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Hackathon: Aus Big Data wird Smart Data

Mehr Spiele, mehr Zeit, mehr Daten: Unter diesem Motto ist am Dienstag der zweite Hackathon der DFB-Akademie gestartet. Denn "Machine Learning" und "Künstliche Intelligenz" treffen erstmals über einen längeren Zeitraum auf die Fußballpraxis. Beim Kick-off-Event im Vorfeld des DFB-Pokalachtelfinals Eintracht Frankfurt gegen RB Leipzig lernten die Teilnehmer ihre Teams kennen und bekamen die konkreten Aufgabenstellungen, die sie in den kommenden drei Monaten bearbeiten werden. Die Datenwissenschaftler und Spielanalysten haben deutlich mehr Zeit, als noch beim "Übernacht"-Hackathon am Rande des EM-Qualifikationsspiels gegen die Niederlande im September 2019.

Das Ziel beim zweiten Hackathon ist, bis zum Saisonende der Bundesliga und den Trackingdaten aus rund 60 Spielen seit der Saison 2017/2018 konkrete Ergebnisse für die Weiterentwicklung der datenbasierten Spielanalyse zu erzielen, die idealerweise schon bei der Europameisterschaft 2020 oder den Olympischen Spielen in Tokio genutzt werden können. Um diesem Ziel Rechnung zu tragen, führt die DFB-Akademie den zweiten Hackathon gemeinschaftlich mit Eintracht Frankfurt und der Sportec Solutions (einem DFL-Tochterunternehmen) durch.

Pascal Bauer, Manager Datenwissenschaft und maschinelles Lernen beim Innovation Desk der DFB-Akademie: "Das Ziel ist es, die beiden Welten der Mathematiker und Informatiker mit den Fußballpraktikern aus den Vereinen zusammenzubringen. Die Ereignis- und Positionsdaten sind dank neuester Technologien zentimetergenau und vor allem objektiv. Selbst durch mehrfaches Sichten des Videomaterials kann kein Mensch diese Fülle an Informationen vollumfänglich verarbeiten - für Maschinen ist das dagegen in Sekundenbruchteilen kein Problem. Es geht darum, aus Big Data nun Smart Data zu machen. Diese Informationen helfen dem Trainer exaktere Erkenntnisse zu ziehen und seine Eindrücke faktisch zu untermauern."

"Das ist eine super Geschichte mit einem großen Mehrwert"

Die datenbasierte Spielanalyse soll den Matchanalysten und dem Trainerteam die Arbeit erleichtern. Bei den Bundesligisten besteht in diesem Bereich noch Nachholbedarf. Der FC Barcelona oder der FC Liverpool haben ganze Abteilungen mit Mathematikern und Informatikern, die Spieldaten analysieren und nur dem Trainerteam zu arbeiten. Der Hackathon soll helfen, den Rückstand im internationalen Vergleich aufzuholen und die Vereine nach und nach für das Thema zu sensibilisieren. Wichtiger Partner hierbei ist Sportec Solutions, die über die vergangenen Jahre die wohl wertvollste Basis an Spieldaten aufgebaut haben.

Fredi Bobic, Sport-Vorstand bei Eintracht Frankfurt sagt: "Das ist eine super Geschichte mit einem großen Mehrwert für die Vereine und alle Analysten. Wir freuen uns sehr, gemeinsam mit dem DFB und Sportec Solutions den zweiten Hackathon auszurichten. Gerade in der Datentiefe sind wir sehr weit und versuchen immer neue Wege zu gehen. Da hilft der Hackathon über die Rückrunde, weil man viele Erfahrungswerte untereinander austauschen kann. Unser Ziel ist es, Ergebnisse zu erzielen, die wir im liga-internen solidarischen Grundgedanken allen Klubs zur Verfügung stellen können und damit idealerweise Arbeitsprozesse optimieren können. Wir blicken gespannt auf die kommenden Monate und freuen uns auf die Resultate."

25 Aufnahmen pro Sekunde

Alexander Schneider, Head of Operations, Sportec Solutions GmbH: "Wir sind zuständig für die gesamte Datenerhebung in der Bundesliga und 2. Bundesliga und damit auch der logische Partner für die Datenbereitstellung. Die primären Quellen für die Teilnehmer sind die Ereignis- und Positionsdaten. Ereignisdaten sind alles, was auf dem Spielfeld passiert, ob Einwurf, Gelbe Karte oder Torschuss. Bei den Positionsdaten werden alle Spieler und der Ball durch ein optisches Kamera-System 25 Mal pro Sekunde erhoben. Wir machen das als Dienstleister für die Vereine, um sich im internationalen Vergleich weiterzuentwickeln. Denn national werden die Daten an alle Vereine gleich weitergegeben."

Die Ergebnisse werden rund um das letzte Bundesligaspiel der Eintracht gegen den SC Paderborn am 16. Mai 2020 genauer besprochen. Gerade für Teams wie die Eintracht, die oft im Drei-Tages-Rhythmus spielen, wäre die Automatisierung sich wiederholender Prozesse in der Spielanalyse Gold wert, um damit mehr Zeit für die wichtigen manuellen Detailanalysen zu haben. Vor der gleichen Herausforderung stehen die Analysten der Nationalmannschaften bei den anstehenden Turnieren im Sommer.

Angriffe ohne Torerfolg werden häufig nicht bewertet

Im Fußball fällt nur aus etwa jedem 100. Angriff ein Tor. Die Angriffe ohne Torerfolg werden aber häufig schlichtweg nicht bewertet. Die datenbasierte Spielanalyse vereinfacht es, auch diese Angriffe zu analysieren. Liverpool beispielsweise versucht Torchancen eine Torwahrscheinlichkeit zuzuschreiben, um die Qualität eines Angriffs, der nicht zum Torerfolg geführt hat, einordnen zu können.

Nach dem Kick-off-Event verfolgten die Teilnehmer des Hackathons noch das 3:1 der Eintracht gegen RB Leipzig im Stadion. "Unser Plan war es, defensiv gut zu stehen und dann schnell umzuschalten", sagte Frankfurts Trainer Adi Hütter. Die Taktik ging mit dem schnellen Kostic, dem zwei Treffer gelangen, voll auf. Die Mannschaft von Julian Nagelsmann hatte zu Beginn die besseren Torchancen, verpasste aber den Führungstreffer. "Es hat nicht zwingend die bessere Mannschaft gewonnen. Wir waren fast in allen statistischen Werten besser, nur nicht in der entscheidenden Statistik, dem Ergebnis", sagte Nagelsmann.

"Es hat uns die letzte Effektivität im eigenen und gegnerischen letzten Drittel gefehlt. Manchmal fehlt einfach das letzte Puzzleteil, aber das werden wir irgendwann wiederfinden", sagte Leipzigs Angreifer Yussuf Poulsen. Diese Puzzleteile auszumachen wird nun die Aufgabe der Datenwissenschaftler und Spielanalysten in den kommenden Monaten sein.