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Digital Detox vor dem Spiel!

Was Social Media und Video-Games mit der Gehirnleistung machen

Ein Spieler in der Umkleidekabine guckt auf sein Handy.
    • Social Media- und Videospiel-Nutzung 30 Minuten vor einem Wettspiel führte zu mentaler Ermüdung mit geringen Effekten.
    • Die kognitiven Fähigkeiten von mental ermüdeten Spielern wurden beeinträchtigt.
    • Reaktionszeit und Pass-Entscheidungen wurden durch den Einfluss von Social Media und Videospielen verschlechtert.
Abstract

Schnell noch einen Tweet absetzen oder Facebook-Nachrichten checken – soziale Medien gehören auch im Fußball zum Alltag. Eine experimentelle Studie hat herausgefunden, dass die Nutzung von Smartphones bis kurz vor einem Wettkampf ablenkt, die Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt und sich damit negativ auf die Leistung von Profifußballspielern auswirkt. Gleiches gilt für Videospiele. Die Studienautoren empfehlen: Digital Detox 30 Minuten vor Anpfiff.

Beeinflusst die Nutzung digitaler Medien die geistige Leistungsfähigkeit?

Grundsätzlich weiß die Neurobiologie noch wenig darüber, wie die häufige Nutzung von Smartphones und Spielekonsolen das Gehirn und seine Aktivitäten verändern. Erste Studien legen nahe, dass der digitale Medienkonsum nicht nur das Stresslevel erhöht, sondern auch die Leistungsfähigkeit des Gehirns beeinflusst. Doch wie genau, kann die Forschung noch nicht beantworten. Dafür fehlen noch große Langzeitstudien. Der Psychologe Adrian F. Ward konnte 2017 zeigen, dass Testpersonen, deren Smartphone neben ihnen lag, bei Testfragen schlechter abschnitten als Probanden, deren Handy in einem anderen Raum außer Reichweite war. Ward schlussfolgerte, dass allein der Gedanke an das bereitliegende Handy schon für geistige Ermüdung sorgte. Das Arbeitsgedächtnis im Gehirn – der präfrontale Cortex in der Großhirnrinde, der für die kognitiven Funktionen zuständig ist – sei so in Beschlag genommen, dass es in anderen Feldern wie der Entscheidungsfindung weniger leisten konnte [1].

Da auch im Profisport Smartphones in der Kabine und am Spielfeldrand längst dazugehören, ist für den Profifußball die Frage, welche Folgen die aktive Nutzung digitaler Medien für die geistige Leistungsfähigkeit hat, von entscheidender Bedeutung. Die Spieler müssen auf dem Spielfeld in Sekundenbruchteilen visuelle Informationen analysieren und klären, welche Aktionen in jeder Spielsituation möglich sind. Die Entscheidungsfindung ist ein komplexer kognitiver Prozess im Gehirn, der Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Antizipation und Arbeitsgedächtnis fordert [2, 3, 4]. Forscher der brasilianischen Universidade Federal do Paraíba haben deshalb in einer experimentellen Studie untersucht, ob digitaler Medienkonsum die kognitiven Fähigkeiten und motorische Leistung von Fußballspielern beeinflusst.

Testspiele mit 25 Profispielern der brasilianischen Liga

Die Versuche fanden vor insgesamt sechs Testspielen, jeweils in den 30 Minuten vor Spielbeginn statt. 25 brasilianische Profifußballspieler nahmen daran teil. Dafür wurden die Probanden in drei Gruppen eingeteilt: Die erste Gruppe fungierte als Kontrollgruppe und schaute sich während der halben Stunde vor dem Spiel passiv Werbefilme an. Die zweite Gruppe nutze währenddessen aktiv ihre Social-Media–Accounts wie Facebook und Instagram und die dritte spielte das Videospiel „FIFA 18“. Anschließend wurden aus den Gruppen zwei Teams gebildet, die ein 90-minütiges Fußballspiel absolvierten. Vor und nach jedem der sechs Testspiele prüften die Forscher die mentale Leistungsfähigkeit und analysierten die Pass-Entscheidungen der Studienteilnehmer während des Spiels.

Das Ergebnis: Die Spieler, die vor dem Spiel soziale Medien aktiv genutzt oder „FIFA 18“ gespielt haben, zeigten Leistungsbeeinträchtigungen. Durch die Ablenkung verschlechterte sich die Reaktionszeit und die Entscheidungsfindung beim Passspiel (geringer Effekt, Effektstärke h² = 0,5). Die Probanden der Kontrollgruppe, die sich nur passiv Werbefilme angesehen hatten, trafen hingegen bessere Pass-Entscheidungen. Weil die Rahmenbedingungen wie die Anzahl der insgesamt gespielten Pässe, physiologische Daten wie Flüssigkeitshaushalt und körperliche Beanspruchung der Spieler sowie Wetterbedingungen bei den einzelnen Versuchen ähnlich waren, führen die Forscher die beobachteten Leistungsbeeinträchtigungen auf die verstärkte mentale Ermüdung infolge der Mediennutzung zurück.

Digital Detox gegen mentale Ermüdung vor dem Spiel

Diese Ergebnisse bestätigen sportwissenschaftliche Erkenntnisse, dass kognitive Anforderungen geistige Ermüdung hervorrufen können, die zu ermüdungsbedingten Leistungsabnahmen während des Spiels führen [2]. „Bei höherer geistiger Müdigkeit konzentrieren sich Athleten üblicherweise länger auf ihre Gegner als auf ihre Teamkameraden“, schreiben die Forscher in ihrer Studie. „Sie achten weniger auf die Bewegung ihrer Mitspieler. Das beeinträchtigt ihre Passentscheidungen.“ 

Deswegen empfehlen die Forscher Trainern, die digitale Mediennutzung in der Kabine zu hinterfragen. Die Spieler sollten Smartphones und Spielekonsolen mindestens eine halbe Stunde vor einem Wettspiel beiseitelegen und sich nicht von Social Media-Nutzung und Video-Gaming ablenken lassen, um mentale Ermüdung vor dem Spiel zu vermeiden.  

Die Inhalte basieren auf der Studie “The effect of smartphones and playing video games on decision-making in soccer players: A crossover and randomised study”, die 2020 im “Journal of Sports Sciences” veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. Fortes, L. S., De Lima-Junior, D., Fiorese, L., Nascimento-Júnior, J. R., Mortatti, A. L., & Ferreira, M. E. (2020). The effect of smartphones and playing video games on decision-making in soccer players: A crossover and randomised study. Journal of Sports Sciences, 1-7.
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    1. Ward AF, Duke K, Gneezy A, Bos MW. Brain Drain: The Mere Presence of One’s Own Smartphone Reduces Available Cognitive Capacity. Journal of the Association for Consumer Research 2017 2:2, 140-154

    2. Smith, M. R., Thompson, C., Marcora, S. M., Skorski, S., Meyer, T., & Coutts, A. J. (2018). Mental fatigue and soccer: current knowledge and future directions. Sports Medicine, 48(7), 1525-1532.

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    3. Travassos, B., Araujo, D., Davids, K., Vilar, L., Esteves, P., & Vanda, C. (2012). Informational constraints shape emergent functional behaviours during performance of interceptive actions in team sports. Psychology of Sport and Exercise, 13(2), 216-223.

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    4. Gil-Arias, A., Moreno, M. P., García-Mas, A., Moreno, A., García-González, L., & del Villar, F. (2016). Reasoning and action: implementation of a decision-making program in sport. The Spanish Journal of Psychology, 19.

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