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Sensomotorisches Training – eine Alternative zur Verbesserung koordinativer und konditioneller Parameter

Interventionsstudie zum sensomotorischen Training im Nachwuchsspitzenfußball – positive Effekte auf Schnellkraft und Koordination

Sensomotorischen Training im Nachwuchsspitzenfußball hat positive Effekte auf die Schnellkraft und Koordination.
    • Sensomotorisches Training stimuliert die Integration propriozeptiver Informationen in die motorische Kontrolle.
    • Ein 12-wöchiges sensomotorisches Training hat positive Effekte auf die koordinativen Fähigkeiten beim Fußballspiel. Diese umfassen die Laufgewandtheit und Geschicklichkeit beim Dribbling.
    • Sensomotorisches Training hat einen positiven Effekt auf die Schnelligkeit beim Laufen.
    • Variation im Nachwuchsfußballtraining mit Elementen des sensomotorischen Trainings können gewinnbringend in die Aufwärmphase integriert werden.
Abstract

Leistungsdeterminanten im Spitzennachwuchsfußball sind mannigfaltig und umfassen neben technischen und taktischen vor allem koordinative und konditionelle Faktoren. In einer 12-wöchigen Interventionsstudie mit männlichen U12-Spielern des DFB-Talentförderprogramms wurde der Effekt eines sensomotorischen Trainings auf koordinative und konditionelle Faktoren untersucht. Das sensomotorische Training bestand aus Gleichgewichtselementen, die sportartspezifisch in das Aufwärmen integriert wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Antrittsschnelligkeit, die Laufgewandtheit und die Geschicklichkeit beim Dribbling durch sensomotorisches Training verbessert werden können.

Kompetenzen im Fußball

Das Fußballspiel enthält neben Kurzsprints schnelle Richtungswechsel und die präzise Ballkontrolle unter aufmerksamer Berücksichtigung der gegnerischen und eigenen Mitspieler. Es erfordert dabei neben taktischen und technischen Kompetenzen variantenreiche koordinative und konditionelle Fähigkeiten der Spieler*innen. Diese Fähigkeiten umfassen die Schnelligkeit und Ausdauer sowie die Laufgewandtheit und Ballgeschicklichkeit. Sie werden durch systematisches Training adressiert und progressiv verbessert. Insbesondere Kinder und Jugendliche zeigen während des motorischen Reifungsprozesses durch adäquate und variantenreiche Interventionen eine bemerkenswerte Plastizität und verzeichnen progressive Leistungsfortschritte. Die neuronale Kontrolle der Skelettmuskulatur der unteren Extremität hat dabei einen großen Einfluss auf die Qualität und Effizienz der sportlichen Leistung.

Sensomotorisches Training

Unter Berücksichtigung sensorischer Informationen bei der Ausführung der Zielmotorik haben sich Trainingskonzepte etabliert, die sensomotorische Prozesse stimulieren und auf die spezifische Verbesserung der Bewegungsqualität in neuronalen Zentren abzielen. Diese Trainingsprogramme werden zusammenfassend als sensomotorisches Training bezeichnet. Die wesentlichen Trainingsinhalte des sensomotorischen Trainings sind Gleichgewichtsübungen, die allein oder im Multitask mit Koordinations-, Kraft- oder Explosivkraftübungen kombiniert werden.

In einer 12-wöchigen Interventionsstudie mit männlichen U12-Spielern, die regelmäßig am DFB-Talentförderprogramm teilnahmen, wurde der Effekt eines in die Aufwärmphase integrierten sensomotorischen Trainings im Vergleich zu einem Kontrolltraining auf koordinative und konditionelle Faktoren untersucht. Ein- und Ausgangstest umfassten reliable Übungen mit und ohne Ball in realistischen Szenarien eines Fußballspiels.

Das Ergebnis 

Sensomotorisches Training wirkt sich positiv auf folgende leistungsrelevante Parameter im Fußballspiel aus:

  • Antrittsschnelligkeit (+ 4%),
  • Laufgewandtheit (+ 5%),
  • Geschicklichkeit beim Slalomdribbling (+ 8%).

Die aufgezeigten Adaptionen in der Antrittsschnelligkeit, Laufgewandtheit und Geschicklichkeit beim Slalomdribbling dokumentieren eine verbesserte Koordination in ausgewählten fußballrelevanten Paradigmen. Darüber hinaus zeigen signifikante Interaktionseffekte, dass eine Verbesserung der Gleichgewichtsfähigkeit mit einer Steigerung der technisch-motorischen Leistungsfähigkeit einhergeht. Die Inhalte des Talentförderprogramms mit Elementen des sensomotorischen Trainings sind also effizienter im Vergleich zu einem äquivalenten Training, das keine sensomotorischen Übungen enthält.

Perspektive und praktische Relevanz

Die vorliegende Studie liefert Hinweise drauf, dass sensomotorisches Training neben der evidenz-basierten Verletzungsprophylaxe auch zur Leistungssteigerung bei Nachwuchsathleten im Fußball dienen kann. Integriert in Talentförderprogramme können Nachwuchsspieler*innen durch sensomotorisches Training folglich im Zuge ihres Wachstumsprozesses dabei unterstützt werden, verletzungsfrei ein hohes Leistungsniveau zu erreichen. Die Implementierung von Gleichgewichtsübungen in das sportartspezifische Aufwärmprogramm ist einfach und bedarf keines zeitlichen Mehraufwands. Der Schweregrad ist leicht steuer- und beliebig steigerbar und kann daher individuell an das Leistungsniveau angepasst werden.

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Autorin des Textes ist Bewegungswissenschaftlerin Frau Prof. Dr. Ramona Ritzmann von der Universität Freiburg. Die Inhalte basieren auf der Originalstudie „Sensomotorisches Training verbessert die Gleichgewichtsfähigkeit, Geschicklichkeit und Schnellkraft bei U12 Fußball Kaderathleten.", die 2018 in der Fachzeitschrift „Leistungssport" veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. Ritzmann, R., Kranich, J., Krause, A., Becker, E., Freyler, K., & Gollhofer, A., (2018). Sensomotorisches Training verbessert die Gleichgewichtsfähigkeit, Geschicklichkeit und Schnellkraft bei U12 Fußballkaderathleten. Leistungssport. 49(2), 39-44.
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