andere Hebel anzusetzen als früher?

Hinkel: Ja, der Fußball ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es verändert sich, wie Menschen denken und miteinander umgehen. Das ist eine Entwicklung, die natürlich auch die Trainer betrifft. Die heutige Generation denkt und verhält sich doch ganz anders, als wir vor zehn Jahren. Social Media und die ganzen Dinge nehmen eine wichtige Rolle in deren Leben ein. Ich bin davon überzeugt, dass man als Trainer nur erfolgreich arbeiten kann, wenn man das berücksichtigt. Und deshalb bin ich froh darüber, dass das wichtige Aspekte in der Ausbildung sind.

Bierofka: Finde ich auch. Ich finde es zudem genau richtig, dass auch die Internationalisierung des Fußballs eine bedeutende Rolle einnimmt. Wir haben hier bereits interessante Einblicke über den Fußball in anderen Ligen und Ländern erhalten. Auch durch den Input von Andy, der ja in Spanien und Schottland gespielt hat. Diese internationale Ausrichtung eröffnet uns nach der Ausbildung natürlich neue Arbeitsfelder. Der Trend ist ja, dass immer mehr deutsche Trainer auch außerhalb Deutschlands ihr Glück suchen.

DFB.de: Muss sich 1860 also Sorgen machen? Sorgt der Lehrgang am Ende dafür, dass die "Löwen" ihren Trainer verlieren?

Bierofka: Im Gegenteil, der Verein profitiert. Ich spüre die positiven Effekte ganz konkret während meiner Arbeit für 1860 München. Ich lasse da immer wieder Aspekte in der Trainingsgestaltung einfließen, die wir kurz vorher im Fußball-Lehrer-Lehrgang erarbeitet haben. Und wenn die Jungs das dann annehmen und wir als Mannschaft dadurch besser werden, ist das super. Und zwar für alle Seiten.

DFB.de: Wie erleben Sie den Umgang untereinander hier an der HWA? Haben Sie als ehemalige Nationalspieler eine besondere Stellung?

Bierofka: Ich habe drei Begegnungen für die A-Nationalmannschaft bestritten, jedes davon war eine großartige Erfahrung, für die ich sehr dankbar bin. Aber deswegen fühle ich mich nicht als gestandener Nationalspieler. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich deswegen eine übergeordnete Rolle habe. Ich glaube aber, dass Pat und Andy die Frage besser beantworten können als ich. Im Verhältnis zu mir sind die beiden ja fast Rekord-Nationalspieler.

Helmes: Mit meinen 13 Einsätzen? Ich weiß ja nicht. (lacht) Aber ich erlebe es genauso. Wir haben hier keine Sonderrolle, und wir wollen keine Sonderrolle haben. Warum auch? Dieser Lehrgang lebt auch davon, dass viele unterschiedliche Persönlichkeiten mit verschiedensten Erfahrungen zusammenkommen. Wir lernen miteinander, wir lernen voneinander. Wir drei können in diesem Zusammenhang vielleicht den Input geben, was es bedeutet, ganz oben gespielt zu haben. Andere wiederum können erklären, wie die Arbeit zum Beispiel als Verbandstrainer funktioniert.

Hinkel: Dieser Lehrgang macht deshalb so viel Spaß, weil wir eine super Gruppe sind und toll harmonieren. Es wäre vermessen, wenn irgendjemand wegen irgendwelcher Leistungen aus der Vergangenheit eine besondere Rolle einfordern würde.

DFB.de: Haben Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen keine Vorteile für Ihren Werdegang als Trainer?

Hinkel: Ich bin davon überzeugt, dass es für die Arbeit als Trainer nicht nachteilig ist, wenn man auf höchstem Niveau gespielt hat. Ich habe unter den Bundestrainern Rudi Völler, Jürgen Klinsmann und Joachim Löw gearbeitet. Im Klub waren unter anderem Ralf Rangnick, Felix Magath, Armin Veh, Christian Streich, Giovanni Trapattoni und Matthias Sammer meine Trainer. Daraus habe ich für mich persönliche viele wertvolle Dinge mitgenommen. Ich habe dadurch gute Startvoraussetzungen, aber laufen muss ich selber. Vor allem heißt das nicht, dass man ohne diese Erfahrungen keine Chance hat, als Trainer erfolgreich zu arbeiten. In Deutschland und international haben wir zahlreiche Beispiele, die das Gegenteil beweisen. Man muss nicht ganz oben gespielt haben, um dort auch als Trainer zu arbeiten.