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Das Geheimnis von erfolgreichen Trainer*innen

Was macht die besten Trainer*innen im Hochleistungssport aus?

Trainerentwicklung
Hansi Flick im Austausch mit Thomas Müller
    • Der Trainer-Beruf ist eine vergleichsweise junge Profession, deren Professionalisierungswege wenig bekannt sind.
    • Persönlichkeitsprofil von 14 erfolgreichen Trainern (128 olympische Goldmedaillen) erstellt.
    • Weltklassetrainer lieben ihren Job, haben ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz und sind führungsstarke „Macher“ mit klaren Zielen.
    • 13 von 14 befragten Trainern hatten eine eigene Karriere als Leistungssportler.
    • Um den Posten des Cheftrainers richtig zu besetzen, gilt es auch den Menschen hinter dem „Trainer“ besser zu verstehen.
Abstract

Hinter Weltklasseathleten und Topmannschaften, die wiederholt Titel einfahren, stehen Spitzentrainer. Aber was macht sie so erfolgreich? Eine britisch-australische Untersuchung hat 14 der erfolgreichsten Trainer aus 11 Ländern und 10 Sportarten danach befragt. Aus den Interviewdaten geht ein spezifisches Persönlichkeitsprofil und eine Beschreibung der Erfolgsfaktoren, die Spitzentrainer zu ihren Höchstleistungen motivieren, hervor. Ihre Arbeitsweise lässt sich in drei Schlagwörter fassen: Ziele, Führung und Struktur. Die Erkenntnisse der Untersuchung tragen dazu bei, die Identifikation und Auswahl von Spitzentrainern zu erleichtern. 

Das Profiling von erfolgreichen Trainern

Längst geht es im Hochleistungsfußball nicht mehr nur einfach um ein „Spiel“. Erfolgreiche Trainer sind heute Spiel-Strategen, Manager und Psychologen. Sie müssen das Maximum aus ihren Athleten herausholen und sie zum Sieg führen [1,2]. Sie sind Leistungsträger, die auf der Bühne der internationalen und nationalen Wettbewerbe unter enormen Erfolgsdruck stehen [3]. Doch was zeichnet diese Erfolgstrainer aus? Welche Charaktereigenschaften haben sie, wie arbeiten sie, was motiviert sie und wie wurden sie so erfolgreich?

Diesen Fragen ist eine australisch-britische Studie erstmals auf den Grund gegangen. Weil der Trainer-Beruf eine vergleichsweise junge Profession und die notwendigen Qualifikationen noch kaum empirisch untersucht sind, ist wenig über die Professionalisierungswege bekannt. Meist zählen bei der Einstellung von neuen Trainern deren bisherige sportliche Erfolge [2, 4] und weniger ihre berufliche Ausbildung [5]. Häufig ist die Auswahl unsystematisch und basiert lediglich auf subjektiven Einschätzungen [6]. Zugleich ist das Profifußballgeschäft schnelllebig: Selbst angesehene Trainer müssen um ihren Job fürchten, wenn sie nicht regelmäßig Titel holen und werden häufig noch während der Saison oder kurz vor ihrem Ende entlassen. Mit enormen Kosten für die Vereine. In Australien wurden laut eines Sprechers der Australian Football League in den letzten fünf Jahren 31 Fußballtrainer vorzeitig entlassen – mit Abfindungssummen von insgesamt knapp 11 Millionen australischen Dollar.

Die Studienautoren machen für diese Entwicklung auch mangelndes Forschungswissen verantwortlich. Zu wenig weiß man darüber, wie Organisationen bessere Entscheidungen bei der Auswahl, der Einstellung und der Entwicklung von Hochleistungstrainern treffen können. Um diese Lücke zu schließen, geht die Studie dem Menschenbild von erfolgreichen Trainern nach.

Wie sind die Forscher vorgegangen?

Die Studienautoren haben 14 der erfolgreichsten Trainer der Welt (128 olympische Goldmedaillen) aus 11 Ländern und 10 Sportarten (darunter 5 Mannschaftssportarten) interviewt und die Datensätze mit Aussagen ihrer betreuten Athleten ergänzt. Thematisch wurden die Trainer über ihren Lebensweg, tägliche Routinen, Meilensteine in der persönlichen Entwicklung sowie zentralen Herausforderungen befragt und verschiedene Persönlichkeitsdimensionen (Fünf-Faktoren-Modell: Aufgeschlossenheit, Perfektionismus, Extraversion, Verträglichkeit, Neurotizismus (emotionale Labilität)) erfasst.

Die Erkenntnisse: Spitzentrainer sind führungsstarke Macher mit klaren Zielen

Im Vergleich mit anderen Erwachsenen zeigen die befragten Trainer nach Auswertung der Selbstauskünfte ein deutliches Charaktereigenschaften-Profil: Sie sind Optimisten, die ihre Arbeit lieben, können ihre Gefühle und Emotionen kontrollieren (Impulskontrolle) und sind „Macher“, fokussiert auf die gesetzte Zielstellung. Sie haben eine klare Vorstellung davon, was sie erreichen wollen und bringen dafür den nötigen Willen und Arbeitseifer mit. Generell können sie gut mit Stress umgehen und sind problemlösungsorientiert statt über Herausforderungen nachzudenken. Das Persönlichkeitsprofil der analysierten Trainer hat auch gezeigt, dass sie anregende Diskussionen mit Kollegen schätzen und sich ständig weiterbilden, um Neues zu lernen. Darüber hinaus sind sie selbstsichere Entscheidungsträger und sehen sich häufig als Leader, die ihre Mitmenschen für eine Sache gewinnen können. Schließlich sind die befragten Trainer klar leistungsorientiert und kanalisieren ihre Anstrengungen so, dass sie der Entwicklung und dem Erfolg ihrer Athleten zugutekommen und/oder der Förderung ihrer eigenen Bedürfnisse und Anerkennung als Coach dienen.

Visionär, zielorientiert, einfühlsam und stressresistent

Aus den Interviews mit Trainern und Athleten ergaben sich drei Kernthemen, die Erfolgstrainer auszeichnen: Sie setzen Ziele, sehen das große Ganze, verstehen die Komplexität und sind fähig, sie in handhabbare Bausteine einzuteilen und Strategien für ihre Umsetzung zu entwickeln. Zudem setzen sie auf Führung und vermitteln Mitarbeitern wie Athleten den für die erfolgreiche Umsetzung notwendigen Glauben an ihn, an sich und an das Team. Schließlich schaffen sie die dafür notwendigen Strukturen (s. ABB. 01).

Darstellung der Kernthemen, die einen Erfolgstrainer auszeichnene: Vision/Ziele setzen, Führungsqualitäten und Strukturen schaffen.
Darstellung der Kernthemen, die einen Erfolgstrainer auszeichnene: Vision/Ziele setzen, Führungsqualitäten und Strukturen schaffen.

Was ein Erfolgstrainer dafür mitbringen muss, ist ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz, um anbahnende Probleme vorausschauend erkennen zu können, frühzeitig Lösungen zu finden und um sich im Umgang mit anderen und im Konfliktmanagement an Mitarbeiter und Athleten anpassen zu können. Der Umgang mit hohem Druck, verfestigten Hierarchien und unvorhergesehenen Entwicklungen erfordert Widerstandsfähigkeit und eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Um mit dem hochkomplexen dynamischen Setting zurecht zu kommen und zugleich seine Ziele zu erreichen, bezeichnen viele Erfolgstrainer ihren Führungsstil als kollaborativ. Interessanterweise beschreiben die ebenfalls danach befragten Athleten ihre Trainer als „gute Diktatoren“, die zwar zuhören, aber letztlich das Sagen haben (s. TAB. 01).

Weitere wichtige Grundsteine für die Trainer-Karriere sind: Im Elternhaus geprägte Vorstellungen zur Arbeitseinstellung, lebenslangem Lernen und frühem Bestreben Coachen zu wollen. 

Darstellung des Gesamtbilds, das einen Weltklasse-Trainer auszeichnet.
Darstellung des Gesamtbilds, das einen Weltklasse-Trainer auszeichnet.
Eigene Karriere als Leistungssportler ist hilfreich für den Weg zum Spitzentrainer

Die meisten der befragten Trainer waren selbst Leistungssportler. Acht von 14 hatten internationales Niveau, fünf waren auf nationalen Ebenen aktiv. Nur einer hatte keine Sportlerkarriere hinter sich (das Verhältnis aus Sportlerkarriere vs. keine Sportlerkarriere bei weniger erfolgreichen Trainern war nicht Gegenstand der Untersuchung). Die meisten sahen diese persönliche Vorerfahrung nicht als notwendig, aber doch hilfreich an, um sich in die Athleten besser hinein zu versetzen, das nötige Fachwissen aufzubauen, bei ihren Athleten glaubwürdiger erscheinen zu können.

Entscheidungshilfen für die Personalauswahl

Um den Posten als Cheftrainer richtig zu besetzen, gilt es bei der Personalsuche den Menschen hinter dem Trainer besser zu verstehen und ihre Persönlichkeit zu kennen. Nur so lassen sich potenzielle Spitzentrainer identifizieren, auswählen und entwickeln.

Die Inhalte basieren auf der Studie "Serial winning coaches: people, vision, and environment.”, die 2016 im "Sport and Exercise Psychology Research" veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. Mallett, C. J., & Lara-Bercial, S. (2016). Serial winning coaches: people, vision, and environment. In Sport and Exercise Psychology Research (pp. 289-322). Academic Press.
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    1. Kristiansen, E., & Roberts, G. C. (2010). Young elite athletes and social support: Coping with competitive and organizational stress in “Olympic” competition. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 20(4), 686-695.

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    2. Mallett, C., & Côté, J. (2006). Beyond winning and losing: Guidelines for evaluating high performance coaches. The Sport Psychologist, 20(2), 213-221.

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    3. Gould, D., Greenleaf, C., Guinan, D., & Chung, Y. (2002). A survey of US Olympic coaches: Variables perceived to have influenced athlete performances and coach effectiveness. The sport psychologist, 16(3), 229-250.

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    4. Trudel, P., & Gilbert, W. (2006). Coaching and coach education. Handbook of physical education, 516-539.

    5. Mallett, C. J., Rossi, T., Rynne, S. B., & Tinning, R. (2016). In pursuit of becoming a senior coach: the learning culture for Australian Football League coaches. Physical Education and Sport Pedagogy, 21(1), 24-39.

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    6. Fernández-Aráoz, C., Groysberg, B., & Nohria, N. (2009). The definitive guide to recruiting in good times and bad.