Spielanalyse

Wolverhampton Wanderers – das Konterteam

Die Wolves haben sich im oberen Tabellendrittel der Premier League festgespielt und überzeugen mit einer klaren Spielauffassung.

Wolves Ruben Neves bejubelt sDie Wolverhampton Wanderers bejubeln ihren Treffer im Spiel gegen Manchester United. © 2019 Getty Images
  1. Christopher Toetz

    Christopher Toetz, Redakteur der DFB-Trainerzeitschrift „Fußballtraining“, analysiert Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball.

Die Wolverhampton Wanderers verfolgen unter Trainer Nuno Espírito Santo eine von Erfolg geprägte Spielidee. Wir zeigen, was dieses Team ausmacht.

Kompaktes Verteidigen

Im geordnetem Spiel gegen den Ball praktiziert Wolverhampton in weiten Teilen des Spiels ein Pressing im Abwehr- und Mittelfelddrittel. In einem 5-2-3 oder 5-3-2 werden die Zentrums- und Halbspuren zugestellt, sodass der Gegner in die Außenspur gelenkt wird. Hier sind die Ballbesitzer durch die Seitenlinie limitiert, wohingegen sie im Zentrum mehr Aktionsmöglichkeiten hätten. Generell achten sie darauf, dass sie das Spiel stets vor sich haben, wodurch sie sich oftmals stark zusammenziehen und vergleichsweise schnell Raum für die Zielverteidigung aufgeben. Dadurch sind sie schwer zu schlagen, was sich auch in der Statistik widerspiegelt. Die Wolves verzeichnen in der Premier League die zweitwenigsten Niederlagen (6) und die meisten Remis (13).

Konterangriff

Die größte Stärke von Wolverhampton ist das Konterspiel, welches sich mit dem vielgenutzten tiefen und kompakten Verteidigen optimal ergänzt. Nach Ballgewinnen werden die Umschaltaktionen schnell und vertikal ausgespielt, sowohl von dem jeweils Ballführenden als auch von den Spielern ohne Ball. Am gefährlichsten sind die Konter, in denen die Wolves es schaffen, den Ball schnell ins Zentrum zu spielen. Dort stehen dem Ballbesitzer die meisten Handlungsoptionen offen, was das Zusammenspiel vereinfacht. Generell achten sie darauf, Spieler mit einem vorwärts gerichteten Sichtfeld anzuspielen, wodurch sie das Tempo stets hochhalten können. Daher ist das Spiel über den Dritten ein wichtiges taktisches Element. Innerhalb der Kontersituationen gelingt es den Angreifern oftmals, die gegnerischen Verteidiger vor Entscheidungen zu stellen und diese so zu einer Aktion zu zwingen. Die erhöhte Unordnung nutzen sie dann mit ihrer Kreativität und einer unnachgiebigen Zielstrebigkeit. Eine wichtige Rolle spielt neben ihren technisch-taktischen Qualitäten die Bereitschaft der Spieler, ihr Wille, mit der ersten oder spätestens mit der zweiten Aktion einen schnellen Gegenangriff einzuleiten.

    1. Wolverhampton verteidigt im Strafraum in einer kompakten 5-2-Ordnung. Dabei setzen sie den ballführenden zentralen defensiven Mittelfeldspieler (ZDM) unter Druck, der daraufhin zum Außenverteidiger (AV) in die Zentrumsspur passt.

    2. Moutinho setzt den AV bei der Annahme und Druck, erobert den Ball und passt direkt nach außen zu Traoré.

    3. Traoré erläuft das Zuspiel und dribbelt entlang der Seitenlinie nach vorne.

    4. In der gegnerischen Spielfeldhälfte wird Traoré vom ZDM unter Druck gesetzt. Als der ZDM näher heranrückt und das 1 gegen 1 sucht, erhöht Traoré das Tempo erneut, umläuft seinen Gegenspieler und dribbelt in Richtung Tor.

    5. Im Strafraum starten Jiménez und Neto am ballfernen Pfosten gegengleiche Laufwege. Dadurch muss sich der Innenverteidiger (IV), der sich in einer Unterzahlsituation befindet, für einen der beiden Angreifer entscheiden. Letztlich orientiert er sich zu Neto.

    6. Traoré nimmt die Situation wahr und passt zum freistehenden Jiménez in den Rückraum, der präzise in die ballferne Ecke abschließt.

    1. Der gegnerische Außenverteidiger (AV) passt in die Tiefe zum entgegenkommenden Stürmer (ST), ...

    2. ... der direkt auf den zentralen defensiven Mittelfeldspieler (ZDM) klatschen lässt. Dendoncker erkennt die Absicht frühzeitig, fängt den Pass ab und spielt zu Jiménez in die Tiefe.

    3. Jiménez setzt das Spiel mit einem Dribbling fort, wobei er das Tempo hochhält. Gleichzeitig läuft Jota in die Tiefe.

    4. Kurz vor dem Strafraum wird Jiménez unter Druck gesetzt. Jota setzt seinen Lauf fort und attackiert den Raum im Rücken der Verteidiger. Jiménez erkennt die Situation und passt in die Tiefe.

    5. Jota schließt direkt auf das Tor ab, scheitert jedoch am Pfosten. Jiménez, der bereits nachgerückt ist, erläuft den Abpraller und schiebt freistehend zum 3:0 ein.

Positionsangriff

Im Positionsangriff bevorzugen die Wolves ebenfalls ein schnelles und vertikales Passspiel in die Spitze. Dabei beschränkt sich die Ballzirkulation hauptsächlich auf die Innenverteidiger und die beiden Sechser, aus der sie mit einem plötzlichen Rhythmuswechsel in ein zielgerichtetes Vertikalspiel übergehen. Im vorderen Bereich sind dann die Positionswechsel ein wichtiges Element. Durch die hohe Beweglichkeit und Dynamik aller Angreifer gelingt es oftmals, situative Überzahlen zu schaffen und sich dadurch in aussichtsreiche Positionen zu kombinieren. Aufgrund des Tempos ihrer Angriffe wirken sie auch beim Positionsangriff wie eine Kontermannschaft.

    1. Patrício wirft den Ball zu Jiménez in die Tiefe, der mit einer Brustablage direkt auf Moutinho weiterleitet.Jiménez setzt sich nach der Ablage seitlich ab und fordert ein Zuspiel von Moutinho, das er auch erhält. Jiménez setzt das Spiel mit einem Dribbling fort.

    2. Jiménez setzt sich nach der Ablage seitlich ab und fordert ein Zuspiel von Moutinho, das er auch erhält. Jiménez setzt das Spiel mit einem Dribbling fort.

    3. Kurz hinter der Mittellinie wird Jiménez vom gegnerischen Außenverteidiger (AV) unter Druck gesetzt. Gleichzeitig setzt sich Traoré im Rücken des AV ab. Jiménez nimmt die Situation wahr, passt in dessen Lauf und rückt zielstrebig nach.

    4. Traoré erläuft den Pass und flankt direkt in den Strafraum, wo Jiménez bereits mit Tempo und ohne Gegnerdruck einläuft.

    5. Jiménez nutzt seinen Bewegungsvorteil und verwertet die Flanke mit einem technisch sauberen Kopfball in die ballferne Ecke.

    1. Saïss passt zu Jota in die Außenspur. Der gegnerische Außenverteidiger (AV) rückt bereits an Jota heran.

    2. Jota nimmt die Situation frühzeitig wahr und passt zum entgegenkommenden Jonny.

    3. Jonny legt direkt auf Jota ab, der seinen Gegenspieler bereits überlaufen hat. Jota nimmt an und mit und setzt das Spiel mit einem Dribbling in Richtung Tor fort. Jiménez reagiert mit einem Laufweg nach außen.

    4. Der freistehende Jiménez erhält einen Pass von Jota, der nach seinem Zuspiel zielstrebig in die Tiefe sprintet.

    5. Jiménez dribbelt in den Strafraum. Jota setzt seinen Lauf fort, wobei er vom zentralen defensiven Mittelfeldspieler (ZDM) aufgenommen wird. Jota verlangsamt sein Tempo, setzt sich im Rücken des Gegenspielers ab ...

    6. ... und sprintet im richtigen Moment in den Strafraum. Jiménez passt in den Lauf von Jota, der die Hereingabe zum 1:0-Führungstreffer verwertet.

Offensivtrio

Ein auffälliges Merkmal der Offensivaktionen sind die Wechselwirkungen ihrer drei völlig unterschiedlichen Angreifer. Gerade der dribbelstarke und kreative Jota schafft es als verbindendes Element, dass die individuellen Stärken seiner Mitspieler zum Vorschein kommen. Raul Jiménez ist eher der klassische Mittelstürmer, der sich jedoch viel ins Spiel einbringt und oftmals mit seinen entgegenkommenden Läufen Räume öffnet und zahlreiche Konter einleitet – ohne dabei an Torgefahr einzubüßen. Der physisch starke und pfeilschnelle Rechtsaußen Adama Traoré überzeugt vor allem mit seinen weiträumigen Dribblings, mit denen er oftmals auf der rechten Seite durchbricht. Das Trio verbucht bis dato 23 Tore und 14 Vorlagen.

Anfälligkeit

Die große Stärke im offensiven Umschaltspiel trägt zum Teil auch zu einer Anfälligkeit in der eigenen Defensive bei. Die Wolves nutzen oftmals jede mögliche Konteraktion, ohne darauf zu achten, dass sie die passenden Voraussetzungen für die eigene Defensive haben. So schalten die Flügelverteidiger sehr früh nach vorne um, wodurch die Innenverteidiger schnell auf sich alleine gestellt sind. Erobert der Gegner nun frühzeitig den Ball und spielt seinerseits schnell in die Tiefe, dann ist die verbliebende Abwehrreihe noch nicht in der passenden Organisation. Beispielsweise haben sie noch keinen Anschluss zum Mittelfeld hergestellt oder die Zuordnung der Gegner ist noch unklar. In der Folge führt das zu unübersichtlichen und hektischen Verteidigungsaktionen, die der Gegner für sich nutzen kann.

    1. Nach einem Pass aus der Außenspur lässt Jiménez direkt zu Moutinho klatschen. Der zentrale defensive Mittelfeldspieler (ZDM) antizipiert das Zuspiel, erobert den Ball ...

    2. ... und setzt das Spiel mit einem Pass zum Außenstürmer (AS) fort. Durch diesen Vertikalpass nutzen sie den Umschaltmoment von Wolverhampton, die bereits zahlreich aufgerückt sind.

    3. Der AS dribbelt zielstrebig in Richtung Tor, während sein Mitspieler in die Tiefe läuft und so die Mitte freizieht.

    4. In der Zentrumsspur wird der AS von zwei Gegenspielern unter Druck gesetzt, woraufhin er zum Stürmer (ST) in die Tiefe spielt, der freistehend in den Strafraum einläuft.

    5. Der ST nimmt an und mit und schließt erfolgreich in die ballferne Ecke ab.

    1. Dendoncker passt zu Doherty, der sofort vom Außenverteidiger (AV) und zentralen defensiven Mittelfeldspieler (ZDM) unter Druck gesetzt wird.

    2. Daraufhin versucht Doherty, sich mit einem Pass in die Mitte zu befreien, doch der ZDM erobert den Ball.

    3. Der ZDM passt zum Außenstürmer (AS) in die Tiefe, der direkt in den Lauf des bereits hinterlaufenden AVs ablegt.

    4. Der AV kappt mit dem ersten Kontakt nach innen ab und passt in den Lauf des ASs, der bereits nachgerückt ist.

    5. Im Strafraum nimmt der AS an und mit und passt in den Lauf des Stürmers (ST), der aus dem Rückraum in den Strafraum nachrückt.

    6. Der ST nutzt den Bewegungsvorteil und schließt erfolgreich in die ballferne Ecke ab.

Klare Spielidee

Der Erfolg der Wolverhampton Wanderers beruht größtenteils auf der besonderen Stärke im offensiven Umschaltspiel, bei dem sie stets eine große Torgefahr ausstrahlen. Doch auch in Ballbesitz entwickeln sie mit ihrer Risikobereitschaft im Kombinationsspiel eine Dynamik, mit der es immer wieder gelingt, die gegnerische Abwehr zu überwinden.

Die Basis von allem ist unsere defensive Organisation. Die "weiße Weste" ist in jedem Spiel immer das wichtigste Ziel. Immer.
Nuno Espírito Santo, Cheftrainer Wolverhampton Wanderers
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