Spielanalyse

Slavia Prag - Tschechiens neuer Serienmeister

Die Mannschaft aus der Hauptstadt ist der Konkurrenz in der heimischen Liga deutlich überlegen und sorgt auch international für Furore.

Slavia Prag beim Torjubel über den Treffer in der Europa League gegen Nizza.
  1. Marius Fischer

    Marius Fischer, Redakteur der DFB-Trainerzeitschrift „Fußballtraining“, analysiert Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball.

Obwohl Slavia Prag 2011 fast in die Insolvenz gegangen ist, hat sich die Mannschaft in den letzten Jahren dennoch zum sportlichen Aushängeschild Tschechiens entwickelt. Dabei überzeugt sie mit einem offensiven Spielstil, der von einer sehr hohen Intensität geprägt ist.

Ein extrovertierter Trainer

Jindřich Trpišovský spielte selber zwar nie in einer der zwei höchsten Spielklassen in Tschechien, führte Slavia Prag in der Saison 2018/19 aber dennoch zum ersten Double der Vereinsgeschichte – Slavia Prag stand lange Zeit im Schatten des Stadtrivalen Sparta. Trpišovskýs Auftreten erinnert an das von Jürgen Klopp. Neben den äußerlichen Parallelen setzt auch er auf eine hohe Intensität mit und gegen den Ball. Das Kollektiv spielt in seiner Spielauffassung eine wichtige Rolle und seine Mannschaft soll zu jeder Zeit geschlossen angreifen und verteidigen können. Das spiegelt sich vor allem im Pressing wider.

Aggressives Pressing

Slavia Prag erlaubt dem Gegner im Schnitt nur 6 Pässe, bis es zu einer Defensivaktion kommt. Der dementsprechende PPDA-Wert (Passes per defensive action) von 6,00 ist ein europaweiter Topwert. Dabei wird der Gegner häufig gedoppelt, um hohe Balleroberungen zu erzielen oder unkontrollierte Befreiungsschläge zu forcieren. Vor allem Passempfänger in geschlossener Stellung dienen dabei als Pressingtrigger. Sie werden aggressiv angelaufen, um ein Aufdrehen zu verhindern und einen Rückpass zu erzwingen. Die Offensivspieler von Slavia besitzen dabei eine gute Antizipation und stellen mögliche Passwege frühzeitig zu.

    1. Ševčík presst seinen Gegenspieler und provoziert einen Rückpass.

    2. Mit dem Pass laufen Musa und Lingr den Passempfänger an. Aufgrund des Drucks spielt der Gegner einen unkontrollierten langen Ball, ...

    3. ... der von Slavia Prag abgefangen werden kann.

    1. Lingr setzt seinen Gegenspieler unter Druck und erzwingt einen Rückpass. Kuchta antizipiert dies und läuft den Passempfänger an.

    2. Der Gegner überspielt das Pressing, der Passempfänger wird jedoch sofort von Sima unter Druck gesetzt.

    3. Sima erobert den Ball und passt auf Kuchta, der aufs Tor zudribbeln kann.

Flexibel im Ballbesitz

Im eigenen Ballbesitz greift Slavia Prag mit so vielen Spielern wie möglich an, um immer wieder Anspielstationen zu bieten und Überzahl in Ballnähe zu schaffen. Die Außenverteidiger agieren dabei sehr offensiv und starten häufig Tiefenläufe hinter die gegnerische Verteidigung. Da die Gegner von Slavia zumeist sehr kompakt stehen und mannorientiert verteidigen, bedarf es einer hohen Flexibilität und vielen Laufwegen der Spieler ohne Ball. Um diese tiefstehenden Verteidigungslinien zu überspielen, nutzt Slavia vermehrt das Prinzip des „Spiels über den Dritten" in die Tiefe auf die schnellen Außenstürmer und offensiven Außenverteidiger.

    1. Stanciu passt zu Ševčík in die Zentrumsspur. Masopust hinterläuft Stanciu und startet in den Strafraum.

    2. Ševčík passt in die Schnittstelle zu Masopust, ...

    3. ... der eine flache Hereingabe an den Fünfmeterraum spielt, die vom Gegner zur Ecke geklärt wird.

    1. Zima passt zu Lingr, der den Ball auf Traoré klatschen lässt. In der linken Außenspur startet Olayinka in die Tiefe.

    2. Traoré spielt mit dem ersten Kontakt einen Tiefenpass in den Lauf von Olayinka.

    3. Olayinka erreicht den Ball am Strafraum und passt in die Zentrumsspur zum eingelaufenen Sima, der aufs Tor abschließt.

Vorlagen aus der Assist-Zone

Beim Herausspielen und Verwerten von Torchancen nutzt Slavia Prag häufig die Assist-Zone neben dem Strafraum. Von dort werden flache Ablagen in den Rückraum gespielt, die die eingelaufenen Mitspieler mit dem ersten Kontakt aufs Tor abschließen. In diese Assist-Zone gelangt Slavia Prag zumeist durch Dribblings der Außenstürmer, die über hervorragende 1-gegen-1-Qualitäten verfügen, oder nach Schnittstellenpässen auf die hinterlaufenden Außenverteidiger.

    1. Stanciu dribbelt in die Zentrumsspur ...

    2. ... und passt in die rechte Halbspur zu Masopust, der in den Strafraum dribbelt.

    3. Dort spielt Masopust eine flache Hereingabe zu Sima, der ein Tor erzielt.

    1. Sima dribbelt in die rechte Halbspur und wird von Masopust hinterlaufen.

    2. Sima spielt einen Schnittstellenpass auf Masopust, ...

    3. ... dessen flache Ablage von Kuchta ins Tor abgeschlossen wird.

Ausblick

Nachdem Slavia Prag in der Champions League Playoff-Runde am FC Midtjylland aus Dänemark scheiterte, gelang der Mannschaft in der Europa League der Einzug in die Runde der besten 32 Teams. Die guten internationalen Auftritte sorgten in der jüngsten Vergangenheit jedoch bereits für Abgänge von Leistungsträgern. So wechselte der Kapitän Tomáš Souček im Januar diesen Jahres in die Premier League zu West Ham United. Auch Außenverteidiger Lukas Masopust hat bereits Angebote aus den europäischen Topligen. Diese Verluste muss Slavia durch ihre gute Jugendarbeit und clevere Transfers von jungen Spielern kompensieren, um dauerhaft vor dem Rivalen Sparta Prag stehen zu können.

Jeder muss angreifen und jeder muss verteidigen!
Jindřich Trpišovský, Trainer von Slavia Prag
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