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Belastungsmonitoring im professionellen Frauenfußball

Ergebnisse einer Umfrage geben Einblick in die Praxis des Belastungsmonitorings professioneller Frauenmannschaften

Die Engländerin Jo Potter stellt ihren GPS-Tracker während der Trainingseinheit der englischen Frauen ein.
    • Belastungsmonitoring ist ein fester Bestandteil der täglichen Arbeit im professionellen Frauenfußball.
    • In der Sportwissenschaft kontrovers diskutierte „Trainingsmodelle“ werden häufig verwendet.
    • Real-Time Monitoring und maschinelles Lernen wird selten eingesetzt.
Abstract

Über den Einsatz und die Praktiken des Belastungsmonitorings im professionellen Frauenfußball ist im Vergleich zum Männerfußball relativ wenig bekannt. In der Studie von Luteberget et al. (2021) wurden 22 Spitzenklubs im Frauenfußball befragt, ob und in welcher Form sie ein Belastungsmonitoring in ihrer täglichen Praxis durchführen. Sämtliche Vereine, die an der Befragung teilgenommen haben, gaben an, ein regelmäßiges Belastungsmonitoring durchzuführen. In diesem Zusammenhang kommt eine Bandbreite an Methoden und Analysetechniken zum Einsatz, wobei Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen involviert sind. Die meisten Befragten gaben an, dass wissenschaftliche Trainingsmodelle verwendet und verschiedene Variablen zur Analyse und Interpretation der Daten berücksichtigt werden. Die sportwissenschaftlichen Mitarbeiter*innen sind am stärksten im Gesamtprozess eingebunden, während sich Trainer*innen und Sportmediziner*innen vordergründig bei der Auswahl und Interpretation der entsprechenden Belastungsparameter beteiligten. Die Studie beschreibt aktuelle Herausforderungen des Belastungsmonitorings im professionellen Frauenfußball und bietet eine fundierte Grundlage, um zukünftige Entwicklungen zu fördern und voranzutreiben.

Belastungsmonitoring im professionellen Frauenfußball

Das Interesse und die Bedeutung des Belastungsmonitorings im Training und im Wettkampf hat in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen [1]. Unter Belastungsmonitoring versteht man im Allgemeinen die Quantifizierung und Analyse von Trainingsbelastungen sowie den Transfer der Ergebnisse in die Belastungssteuerung [2]. Dabei besteht das vordergründige Ziel darin, das Training derart zu optimieren, dass trainingsinduzierte Beanspruchungen und die notwendige Regeneration in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Während einige Studien bereits gezeigt haben, dass das Belastungsmonitoring im Herren-Profifußball zur täglichen Praxis gehört [3, 4], liegen für den Frauenfußball kaum wissenschaftlich gesicherte Informationen vor.

Aspekte des Belastungsmonitorings

Um einen Überblick über das Belastungsmonitoring im professionellen Frauenfußball zu erhalten, wurden in der vorliegenden Studie 22 Profivereine aus sechs verschiedenen Nationalverbänden (Top-Ten-Ligen: FRA, GER, SWE, GB, ESP, ITA, NED) zu deren Strategien befragt. Die Befragung zielte auf drei Bereiche ab: 1.) Datenaufnahme – was wird erfasst und mit welchem Ziel, 2.) Analysemethoden – wie wird ausgewertet und 3.) Mitarbeiter – wer ist involviert.

Das Ergebnis 

Festzuhalten ist, dass alle befragten Profivereine ein Belastungsmonitoring etabliert haben. Dabei werden Daten zur Belastung (External Load) und/oder zur Beanspruchung (Internal Load) erhoben sowie Messergebnisse aus Diagnostiken vor und nach dem Training verwendet. Die meisten Klubs gaben an, das Monitoring im Kontext der Trainingsplanung, Leistungsbeurteilung und Rehabilitation zu nutzen. Mehrheitlich werden wissenschaftliche Trainingsmodelle (z. B. das „Fitness-Fatigue Model“ oder das „Acute to Chronic Workload Ratio“) als Unterstützung zur Belastungssteuerung genutzt. Lediglich 2 von 22 Vereinen nutzen Verfahren aus dem maschinellen Lernen. Weiterhin führen nur 6 von 22 Vereinen ein Belastungsmonitoring über sämtliche Trainingseinheiten durch (Real-Time Monitoring). Die meisten Vereine geben an, standardisierte Kleinfeldspiele als Setting zum Belastungsmonitoring anzuwenden.

Welche Daten werden erfasst und wofür?

Aus der Studie geht hervor, dass alle Klubs Trainingsdaten erheben. Rund 82% der Befragten nutzen verschiedene Messmethoden (z. B. GPS-basierte Trackingsysteme, Beschleunigungssensoren, subjektives Belastungsempfinden, Herzfrequenzmessung etc.) für verschiedene Zwecke (Trainingsplanung, Leistungsbeurteilung, Spielanalyse, Rehabilitation und Nachwuchsförderung). Es erscheint, notwendig die Belastung im Zusammenhang mit Kenngrößen der inneren Beanspruchung zu analysieren, um einen Trainingseffekt besser bewerten zu können [2]. Ein solches multivariates Vorgehen hat sich auch im männlichen? Profibereich etabliert [3, 4]. In dieser Studie zeigte sich aber auch, dass Kenngrößen der Beanspruchung (Internal Load) häufiger als Kenngrößen der Belastung (External Load) erfasst werden. Besonders im Nachwuchsbereich und in der Rehabilitation zeigt sich diese Diskrepanz. Die Autoren erklären sich das damit, dass die Verwendung von Positions- und Sensordaten (External Load) mit einem erheblich größeren finanziellen und personellen Aufwand verbunden ist.

Wie werden die Daten ausgewertet?

Um den Monitoringprozess zu verfeinern, gaben 86% der Profivereine an, zusätzliche Informationen, wie die Verletzungshistorie oder das Alter, zu verwenden. Die Autoren schlussfolgern, dass Kontextvariablen im professionellen Frauenfußball einen noch größeren Einfluss auf das Leistungslevel haben können, da Frauen oftmals einer zusätzlichen Belastung durch Beruf und Ausbildung ausgesetzt sind. Überhäufig gaben die Befragten an, wissenschaftliche Trainingsmodelle in ihren Analysen zu verwenden (ACWR, Fitness-Fatigue, Monotoniemodelle). Diese Trainingsmodelle beruhen auf mathematische Funktionen und bieten die Möglichkeit, die Gesamtbelastung bzw. deren Variation zu berechnen und abzuschätzen. Die Autoren merken jedoch an, dass diese Modelle in der Trainingswissenschaft umstritten sind und zuweilen recht heftig diskutiert werden. Aus ABB. 01 geht hervor, dass die befragten Profivereine eher auf standardisierte Trainingsformen (z. B. Kleinfeldspielformen) setzen, als auf eine Datenaufnahme über das komplette Training hinweg. Auch zeigt sich, dass die Mehrheit der befragten Klubs keine Methoden des maschinellen Lernens anwendet.

Welche Mitarbeiter arbeiten am Belastungsmonitoring

Ein recht spannendes Teilergebnis der Befragung war, dass Mitarbeiter aus mehreren Bereichen am Belastungsmonitoring beteiligt sind, wobei die Athletiktrainer in allen Phasen des Prozesses involviert sind. Trainer und Sportmediziner sind besonders gefragt, wenn es darum geht, zu entscheiden, welche Daten im Monitoring erfasst werden sollen und wie diese interpretiert werden. Die Autoren schließen daraus, dass ein interdisziplinärer Ansatz, also das Bündeln verschiedener Expertisen im Monitoring, von den Spitzenklubs bevorzugt wird. Die Expertisen müssen in der täglichen Trainingsarbeit jedoch auch zusammenfinden und miteinander kommunizieren. Das kostet Zeit – kann sich aber rentieren [5]. Für den Frauenfußball könnte das eine besondere Herausforderung darstellen, da in diesem Arbeitsumfeld häufig in Teilzeit gearbeitet wird.

Allgemeingültigkeit der Befragung

Die Befragung gibt einen Überblick und an einigen Stellen auch einen interessanten Einblick zum Einsatz vom „Load Monitoring“ im professionellen Frauenfußball. Andererseits lässt die Umfrage eine gewisse Systematik und Detailtiefe sowie Allgemeingültigkeit vermissen. Zudem geben die Autoren an, dass einige Validierungsschritte nicht vorgenommen wurden und verzichten auf eine inferenzstatistische Prüfung der Ergebnisse. Allgemeingültige Aussagen sollten folglich nur unter Vorbehalt abgeleitet werden.

Die Inhalte basieren auf der Originalstudie „Load monitoring practice in elite women association football", die 2021 in der Fachzeitschrift „Frontiers in Sports and Active Living" veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. Luteberget, L. S., Houtmeyers, K. C., Vanrenterghem, J., Jaspers, A., Brink, M. S., & Helsen, W. F. (2021). Load monitoring practice in elite women association football. Frontiers in Sports and active Living, 3, 715122.
    Studie lesen
    1. Bourdon, P. C., Cardinale, M., Murray, A., Gastin, P., Kellmann, M., Varley, M. C., Gabbett, T. J., Coutts, A. J., Burgess, D. J., Gregson, W., & Cable, N. T. (2017). Monitoring athlete training loads: consensus statement. International Journal of Sports Physiology and Performance, 12(Suppl 2), S2161-S2170.

    2. Impellizzeri, F. M., Marcora, S. M., & Coutts, A. J. (2019). Internal and External Training Load: 15 Years On. International Journal of Sports Physiology and Performance, 14(2), 270-273.

    3. Akenhead, R., & Nassis, G. P. (2016). Training Load and Player Monitoring in High-Level Football: Current Practice and Perceptions. International Journal of Sports Physiology and Performance, 11(5), 587-593.

    4. Houtmeyers, K. C., Vanrenterghem, J., Jaspers, A., Ruf, L., Brink, M. S., & Helsen, W. F. (2021). Load Monitoring Practice in European Elite Football and the Impact of Club Culture and Financial Resources. Frontiers in Sports and active Living, 3, 679824.

    5. Ekstrand, J., Lundqvist, D., Davison, M., D’Hooghe, M., & Pensgaard, A. M. (2019). Communication quality between the medical team and the head coach/manager is associated with injury burden and player availability in elite football clubs. British Journal of Sports Medicine, 53(5), 304-308.