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"Wissen in der medizinischen Community miteinander verbinden"

Kürzlich veranstaltete die DFB-Akademie die sechste Auflage der zweitägigen Fortbildung Fußballmedizin in Frankfurt. Entsprechend der Hygieneregeln des Landes Hessen konnte unter 2G+ eine hybride Veranstaltung durchgeführt werden. Insgesamt nahmen analog und digital über 80 Ärzt*innen aus dem Profi- und Amateurfußball teil. Im DFB.de-Interview spricht Dr. Thomas Hauser, Leiter Medizin und Wissenschaft der DFB-Akademie, über Schwerpunkte der Tagung und die medizinische Ambulanz auf dem neuen DFB-Campus.

DFB.de: Welche Position nimmt die DFB-Akademie bei der Veranstaltung der Medizinertagung ein?

Dr. Thomas Hauser: Wir haben als DFB-Akademie ein Drei-Säulen-Modell entwickelt, das die verschiedenen Schwerpunkte des medizinischen Zentrums charakterisiert. Die erste Säule besteht darin, die medizinische Betreuung bei unseren Nationalmannschaften auch weiter auf einem hohen Niveau zu halten und an ausgewählten Stellen weiterzuentwickeln. Die zweite Säule beinhaltet die Forschung und Wissenschaft, um Innovationen und neues Wissen zu schaffen, das die Grundlage der medizinischen Betreuung darstellt. Die dritte Säule trägt die Überschrift "Wissen teilen".

DFB.de: Was darf man sich darunter vorstellen?

Hauser: Hierbei führen wir verschiedene Bildungsangebote durch, darunter fällt auch die Medizinertagung der vergangenen Tage. Dabei kommen verschiedene Ärzt*innen aus dem professionellen Fußball, aber auch aus dem Amateurfußball zusammen. Als DFB-Akademie übernehmen wir die Funktion der Netzwerk- und Austauschplattform. Dementsprechend ist es unsere Aufgabe, Wissen zu teilen und Wissen in der medizinischen Community im Fußball miteinander zu verbinden. Wir freuen uns sehr, dass wir im vergangenen Jahr zwei digitale und nun nach längerer pandemiebedingter Pause eine hybride Veranstaltung durchführen konnten und diese von den Teilnehmer*innen so stark angenommen wurde.

DFB.de: Welche Schwerpunkte wurden für die Tagung gesetzt?

Hauser: Schwerpunktthemen waren unter anderem Kopfverletzungen und das Notfallmanagement beim plötzlichen Herztod. Dazu kamen viele weitere Themen, unter anderem auch der Umgang mit Sehnenverletzungen, Genetik und die Rückkehr in den Spielalltag nach Verletzungen. Diese Themen wurden in einer Mischung aus Vorträgen, praktischen Workshops und vielen Gesprächen behandelt.

DFB.de: Das schockierende Ereignis bei der EM 2020 war der Kollaps des dänischen Nationalspielers Christian Eriksen im Spiel gegen Finnland aufgrund von Herzversagen. War das Thema auch mit auf der Agenda?

Hauser: Der Fall des dänischen Spielers Eriksen hat dazu geführt, dass diese Thematik in der Öffentlichkeit sehr publik geworden ist. Jedoch ist das Notfallmanagement bei einem plötzlichen Herztod kein neues Thema für unsere Ärzt*innen und den DFB. Im Gegenteil, wir beschäftigen uns seit langem damit. Mithilfe der Workshops haben wir dieses Thema bei unserer Tagung weiter vertieft und praktisch angewendet. Es ist wichtig, dass wir die Notfall- und Rettungsmaßnahmen immer wiederholen, üben und trainieren, um dann parat stehen zu können, wenn der Großteil der Zuschauer*innen und Spieler*innen geschockt ist. Dabei geht es in erster Linie darum, wie ein plötzlicher Herztod auf dem Spielfeld erkannt werden und konkrete Rettungsschritte der Wiederbelebung inklusive Defibrillation eingeleitet werden können. Die Maßnahmen in den ersten Minuten entscheiden über die Chancen, die Spieler*innen ins Leben zurückzuholen.

DFB.de: Des Weiteren ging es um Kopfverletzungen und Kopfbälle.

Hauser: Genau, Kopfverletzungen sind für uns keine Bagatelle. Wir möchten die Menschen für dieses so wichtige Thema sensibilisieren und verdeutlichen, dass Kopfverletzungen ernstgenommen werden müssen. Medizinisch gesehen sind Kopfbälle und Kopfverletzungen jedoch nicht automatisch gleichzusetzen. Bei unserer Tagung vor Ort hat Prof. Dr. Dr. Claus Reinsberger, Mitglied der Medizinischen Kommission des DFB und Professor an der Universität Paderborn, über dieses Thema referiert. Zusammen mit Prof. Dr. Tim Meyer ist er bei diesem komplexen Thema unser Ansprechpartner und wird auch im Rahmen des anstehenden DFB-Bundesjugendtags über Kopfbälle und Kopfverletzungen sprechen.

DFB.de: Welche weiteren Expert*innen haben im Rahmen der Fortbildung referiert?

Hauser: Wir verfolgen mit der Fortbildung immer das Ziel, Wissen zu teilen. Wir haben in den vergangenen Jahren immer nationale, aber auch internationale Referenten*innen eingeladen. Es waren in erster Linie Wissenschaftler, die seit vielen Jahren sehr nah am Fußball dran sind. An dieser Stelle ist zum einen Dr. Markus Waldén zu nennen. Er hat für die UEFA lange Zeit Verletzungsstudien in der Champions League betreut. Zum anderen wurde auch Dr. Rob Erskine von der John-Moores-University Liverpool digital zugeschaltet. Mit Blick auf die Referenten sehen wir immer diese Mischung aus national und international sowie wissenschafts- und praxisorientiert. Die beiden Mannschaftsärzte PD Dr. Raymond Best vom VfB Stuttgart und Prof. Dr. Florian Pfab von Eintracht Frankfurt haben ebenfalls im Rahmen der Workshops referiert. Neben ihrer Tätigkeit als Mannschaftsärzte in der Bundesliga sind beide auch akademisch auf höchstem Niveau ausgebildet. Auch hier sieht man wieder deutlich zwei Schienen: eine wissenschaftliche Ausbildung auf der einen Seite und zugleich die hohe praktische Erfahrung am Spielfeldrand. Es ist ein großer Vorteil, dass wir nicht nur wissenschaftlich oder nur rein praktisch orientiert sind, sondern die Referenten eine gute Mischung darstellen. Genau das wird von den Teilnehmer*innen sehr geschätzt.

DFB.de: Die Veranstaltung wurde hybrid durchgeführt. Wie war die Atmosphäre an den beiden Tagen?

Hauser: Es war schön zu sehen, dass wir trotz der Corona-Bedingungen auf diese Art von Veranstaltung und den persönlichen Austausch nicht verzichten müssen. 2021 wurden beide Veranstaltungen noch digital durchgeführt. In diesem Jahr konnten wir unter den gegebenen Rahmenbedingungen zumindest einen Teil der Gruppe vor Ort begrüßen. Es ist ein großer Vorteil, der von den Teilnehmer*innen auch geschätzt wird. Uns hat es gezeigt, dass wir auch in Zukunft als DFB-Akademie diese Plattform analog und digital anbieten können. An beiden Tagen wurden die Hygieneregeln mit viel Disziplin eingehalten. Wir konnten den Austausch, der während der Pandemie doch sehr gelitten hatte, zumindest für die Teilnehmer*innen vor Ort in einem sicheren Rahmen gewährleisten. Durch die digitale Zuschaltung weiterer Teilnehmer*innen konnten diese ebenso an der Tagung und den Workshops teilnehmen, Fragen stellen und sich somit an allen inhaltlichen Themen beteiligen.

DFB.de: Der Umzug auf den DFB-Campus ist in greifbarer Nähe. Sie haben selbst gesagt, dass die Medizinische Ambulanz das Herzstück der Fußballmedizin vor Ort sein wird. Was macht die Ambulanz auf dem DFB-Campus so besonders?

Hauser: Im Gegensatz zum derzeitigen DFB-Standort in der Otto-Fleck-Schneise haben wir auf dem DFB-Campus ein umfangreiches Medizinisches Zentrum. Dabei bildet die Medizinische Ambulanz nur einen Teil der medizinischen Abteilung ab. Wir haben verschiedene Räumlichkeiten und Untersuchungsmöglichkeiten, so dass unsere Mannschaftsärzt*innen und Physiotherapeut*innen optimale Rahmenbedingungen vorfinden, um die Spieler*innen, die auf dem Campus der Akademie sind, betreuen zu können. Das bedeutet, die Akutversorgung von Verletzungen und Erkrankungen kann fortan am Campus selbst stattfinden. Gepaart ist das Ganze mit der Kooperation mit dem Uniklinikum in Frankfurt, das nur etwa drei Kilometer entfernt ist. Schlimmere Verletzungen oder Erkrankungen können unmittelbar dort behandelt werden. Die Verbindung mit dem Universitätsklinikum ist für uns als Mediziner*innen und Physiotherapeut*innen ein riesiger Mehrwert, um die bereits sehr gute Betreuung vor Ort noch weiter zu verbessern.

DFB.de: Zu Beginn haben Sie angesprochen, dass es zu den Aufgaben der DFB-Akademie gehört, Wissen zu teilen. Können Sie uns einen kleinen Ausblick geben, wie es mit den medizinischen Fortbildungen weitergeht?

Hauser: Vom 25. bis zum 27. Mai wird unsere nächste medizinische Fortbildung stattfinden, die wir aus Termingründen rein digital veranstalten werden. Außerdem ermutige ich jeden, der sich für Themen rund um den Fußball in Bereichen wie Gesundheit und Medizin interessiert, auf den Internetseiten der Akademiewelten vorbeizuschauen. Hier kann man sehr viele spannende und lehrreiche Beiträge finden.

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