Spielanalyse
Jack Grealish – die personifizierte Torgefahr
Der Kapitän von Aston Villa dominiert das letzte Drittel wie kaum ein anderer – dabei stellt er so manchen Superstar in den Schatten.
Christopher Toetz
Christopher Toetz, Redakteur der DFB-Trainerzeitschrift „Fußballtraining“, analysiert Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball.
Im Sommer wurde Jack Grealish mit zahlreichen Topclubs in Verbindung gebracht, Manchester City-Coach Pep Guardiola bezeichnete ihn gar als einen der besten Spieler der Premier League – doch am Ende blieb er und verlängerte seinen Vertrag sogar bis 2025. Der Plan: Die Besitzer möchten ein Spitzenteam um Jack Grealish aufbauen, der bereits seit seiner Kindheit für Aston Villa spielt und als Indentifikationsfigur gilt.
Schlüsselspieler
Auf dem Platz zeigt Grealish, warum sein Verein diese Entscheidung getroffen hat, denn er ist das Herz der Offensive und von seinen Gegnern kaum zu stoppen. Im 4-2-3-1 der "Villans" kann Rechtsfuß Grealish so gut wie jede offensive Position hinter der Spitze bekleiden, am wohlsten fühlt er sich jedoch in einer freien Rolle auf der linken Seite. Aus dieser Position heraus zeigt er oftmals seine Kreativität und seinen Spielwitz gepaart mit einer herausragenden technischen Qualität. Dabei glänzt der Kapitän mit einer hohen Durchschlagskraft im letzten Drittel – sei es durch Dribblings oder im Passspiel – , die im Strafraum oftmals in torgefährlichen Situationen mündet.
Kaum zu stoppen
Generell verfügt Grealish über einen natürlichen Vorwärtsdrang, mit dem er stets eine Grunddynamik in das Offensivspiel einbringt und das Spiel beschleunigt. Mit seinen Stärken im Dribbling sowie 1 gegen 1 ist er immer wieder in der Lage, Gegenspieler zu binden und aus der Formation zu locken, um so günstige Dribbel-, Pass- oder Schussfenster für tororientierte Folgeaktionen zu öffnen. Der Blick auf die Statistiken zeigt, wie unberechenbar und dominant er dabei ist: Grealish gehört nicht nur zu den Spielern, die überdurchschnittlich (am vierthäufigsten) viel dribbeln, sondern er ist auch mit einer Quote von rund 70% einer der erfolgreichsten der Premier League. Zudem ist er mit großem Abstand der meistgefoulte Spieler (98; Zweitplatzierter Wilfried Zaha mit 56), was Aston Villa mit ihrer Stärke bei Standardsituationen zu nutzen weiß.
Grealish dribbelt in Richtung Tor und sucht das direkte Duell gegen den Außenverteidiger (AV).
Als der AV zur Defensivaktion ansetzt, kappt Grealish nach innen ab und überwindet diesen. Gleichzeitig läuft El Ghazi in die Tiefe, zieht den Innenverteidiger (IV) mit und öffnet so den Raum für den Ballführenden.
Nun befinden sich El Ghazi und Grealish in einer Überzahlsituation. Grealish hält das Tempo hoch und bindet den IV, der wiederum zurückweicht und bemüht ist, den direkt Weg zum Tor zu blocken.
Im Strafraum täuscht Grealish mithilfe einer Schere einen Pass zu El Ghazi an, worauf der IV mit einem Schritt reagiert und aus dem Gleichgewicht gerät. Grealish nutzt die Situation, dribbelt weiter nach innen und schließt auf das Tor ab. Der Torschuss geht jedoch über das Tor.
Ballbesitzer McGinn hat wenig Gegnerdruck, weshalb Luiz sich mit einem Lauf in die Tiefe anbietet und so zwei Gegenspieler mitzieht. McGinn passt jedoch zu Grealish, der sich im Raum zwischen der Abwehr- und Mittelfeldlinie anbietet.
Aufgrund von Luiz Voraktion kann Grealish sich aufdrehen, die Situation in der Tiefe wahrnehmen und die gegnerische Abwehrkette bzw. den Innenverteidiger (IV) andribbeln. Mit dem Aufdrehen läuft Barkley bereits in die Tiefe und zieht den Außenverteidiger (AV) mit. Luiz hält die Breite.
Grealish, der sein Dribbling zuvor verzögert und so den Fokus lange auf sich gezogen hat, passt zum freistehenden Luiz in die Halbspur und läuft in die Tiefe.
Luiz passt zu Grealish in den Rückraum, der mit dem ersten Kontakt in die ballferne Ecke abschließt.
Dominanz
Auch mit seinem Passspiel ist Grealish dazu in der Lage, das Spiel im letzten Drittel entscheidend zu beeinflußen. Er ist oftmals am Kombinationsspiel beteiligt, stabilisiert den Angriff und sorgt mit seinem Timing und der Schärfe seiner Pässe immer wieder für gefährliche Abschlusssituationen. So verzeichnet der englische Nationalspieler mit Abstand die meisten "key passes", also Pässe, die zu einem Torschuss führen, noch weit vor Spielern wie Bruno Fernandes oder Kevin de Bruyne. Das spiegelt sich auch in den 12 Assists wider – ebenfalls Bestwert. Dem gegenüber stehen noch seine eigenen sechs Treffer, womit er an der Hälfte der Teamtore (36) direkt beteiligt ist.
McGinn passt zu Watkins in die Tiefe, während Grealish sich weiter ins Zentrum bewegt.
Watkins, der im Rücken vom ballnahen Innverteidiger (IV) unter Druck gesetzt wird, nimmt zur Mitte an und mit, wodurch er den ballfernen IV ebenfalls bindet. Grealish bleibt in seiner Bewegung und zieht so den Außenverteidiger (AV) mit.
Watkins, der immer mehr unter Druck gerät, passt quer zu Grealish und startet in die Tiefe. Mit dem Pass rücken der AV und der ballnahe IV an Grealish heran und verkleinern die Schnittstelle. Grealish erkennt die Situation und spielt einen Chipball in den Rücken der Abwehr.
Watkins erläuft das Zuspiel und schließt direkt auf das Tor ab. Der Torschuss ist jedoch zu unplatziert, sodass der Torwart (TW) parieren kann.
Watkins und Grealish befinden sich in einer 2-gegen-4-Kontersituation. Grealish dribbelt im hohen Tempo in Richtung gegnerisches Tor und bindet den Innenverteidiger (IV), während Watkins auf der ballfernen Seite mitläuft.
Kurz vor dem Strafraum sucht Grealish das 1 gegen 1 gegen IV und überwindet diesen. Durch das Abkappen kann jedoch der zentrale defensive Mittelfeldspieler (ZDM) heranrücken, den er ebenfalls umdribbeln muss. Watkins, der weiterhin auf der ballfernen Seite lauert, ...
... bricht seinen Tiefenlauf ab und schlägt einen Richtungswechsel ein. Grealish, der quer zur Spielrichtung dribbelt, blickt in die Tiefe und nimmt die Situation wahr.
Daraufhin passt er gedankenschnell zu Watkins in die Tiefe, ...
... der das Zuspiel erläuft und freistehend in die ballferne Ecke abschließt. Der Torschuss geht jedoch an den Pfosten und landet in den Händen des Torhüters (TW).
Erkennen und nutzen
Neben seinen genannten Qualitäten sind hohes Tempo in Verbindung mit gut getimten Läufen in die Tiefe weitere Stärken. Generell ist das Wahrnehmen des gegnerischen Defensivverhaltens und der passenden Entscheidungsfindung in Verbindung mit einem gut getimten Lauf in den Rücken der Abwehr eine Qualität, mit der er sich regelmäßig einen Bewegungsvorsprung erarbeitet. Insbesondere gegen höher stehende Teams weiß er dies zu nutzen.
Nach einem Seitenwechsel ist Targett in Ballbesitz und dribbelt an. Grealish setzt sich frühzeitig nach außen ab und erkennt, dass der gegnerische Außenverteidiger (AV) ihm folgt.
Grealish nimmt den Raum im Rücken des AVs wahr, woraufhin er das Tempo erhöht und sich in die Tiefe absetzt. Targett erkennt die Absicht frühzeitig und passt in dessen Lauf.
Grealish setzt sich im Laufduell gegen den AV durch und flankt mit dem ersten Kontakt in den Rückraum und damit in den Rücken der Verteidiger. Barkley, der seinen Lauf bewusst verzögert, ...
... nutzt die Hereingabe und erzielt den 1:0-Führungstreffer.
Barkley sucht im Strafraum das 1 gegen 1 gegen den Außenverteidiger (AV). Grealish nimmt die Situation wahr, hinterläuft seinen Mitspieler und kreiert eine 2-gegen-1-Überzahl.
Barkley spielt die Überzahl aus und passt im passenden Moment zu Grealish in den Lauf, der einen Bewegungsvorsprung gegenüber dem AV hat.
Von der Grundlinie passt Grealish zu Traoré in den Rückraum, ...
... der freistehend abschließt. Der Torschuss wird jedoch geblockt, den anschließenden Abpraller kann Mings ebenfalls nicht verwerten.
Offensivpower
Jack Grealish ist ein Spieler, der vor allem durch seine Qualitäten im Offensivspiel überzeugt. Mithilfe seiner technisch-taktischen Fähigkeiten ist er in der Lage, Angriffe entscheidend zu beschleunigen. Besonders prägend sind sein Gespür für gruppentaktische Dynamiken und seine spielerische Durchschlagskraft im letzten Drittel.
[Datenstand: 18.02.2021]