Spielanalyse

Ansu Fati – der Senkrechtstarter

Das Nachwuchstalent ist in aller Munde. Was zeichnet den Jungprofi aus?

Barcelonas Ansu Fati setzt zum Schuss im Spiel gegen Real Betis an. © 2019 Getty Images / ALEX CAPARROS
  1. Christopher Toetz

    Christopher Toetz, Redakteur der DFB-Trainerzeitschrift „Fußballtraining“, analysiert Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball.

Schon seit sechs Jahren spielt Ansu Fati in der Fußballschule La Masia des FC Barcelona. Anfang der Saison gab er sein Profi-Debüt, mit gerade einmal 16 Jahren und 298 Tagen. Damit ist er der zweitjüngste Spieler, der jemals in der Profimannschaft des FC Barcelona zum Einsatz kam. Wir werfen einen Blick auf seine Stärken.

Der Überflieger

Bereits mit 15 Jahren debütierte Ansu Fati in der UEFA Youth-League. Dort erzielte er in neun Spielen vier Tore und bereitete weitere drei Treffer vor – eine Torbeteiligung von 44%. In den vergangen Wochen folgten seine ersten vier Profi-Einsätze, in denen er bereits zwei Tore und eine Vorlage verzeichnen konnte. Er ist in der Offensive auf jeder Position einsetzbar, spielt aber bevorzugt auf dem linken Flügel. Dabei überzeugt der Rechtsfuß vorrangig mit seinem Tempo, seinen Dribblings und seiner permanenten Torgefahr.

Einfachheit

Ansu Fati verfügt über eine sehr hohe Schnelligkeit und eine hervorragende Ballbehandlung. Darüber hinaus erkennt er außerordentlich gut, welche Optionen eine Angriffssituation bieten. Ob gut getimte Läufe in die Tiefe, selbstbewusstes Agieren im 1 gegen 1, präzise Pässe zum Mitspieler oder das Anbieten als Anspielstation – der Youngster wählt seine Handlungen mit Sorgfalt, ohne Mut und Entschlossenheit missen zu lassen. Zudem setzt er seine Aktionen zielgerichtet und schnörkellos um.

Dribbling

Diese Einfachheit prägt auch seinen Dribbelstil. Der Jungprofi positioniert sich meist an der Seitenlinie, von der er durch gezieltes und zielstrebiges Andribbeln seine Gegenspieler bindet und aus der Formation lockt, um so günstige Dribbel-, Pass- oder Schussfenster für tororientierte Folgeaktionen zu öffnen. Häufig legt er den Ball mit wenigen Kontakten an seinen Gegenspielern vorbei. Diese einfache und effiziente Umsetzung basiert jedoch auf einer sehr hohen Genauigkeit im Timing und der Rhythmisierung. Dies bedeutet, dass er ein gutes Gespür für den Laufrhythmus und für die Balance der Gegenspieler hat, sodass er diese auf dem „falschen“ Fuß erwischen und letztlich überwinden kann. In seine Dribblings streut er kleine Körpertäuschungen ein und provoziert damit gegnerische Reaktionen, die er dann für den eigenen Vorteil nutzt.

    1. Ansu Fati bietet sich nah an der Seitenlinie an. Arthur passt zu Alba.

    2. Mit dem Zuspiel rückt der gegnerische Außenverteidiger (AV) an Ansu Fati heran. Der erkennt die Situation, läuft in die Tiefe und fordert einen Pass von Alba, den er auch erhält. Anschließend dribbelt Ansu Fati in den Strafraum, ...

    3. ... wo er ein 1 gegen 1 gegen den Innenverteidiger (IV) sucht. Dabei nutzt er einen Übersteiger und bricht zur Grundlinie durch.

    4. Von dort passt er zu de Jong in den Rückraum, der ohne Druck das 2:0 erzielt.

    1. Ausgangssituation: Nach einem langen Zuspiel dribbelt Ansu Fati aus seiner breiten Position in Richtung Tor.

    2. An der Strafraumecke sucht er das persönliche Duell gegen den gegnerischen Außenverteidiger (AV). Dabei dribbelt er die Innenbahn des AVs an, der jedoch den richtigen Abstand einhält.

    3. Anschließend nimmt Ansu Fati das Tempo aus dem Dribbling, woraufhin sich der AV frontal positioniert. Ansu Fati erkennt die Situation, überläuft ihn ...

    4. ... und nutzt den Bewegungsvorsprung für einen Torschuss, der jedoch das Tor verfehlt.

Läufe in die Tiefe und Abschlusssituationen

Neben seinen Qualitäten Dribbling und Tempo sind gut getimte Läufe in die Tiefe eine weitere Stärke. Insbesondere gegen höher stehende Teams weiß er dies zu nutzen, indem er im richtigen Moment in den freien Raum im Rücken des Gegenspielers läuft. Sein Tempo hilft ihm dann, den Bewegungsvorsprung aufrechtzuerhalten. Aufgrund der Qualität seiner Mitspieler und seiner eigenen Fähigkeiten kommt er fast ausschließlich im Strafraum zu Abschlüssen. Bei Hereingaben von außen nutzt er oft die „Blindside“ der Verteidiger aus – sei es durch Läufe an den ballfernen Pfosten oder mit entgegengesetzten Richtungswechseln zu den Gegenspielern.

    1. Innenverteidiger Mármol passt zu Orellana, der im Raum zwischen der Abwehr- und Mittelfeldreihe postiert ist.

    2. Mit dem Zuspiel setzt sich Ansu Fati nach innen ab und startet in die Tiefe, woraufhin Orellana in dessen Lauf passt.

    3. Im Strafraum nimmt er das Tempo raus und dribbelt zur Grundlinie. Inzwischen ist Orellana ebenfalls nachgerückt und bietet sich für ein Anspiel im Rückraum an, das er auch erhält.

    4. Von dort schließt Orellana auf das Tor ab, jedoch ohne Erfolg.

    1. Peréz ist in Ballbesitz und dribbelt den Außenverteidiger (AV) an.

    2. Peréz passt zu de Jong und läuft anschließend am AV vorbei in die Tiefe, worauf der Innenverteidiger (IV) reagiert.

    3. Anschließend passt der nun freie de Jong quer in Richtung Elfmeterpunkt. Dort läuft Griezmann zum ballnahen Pfosten und zieht den anderen Innenverteidiger (IV) mit. Dadurch öffnet sich der Raum, in den Ansu Fati auch einläuft ...

    4. ... und das Zuspiel zum Führungstreffer verwerten kann.

Fazit

Ansu Fati ist zweifellos ein Rohdiamant und verfügt über enormes Potenzial. Trotz seines Alters überzeugt er mit seinen klaren Offensivaktionen und zeigt dabei stets einen hohen Drang zum Tor.

Er hat eine hohe Qualität. Es stimmt, dass er noch sehr jung ist, aber wir haben Dinge gesehen, mit denen er uns helfen kann.
Ernesto Valverde, Cheftrainer FC Barcelona
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