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Selbstvertrauensschub durch individuelle Highlight-Videos

Welchen Einfluss haben eigene Best-of-Videos vor Spielen auf Nachwuchsfußballer?

U 17-Nationalspieler Raul Paula erzielt einen Treffer im Testspiel Deutschland gegen Dänemark. ©2020 Cathrin Mueller/Getty Images for DFB
    • Vier Nachwuchsfußballer erstellten individualisierte Highlight-Videos (Länge: durchschnittlich 2 ½ Minuten) und schauten diese vor Wettspielen an.
    • Die Spieler bewerteten die Videos als hilfreich und gaben an, dass die Videos aus ihrer Sicht tendenziell zu einer Leistungsverbesserung geführt haben.
    • Die Videos führten zu einem erhöhten Selbstvertrauen und einer reduzierten negativen emotionalen Befindlichkeit.
    • Individuelle Highlight-Videos können heutzutage schnell und kostengünstig von Spielern und Trainern erstellt und fortlaufend angepasst und erneuert werden.
Abstract

Im Rahmen einer explorativen Studie haben Wissenschaftler untersucht, ob das Ansehen von eigenen Highlight-Videos von erfolgreichen Spielszenen die sportliche Leistung als auch psychologische Variablen (wie z. B. Selbstwirksamkeit und emotionale Befindlichkeit) beeinflusst. Dafür stellten vier Elite-Nachwuchsfußballer aus England ihr eigenes Best-of aus vorangegangen Spielen zusammen und betrachteten den Videozusammenschnitt unmittelbar vor dem nächsten Spiel. Es zeigte sich, dass zwei von vier Spielern hinsichtlich sportlicher Leistungsparameter profitieren und bei drei von vier Spielern negativ behaftete emotionale Befindlichkeiten abgeschwächt wurden. Dabei wirkten die Videos laut Studienautoren primär auf der psychologischen Ebene über eine Verstärkung des Selbstvertrauens und weniger über eine Verbesserung von technischen Fertigkeiten. Individualisierte Highlight-Videos können demnach als Ergänzung zu Team-Highlight-Videos genutzt werden.

Die Vorbereitung auf ein Spiel beginnt schon vor dem Aufwärmen

Das Vorhandensein von technischen Hilfsmitteln erlaubt es Spielern1 sich gezielter auf ein Spiel vorzubereiten, z. B. mit Videoanalyse über die Spielidee des Gegners, das Verhalten bei Standardsituationen oder motivierende Videos von eigenen Erfolgen, um das Selbstvertrauen zu stärken. So beginnt die Spielvorbereitung nicht erst mit dem (körperlichen) Aufwärmen, sondern bereits vorher mit dem gedanklichen Aufwärmen. Dabei werden insbesondere im (Jugend)Fußball vermehrt Videos (z. B. Highlight-Videos der bisherigen Saison) eingesetzt, da diese sich sowohl bei Trainern als auch bei Spielern großer Beliebtheit erfreuen. Ziel dabei ist, die Spieler zu unterstützen, die erfolgreichen Aktionen aus dem Video auch im Spiel unter Zeit- und Leistungsdruck abrufen zu können.

Individualisierte Video-Routine als Spielvorbereitung

Eigene Aktionen in Videos anzuschauen gilt als eine Form des Beobachtungslernens und wird mit erhöhter Motivation, verbesserten Bewältigungsstrategien und größerer Deutlichkeit in Bezug auf technische und taktische Vorgaben verbunden [1]. Aus diesem Grund erstellten die Studienautoren individualisierte Videoclips mit und für vier jugendliche Elite-Fußballspieler (Alter: 16-18 Jahre), die kurz vor dem Wechsel in den Erwachsenenbereich standen. Diese Fußballer gaben spezifische Fußballaktionen an, die sie verbessern wollten (z. B. den ersten Ballkontakt, Kopfbälle, Zweikampfführung, Passspiel). Für jede Aktion wurden bis zu fünf von den Spielern ausgewählte Szenen zusammengeschnitten, in denen sie die Aktion bestmöglich durchführten. Diese Videos wurden anschließend mit von den Spielern eigens ausgewählter Musik hinterlegt. Im Laufe der mehrwöchigen Studie konnten die Spieler ihr individuelles Video ‚updaten‘, sobald sie neue Highlights (Videos guter Aktionen) hinzufügen wollten.

Dreizehnwöchige Begleitung der Spieler

Verschiedene Leistungs- und psychologische Parameter wurden von den Spielern vor, während und nach Wettspielen (insgesamt 13 Spiele) erhoben. Zu den beobachteten Leistungsparametern zählt u. a die Quote an erfolgreichen Pässen, Zweikämpfen, Kopfbällen und Ballsicherungen. Zu den psychologischen Parametern zählen ein Selbstwirksamkeitsfragebogen sowie einen Fragebogen zur emotionalen Befindlichkeit [2]. Die individualisierte Video-Routine wurde für die Spieler nach vier (bzw. fünf, sechs, sieben) Spielen eingeführt, sie schauten die Videos ca. 60 – 90 Minuten vor dem Anpfiff. Die Videos dauerten im Schnitt 158 Sekunden. Jeder Spieler wurde im Anschluss an die Interventionsphase interviewt, um die Wirkung des Videos jenseits der obigen Parameter zu erfassen.

Höhere Selbstwirksamkeit, gute Aktionen

Die individualisierten Video-Routinen wirkten sich im Rahmen dieser explorativen Studie unterschiedlich auf die Fußballer aus. Während sich ein Spieler signifikant im Leistungsparameter ‚Kopfball‘ und ‚Zweikampf‘ verbesserte, konnte sich lediglich ein weiterer Fußballer im Leistungsparameter ‚Ballsicherung‘ verbessern, während die zwei restlichen Spieler sich nicht signifikant verbessern konnten. Dennoch gaben die Spieler insgesamt an, die Video-Routine als hilfreich anzusehen (Mittelwert = 4,6 (von max. 5)). Dabei vermuten die Autoren auf Grundlage der Interviews, dass die Videos nicht zu einer technischen Verbesserung geführt haben, sondern über psychologische Mechanismen (z. B. erhöhte Selbstwirksamkeit, Motivation) wirken. Dies zeige auch die Aussage eines Spielers: „Ich glaube nicht, dass sich meine Kopfballtechnik massiv verändert hat, vielleicht in kleinen Dingen. Ich fühle mich einfach sicherer [im Kopfballspiel] als vorher.“ Zudem zeigt sich eine Tendenz, dass die Videos negative emotionale Befindlichkeit abflachen können (bei drei von vier Spielern), allerdings nicht dazu führen, positive emotionale Befindlichkeit zu bestärken. Letztlich argumentieren die Autoren, dass die Videos auch die Fähigkeit zur Selbstregulation bei den Spielern bestärkten, also die Fähigkeit das eigene Verhalten bezogen auf selbst gesetzte Ziele zu steuern [3]. Dies ist interessant und hervorzuheben, da in einer anderen Studie die Fähigkeit zur Selbstregulation stärker ausgeprägt ist bei Spielern, die erfolgreich vom Jugend- in den Seniorenbereich wechseln (im Vergleich zu den Spielern mit nicht erfolgreichem Übergang [4]).

Individuelle Videos als Ergänzung zu Teamvideos

Die Studienautoren schlussfolgern, dass die individualisierten Highlight-Videos hochtalentierten (Jugend)Spielern insbesondere im Übergang vom Jugend- in den Seniorenbereich vor Spielen einen Selbstvertrauensschub geben, negative Gefühle und Gedanken abflachen und auf individueller Ebene eine Ergänzung zum körperlichen Aufwärmen und Teamvideobesprechungen sein können. Besonders hilfreich sei es laut einem teilnehmenden Fußballspieler gewesen, dass der Trainer als ‚Kritiker‘ die Aktionen im Video nicht bewerten und kommentieren konnte, da er sich das Video alleine angeschaut habe. Insofern könnte eine Daumenregel heißen: Je weiter weg vom Spiel (zeitlich gesehen), desto eher können kritische Aspekte und Fehler angesprochen werden, während je näher am Spiel, desto eher sollte der Fokus auf positiven Highlights liegen, um die Selbstwirksamkeit des einzelnen Spielers (und Teams) zu fördern.

Einfach umsetzbar – einfach experimentieren

Mittlerweile besitzt fast jeder ein Smartphone mit Kamera, Spiele werden auch im Jugend- und Amateurbereich aufgenommen und es ist vergleichsweise leicht zu erlernen, am PC oder Handy Videos zusammenzuschneiden und zu editieren, Musik zu hinterlegen und zu verschicken. So können Spieler eigenständig oder auch zusammen mit ihrem Trainer oder Teamkameraden persönliche Highlight-Videos erstellen und im Laufe der Saison ergänzen und je nach Saisonphase oder Spielgegner anpassen. Dies lässt sich bei Bedarf erweitern auf Mannschaftsteile wie z. B. die Abwehr, das zentrale Mittelfeld oder den Sturm.

Die Inhalte basieren auf der Originalstudie „A pre-match video self-modeling intervention in elite youth football.”, die 2020 im Journal “Journal of Applied Sport Psychology” veröffentlicht worden ist.


1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und da die Studie mit männlichen Fußballspielern durchgeführt wurde, wird im Text die männliche Form verwendet. Dies umschließt – sofern nicht explizit hingewiesen wird – ausdrücklich Personen jeden Geschlechts ein.

Literatur

  1. Middlemas, S., & Harwood, C. (2020). A pre-match video self-modeling intervention in elite youth football. Journal of Applied Sport Psychology, 32(5), 450-475.
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    1. Ives, J. C., Straub, W. F., & Shelley, G. A. (2002). Enhancing athletic performance using digital video in consulting. Journal of Applied Sport Psychology, 14(3), 237-245.

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    2. Breyer, B., & Bluemke, M. (2016). Deutsche Version der Positive and Negative Affect Schedule PANAS (GESIS Panel).

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    3. Landmann, M., Perels, F., Otto, B., & Schmitz, B. (2009). Selbstregulation. In Pädagogische Psychologie (pp. 49-70). Springer, Berlin, Heidelberg.

    4. Toering, T. T., Elferink-Gemser, M. T., Jordet, G., & Visscher, C. (2009). Self-regulation and performance level of elite and non-elite youth soccer players. Journal of sports sciences, 27(14), 1509-1517.

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