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Das neue Wettspielformat im Test

Was bringt die Minifußball-Variante im Kinderfußball?

Talententwicklung
Eine Studie beschäftigt sich mit der Frage, was die Minifußball-Variante im Kinderfußball bringt.
    • 23 Spiele wurden im neuen Wettspielformat (3 gegen 3) und 16 Spiele in den etablierten Spielformen (7 gegen 7 bzw. 6 gegen 6) ausgeführt und hinsichtlich der Variablen Passen, Dribbeln, Torschüsse und Tore verglichen.
    • Die Analyse bestätigt einen signifikanten Effekt für den Faktor Spielform.
    • Im Vergleich der Spielformen traten beim neuen Format einzelne spielspezifische Aktivitäten sehr viel häufiger auf, was auf ein erhöhtes Involvement der Spielenden hindeutet.
Abstract

Die bundesweite Umsetzung der Wettspielreform im Kinderfußball ist in vollem Gange. Die neue Spielform basiert auf dem sogenannten Funiño und löst die bisherigen Wettbewerbsangebote ab der Saison 2024/2025 in den Altersklassen U6 bis U11 verbindlich ab. Bei dem neuen Format sollen alle Kinder auf dem Platz aktiver ins Spielgeschehen eingebunden werden als in den etablierten Kleinfeldspielformen. Sportwissenschaftler haben nun mit zwei U7-Mannschaften den Vergleich angetreten, ob dieses Ziel tatsächlich erreicht wird. Das Ergebnis: In der neuen Minifußball-Variante ist die Spielbeteiligung höher. Spielerinnen und Spieler passen, dribbeln, schießen und scoren häufiger als in etablierten Spielformen. Die Spielintelligenz wird damit besser gefördert.

7 gegen 7 oder lieber 3 gegen 3?

Es ist ein typisches Bild im Jugendfußball, wenn 14 Siebenjährige beim Fußballspielen auf dem Platz stehen: Viele bewegen sich in einem Pulk auf dem Spielfeld um den Ball herum und versuchen, ihn zu erobern. Andere halten sich trotz der Anweisungen des Trainers vom Geschehen fern, bis der Ball in ihren Verantwortungsbereich gelangt. „In beiden Fällen kommen die jungen Lernenden, die ihre fußballspezifischen Fähigkeiten und Taktiken entwickeln wollen, weniger mit dem Ball in Berührung und sind weniger am Spiel beteiligt“, sagt Dr. Heiko Lex (ehemals Institut für Sportwissenschaft der Universität Rostock). Können kleinere Spielformen das Involvement erhöhen? Gemeinsam mit seinem ehemaligen Kollegen Malte Simon und Dr. Sebastian Schwab vom Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln hat Lex in einer Studie die etablierten 7 gegen 7 und 6 gegen 6 Spielformen mit der neuen Wettspielform (3 gegen 3 auf vier Minitore) verglichen. Die Analyse sollte zeigen, ob kleinere Teams das Engagement der jungen Lernenden zum Üben von Fertigkeiten steigern.

Kleinfeldspiele fördern die Spielintelligenz

Sportpädagogisch steht die Idee dahinter, dass junge Spieler*innen umso mehr Spaß und Motivation entwickeln, je direkter sie in Spielsituationen eingebunden sind. Entscheidend dafür ist die Zahl der beteiligten Spieler: Weil mit weniger Spielern auf dem Feld die Spielbeteiligung deutlich steigt [1], können die Spielenden mehr fußballrelevante technische und taktische Fähigkeiten erwerben. Kleinfeldspiele eignen sich daher besonders gut, um Kinder und Jugendliche stärker zu fordern, verschiedene einfache und komplexe Entscheidungen in der Interaktion mit Gleichaltrigen in Teamsituationen zu treffen [2]. „Sie sammeln auf diese Weise erste praktische Erfahrungen, wann und wie sie technische Fertigkeiten einsetzen können“, erklärt Lex. „Sie werden sich auch der technischen Fähigkeiten bewusst, die entwickelt werden müssen, um im Spiel bewusst zu agieren.“

Funiño: Kleinere Teams, mehr Spielfelder

Die neue Wettspielform basiert auf dem sogenannten Funiño, welches von Horst Wein [3] insbesondere für das Kinder- und Jugendtraining entwickelt wurde. Standardmäßig ist das Spielfeld bei dieser 3 gegen 3 Variante 32 Meter lang und 25 Meter breit. Auf den beiden Grundlinien stehen jeweils zwei Tore, sechs Meter davor befindet sich die Schusszone. Tore dürfen nur innerhalb dieser sechs Meter breiten Endzone erzielt werden. Ein Team besteht aus drei Spielern auf dem Platz und einem Wechselspieler. Fällt ein Tor, wechseln beide Teams einen Spieler, in Rotation und immer in der Mitte des Spielfeldes. Das Ziel dieser Spielform, die in vielfältigen Varianten (zum Beispiel 3 gegen 1, 2 gegen 1, 3 gegen 2) gespielt werden kann: Die Kinder sollen viele Ballkontakte haben und mit ständig neuen technischen und taktischen Spielsituationen konfrontiert werden, um ihre Spielintelligenz zu trainieren, also Wahrnehmung, Antizipation, Kreativität und die Fähigkeit, Spielsituationen zu analysieren. In dieser kleinen Spielform lernen die Spielerinnen und Spieler sehr schnell, weil Spielsituationen regelmäßig wiederkehren und alle Spieler stets am Geschehen beteiligt sind.

Die neue Spielform im Test

Lex und seine Kollegen ließen U7-Mannschaften an zwei Standorten (Rostock und Köln) beide Spielformen spielen: 23 Spiele im neuen Format und 16 Spiele in den etablierten Spielformen. Gemäß den Regularien der beiden Landesverbände (Mecklenburg-Vorpommern und Mittelrhein) wurden davon sechs in Teams 7 gegen 7 und 10 in Teams 6 gegen 6. An beiden Spielorten bestanden die klassischen Spielform-Mannschaften aus 10 Spielern und die Minifußball-Teams aus fünf Spielern. Die Länge der Spiele variierte leicht: Während in Rostock die Spielzeit beider Spielformen 10 Minuten betrug, waren die ausgetragenen Partien in Köln in der neuen Spielform 12 Minuten und in der etablierten Spielform etwa 40 Minuten lang. Alle Spiele wurden per Video aufgezeichnet und die Spielereignisse gezählt und statistisch ausgewertet. Untersucht wurde die Häufigkeit des Spielgeschehens bei Ballbesitz (d. h. Passen, Dribbeln, Schießen und Torerzielungen) im Vergleich der beiden Spielformen auf technischer bzw. individualtaktischer Ebene.

2,5-mal mehr Torschüsse und doppelt so viele Dribblings

Das Ergebnis: In der neuen Spielform passen, dribbeln, schießen und scoren die jungen Spieler*innen im Durchschnitt häufiger als in den etablierten Spielformen. Die Analyse zeigt für jedes Spielereignis einen signifikanten Unterschied zwischen den Spielformen. Vor allem Torschüsse kommen in der Minifußball-Variante 2,5-mal so häufig vor wie in den etablierten Spielformen. Zudem wird in der neuen Spielform doppelt so viel gedribbelt. Für die Studienautoren sind die Ergebnisse ein Beleg dafür, dass bei weniger Spielern auf einem kleineren Spielfeld die Spieler durchschnittlich stärker in das Spielgeschehen eingebunden sind, weil mehr spielspezifische Aktionen stattfinden.

Im Jugendfußballtraining kommen Spielformen mit kleinen Teams zu 15,3 % während des Trainings und zu 24,8 % bei größeren Spielformen am Ende einer Trainingseinheit zum Einsatz, um den Wettkampf zu simulieren [4]. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass kleine Spielformen (3 gegen 3) schon im frühen Fußballtraining (U7) die technisch-taktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten fördern, wenn es als Wettkampfspielform gespielt wird“, sagt Lex. Werden Wettbewerbsspiele nach Funiño-Regeln gespielt, werde mehr Spielzeit in diesem Format realisiert und die Spieler*innen profitieren von mehr Ballkontakt und mehr technisch-taktischen Aktionen. „Sie können so ihre Fähigkeiten, neue taktische Lösungen durch aktive Entscheidungsfindung zu finden, besser entwickeln“, so Lex. Darüber hinaus würden fußballspezifische technische Fähigkeiten entwickelt, ohne dass körperliche Anpassungsprozesse verloren gingen; das heißt, die Spitzenleistung und die Gesamtarbeitsfähigkeit werde auf diese Weise verbessert. Der Trend zu mehr Entscheidungsaktivitäten pro Zeiteinheit werde durch eine Änderung des Wettspielformats von 6 gegen 6 oder 7 gegen 7 auf 3 gegen 3 weiter verstärkt.

Die Inhalte basieren auf der Studie Insights into the application of soccer-specific actions in established and new game forms of youth soccer”, die im „German Journal of Exercise and Sport Research” veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. Lex, H., Simon, M., & Schwab, S. (2022). Insights into the application of soccer-specific actions in established and new game forms of youth soccer. German Journal of Exercise and Sport Research, 52(1), 168-172.
    Studie lesen
    1. Jones, S., & Drust, B. (2007). Physiological and technical demands of 4 v 4 and 8 v 8 games in elite youth soccer players. Kinesiology, 39(2), 150-156.

    2. Gabbett, T., Jenkins, D., & Abernethy, B. (2009). Game-based training for improving skill and physical fitness in team sport athletes. International Journal of Sports Science & Coaching, 4(2), 273-283.

    3. Wein, H., & Schreiner, P. (2004). Entwicklung der Spielintelligenz im Fußball. Carolus-Sportverlag.

    4. O’Connor, D., Larkin, P., & Williams, A. M. (2018). Observations of youth football training: How do coaches structure training sessions for player development? Journal of Sports Sciences, 36(1), 39-47.