Wissen
Spielersatztraining: Dem Risiko einer Unterbelastung begegnen
Studie vergleicht Trainings- und Wettspielbelastung sowie Belastung von Ersatz- und Startelfspielern
- Vier Tage vor dem Wettkampf (MD-4 = Match Day minus 4) wurden die höchsten Trainingsbelastungen erreicht.
- Mit jedem Tag, der näher an den Wettkampf heranrückte, reduzierte sich die Trainingsbelastung.
- Im Vergleich der Belastungsparameter zwischen Training und Spiel zeigten Beschleunigungswerte größere Ähnlichkeit als die Gesamtlaufdistanz und Tempoläufe.
- Das durchgeführte Spielersatztraining führte zu geringeren Trainingsbelastungen als das reguläre Training (MD-4).
- Ersatzspieler hatten eine niedrigere Gesamtbelastung als Startelfspieler.
Abstract
Gerade im vollen Wettkampfkalender europäischer Profivereine ist eine gute Belastungssteuerung im Training unerlässlich. Ein Forscherteam hat bei einer niederländischen Mannschaft der Eredivisie überprüft, wie hoch die Belastungen der Trainingseinheiten im Vergleich zu den Belastungen der Wettspiele sind. Dabei wurden neben traditionellen Belastungsparametern erstmals auch Beschleunigungswerte und Abbremsmanöver erhoben und ausgewertet. Ein zweites Forschungsziel bestand darin, die wöchentlichen Belastungen zwischen Startelfspielern und solchen Spielern zu vergleichen, die nicht oder nur kurz im Spiel eingesetzt werden. Das Spielersatztraining stand dabei besonders im Blickpunkt und ergab Defizite im Vergleich zur Belastung der Startelfspieler.
Ein Vergleich der Belastungsparameter zwischen Training und Spiel
Trainingssteuerung heißt auch Belastungssteuerung. Einerseits gilt es innerhalb einer Trainingswoche, in Abhängigkeit zu den verbleibenden Tagen bis zum nächsten Wettkampf, das richtige Maß an Belastungsintensität zu finden, andererseits auch eine zu große Variation der Trainingsbelastung von einer Woche auf die andere zu vermeiden.
Anhand verschiedener Trackingsysteme und Fragebögen sind in der Sportwissenschaft bereits eine Vielzahl von objektiven und subjektiven Belastungsparametern während des Trainings oder Wettkampfs erhoben worden [1, 2, 3]. Allerdings hat bislang keine Studie neben den gängigen Parametern wie Gesamtlaufdistanz und Sprintdistanz gleichzeitig berücksichtigt, wie häufig Beschleunigungen sowie Abbremsbewegungen durchgeführt wurden.
Ein Forscherteam um Tom Stevens hat aus diesem Grund mithilfe eines einheitlichen Trackingsystems (LPM = Local Position Measurement) verschiedene Belastungsparameter bei einem Profifußballteam aus der niederländischen Eredivisie während des Trainings und Spiels gemessen und miteinander verglichen. Darüber hinaus wurde das Spielersatztraining genau untersucht und der Trainingsbelastung von Spielern der Startelf gegenübergestellt.
Von Wochenrhythmen und Mikrozyklen
In die Analyse gingen nur die Trainingseinheiten ein, die innerhalb einer Saison (2014/15) stattgefunden haben. Da Topmannschaften häufig zwei Spiele pro Woche bestreiten, ergeben sich verschiedene wöchentliche Mikrozyklen mit einer unterschiedlichen Anzahl an Tagen und Trainingseinheiten zwischen den Wettkämpfen. Die Forscher haben darum für die Trainingseinheiten eine Klassifikation gewählt, welche die Anzahl der Tage vor dem nächsten Wettspiel beschreibt: Mit MD-2 (Match Day minus 2) ist beispielsweise das Training gekennzeichnet, das zwei Tage vor dem nächsten Wettkampf stattgefunden hat [vgl. 2].
In der Studie von Stevens wurden die Spieldaten bei zwei Freundschaftsspielen (2 x 45 Min.) und einem Trainingsspiel (2 x 30 Min., Werte auf 90 Min. hochgerechnet) mit dem gleichen LPM-System erhoben, das auch die Daten der Trainingseinheiten (N=76) aufgenommen hatte.
Trainingsbelastung vs. Wettspielbelastung
Im Vergleich „Training vs. Wettspiel“ unterschied sich die Belastung während des Spiels teils deutlich von der Trainingsbelastung. Abbildung 1 veranschaulicht den generellen Trend, dass die Belastungswerte der Trainingseinheiten sukzessive abfielen, je näher das Spiel an die jeweilige Trainingseinheit heranrückte (MD-4 > MD-3 > MD-2 > MD-1). Wohingegen die Studie von Tom Stevens und seinen Kollegen die höchste Trainingsbelastung bei der ersten Einheit der Woche (MD-4) gemessen hatte, fand einer anderen Studie zufolge die größte Trainingsbelastung am zweiten Trainingstag der Woche (vergleichsweise MD-4 und MD-3) [1] statt. Bei einer weiteren Studie ergaben sich hingegen kaum Trainingsbelastungsunterschiede zwischen den ersten drei Trainingstagen [2].
Wenn Profispieler während der Saison häufig (d. h. ein- bis zweimal pro Woche) Spitzenleistungen in Wettspielen abrufen müssen, bilden die Spiele selbst die wichtigsten physiologischen Belastungsimpulse. Intensiveres Konditionstraining lässt sich oft nur einmal in der Mitte eines vollständigen Mikrozyklus einfügen. Weil die anderen in Frage kommenden Trainingstage zeitlich zu nah an den Wettspielen liegen, würden sie entweder Anpassungsprozesse erschweren oder vor dem Spiel zu Ermüdung führen [4].
Lohnt sich der Blick auf Beschleunigungsdaten?
In Mannschaftssportarten gibt es derzeit noch wenig Übereinstimmung über die Verwendung von Beschleunigungsdaten, weil z. B. unterschiedliche Messsysteme und Schwellenwerte eingesetzt werden. In der vorliegenden Studie waren die im Training gemessenen Be- und Entschleunigungswerte den Spieldaten ähnlicher als die traditionellen Belastungsparameter Gesamtlaufdistanz und hochintensive Läufe (s. Abb. 01). Den Autoren zufolge ist dies ein gutes Argument, diese Werte auch zukünftig ergänzend aufzunehmen und auszuwerten.
Unterbelastung der Ersatzspieler
Bei den im Spiel nicht eingesetzten Profis wurden beim Spielersatztraining, das einen Tag nach dem Wettkampf stattfand, niedrigere Belastungswerte als bei den regulären Trainingseinheiten gemessen, an denen sowohl Startelfspieler als auch Ersatzspieler teilgenommen haben. Die nicht oder nur kurz im Spiel eingesetzten Spieler werden auch im Durchschnitt pro Woche bzw. Mikrozyklus weniger (z. B. Anteil an hochintensiven Läufen bis zu 30 % geringer) belastet als die Startelfspieler (s. Abb. 02).
Sicherlich sind die Untersuchungsergebnisse sehr mannschaftsspezifisch. Dennoch bleibt Grund zur Annahme, dass gerade bei Profis, die im Saisonverlauf seltener zum Einsatz kommen und regelmäßig statt der Spielbelastung die (geminderte) Belastung des Spielersatztrainings erfahren, die Gefahr einer dauerhaften Unterbelastung besteht.
Die Inhalte basieren auf der Studie "Quantification of in-season training load relative to match load in professional Dutch Eredivisie football players.", die 2017 in „Science and Medicine in Football" veröffentlicht wurde.
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Literatur
- Stevens, T. G., de Ruiter, C. J., Twisk, J. W., Savelsbergh, G. J., & Beek, P. J. (2017). Quantification of in-season training load relative to match load in professional Dutch Eredivisie football players. Science and Medicine in Football, 1(2), 117-125.Studie lesen
Akenhead, R., Harley, J. A., & Tweddle, S. P. (2016). Examining the external training load of an English Premier League football team with special reference to acceleration. Journal of strength and conditioning research, 30(9), 2424-2432.
Studie lesenMalone, J. J., Di Michele, R., Morgans, R., Burgess, D., Morton, J. P., & Drust, B. (2015). Seasonal training-load quantification in elite English premier league soccer players. International journal of sports physiology and performance, 10(4), 489-497.
Studie lesenAnderson, L., Orme, P., Di Michele, R., Close, G. L., Morgans, R., Drust, B., & Morton, J. P. (2016). Quantification of training load during one-, two-and three-game week schedules in professional soccer players from the English Premier League: implications for carbohydrate periodisation. Journal of sports sciences, 34(13), 1250-1259.
Studie lesenIssurin, V. B. (2010). New horizons for the methodology and physiology of training periodization. Sports medicine, 40(3), 189-206.
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