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Die Messung des Wohlbefindens im Profifußball

Wie man Wohlbefinden messen und für die Trainingsplanung einsetzen kann

Thomas Müller und die Trainer Thomas Schneider und Jogi Loew sprechen nach einer Trainingseinheit der deutschen Nationalmannschaft. (Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)
    • Es gibt einen Zusammenhang zwischen wahrgenommenem Wohlbefinden und den Trainingsleistungen bei Spitzenfußballern.
    • Wenn das Wohlbefinden eines Spielers vermindert ist, ist er schlechter in der Lage, Maximalgeschwindigkeitsstrecken im Training zu absolvieren.
    • Trainer können das Wohlbefinden ihrer Spieler per Fragebogen systematisch überwachen und dadurch wichtige Informationen über deren zu erwartende Trainingsleistungen erhalten.
Abstract

Sportwissenschaftler haben einen digitalen Fragebogen entwickelt, der das persönliche Wohlbefinden von Profifussballern evaluiert. Vor jedem Training oder Spiel wurden 48 Fußballprofis nach Kategorien wie Muskelkater, Schlafqualität, Müdigkeit, Stress und dem Energielevel befragt. Auf einer Sieben-Punkte-Skala konnten die Spieler ihre Selbsteinschätzung dokumentieren. Anschließend wurden die Bewegungsdaten der Spieler während des Trainings per GPS aufgezeichnet und zusammen mit der Selbsteinschätzung statistisch ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Spieler sich am Tag des Spiels selbst gut fühlen, ihr Wohlbefinden danach aber deutlich reduziert war. Spieler, die sich laut Fragebogen nicht gut fühlten, hatten während des Trainings unter anderem ihre Maximalgeschwindigkeit und ihre Laufleistung unter hohem Tempo reduziert und ihre Bewegungsverhalten angepasst. Trainern kann die systematische Abfrage des Wohlbefindens wichtige Informationen über die zu erwartenden Leistungen seiner Spieler geben. Dies kann ihm helfen, den Trainingsplan entsprechend anzupassen und damit Verletzungsmöglichkeiten zu vermeiden.

Welche Auswirkungen hat das subjektive Wohlbefinden auf die sportliche Leistung von Profifußballern?

Diese Frage ist für jeden Trainer interessant, denn ein Ungleichgewicht zwischen Trainingsbelastung und der anschließenden Regenerationsphase der Spieler kann zu einer langfristigen Verringerung der sportlichen Leistung führen. Das will und muss ein Trainer natürlich vermeiden. Darum wird Überwachungsinstrumenten, die den Ermüdungsstatus von Sportlern anzeigen, in den letzten Jahren zunehmend mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Doch welche Rolle spielt das Wohlempfinden der Spieler dabei, und wie könnte man dieses subjektive Gefühl messen?Diese Fragestellung untersuchte eine europäische Forschungsgruppe unter der Leitung von Shane Malone vom irischen Institute of Technology in Tallaght. Das Team wollte den Einfluss des individuellen Wohlbefindens jedes einzelnen Spielers auf dessen Trainingsleistung verstehen und beobachtete dazu 48 Profifußballer, die auf höchsten Ebene des europäischen Wettbewerbs (Portugiesische Erste Liga und Champions League) miteinander konkurrieren, über die gesamte Saison 2014/15 hinweg.Dafür entwickelte das Team einen Fragebogen als zeiteffiziente und invasive Methode, um regelmäßige Informationen über das aktuelle Wohlbefinden und die allgemeine Trainings- und Wettkampfbereitschaft eines Spielers zu erhalten, die besonders während der Wettkampfphase wichtig sind.Die 48 Spieler – alle zwischen 22 und 28 Jahre alt –  wurden dazu in zwei Teams aufgeteilt. Vor jedem körperlichen Training wurden sie gebeten, einen individuellen Fragebogen auf dem iPad auszufüllen, in dem sie ihr persönliches Wohlbefinden bewerten konnten. Die fünf Elemente Muskelkater, Schlafqualität, Müdigkeit, Stress und das persönliche Energielevel konnten sie auf einer Sieben-Punkte-Skala von 1 (stark abweichend) bis 7 (stark übereinstimmend) beurteilen. Ihre Antworten wurden summiert und mit den anschließend im Training gemessenen Leistungen verglichen. In 460 Trainingseinheiten wurden so insgesamt 22.080 Daten über die gesamte Saison hinweg erhoben.

Welche Daten wurden beim Training auf dem Spielfeld gemessen?

Die Spieler trugen ein GPS-Gerät mit Beschleunigungssensoren. Nach jedem Training wurden die GPS-Daten ausgelesen und den Kategorien Gesamtdistanz, Gesamtgeschwindigkeit, Sprintgeschwindigkeit, Maximalgeschwindigkeit, Distanz der Maximalgeschwindigkeit und Belastung pro Spieler zugeordnet. Die maximale Laufgeschwindigkeit wurde außerdem über mehrere elektronische Doppellichtschranken ermittelt, die am Spielfeldrand platziert wurden.Die Daten des Wohlbefindens und die Beschleunigungsdaten des GPS-Geräts wurden zusammengeführt und ausgewertet. Die daraus konstruierte Abbildung (Abb. 1) hat gezeigt, dass der errechnete Wohlfühlfaktor Z am Spieltag beim höchsten Wert (0,85 ± 0,24) liegt und am Tag nach dem Spiel auf den niedrigsten Wert (-1,99 ± 0,38) abfällt. Fünf Tage vor dem nächsten Spiel steigt der Wohlfühlfaktor wieder an, bis er am siebten Tag, dem folgenden Spieltag, wieder den Höchstwert erreicht, um anschließend erneut steil abzufallen. Die Autoren bemerkten an dieser Stelle, dass der gemessene Wohlfühlfaktor Z auch von der ehrlichen Selbsteinschätzung der Spieler abhängt und gerade am Spieltag durch ein persönliches Interesse der Spieler beeinflusst sein könnte.

Der wöchentliche Verlauf des Wohlfühlfaktors Z wird an jedem Tag zwischen zwei Spielen angezeigt. Am niedrigsten ist Z an Tag 1 nach dem Spiel und am höchsten am Spieltag.
Der wöchentliche Verlauf des Wohlfühlfaktors Z wird an jedem Tag zwischen zwei Spielen angezeigt. Am niedrigsten ist Z an Tag 1 nach dem Spiel und am höchsten am Spieltag.
Was bedeutet das Ergebnis?

Die Studie zeigt, dass ein Rückgang des Wohlbefindens bei Profifußballern – statistisch gesehen – wahrscheinlich negative Auswirkungen auf eine Reihe von Laufleistungsvariablen beim Training und beim Wettkampf haben kann: Etwa auf die Länge der Strecke, auf der der Spieler mit Höchstgeschwindigkeit läuft, auf seine maximale Geschwindigkeit insgesamt und pro Minute und die Belastung des Spielers bei maximaler Geschwindigkeit.Sehr wahrscheinlich negative Auswirkungen hat ein niedrigeres Wohlbefinden auf die Beanspruchung des Spielers bei Maximalgeschwindigkeitssprints und auf die Gesamtbelastung (Vektorprodukt aus Bewegungsänderungen der drei Bewegungsebenen) bei gemäßigtem Tempo.Cormack et al. 2013 zeigten in ihrer Studie, dass australische Fußballspieler, trotz ermüdetem Zustand, in der Lage waren, die Gesamtlaufleistung und gelaufene Strecke unter hoher Geschwindigkeit, während eines Wettkampfs, aufrechtzuerhalten [1]. Im Gegensatz dazu zeigen die Ergebnisse dieser Studie jedoch, dass Spieler mit einem Z-Wert von -1 sowohl die Geschwindigkeit als auch die maximale Laufleistung während des Trainings reduziert haben. Es ist daher denkbar, dass Spieler, die sich nicht fit fühlen, eine veränderte Bewegungsstrategie in die Trainingseinheiten einfließen lassen.Sie können ihre Laufleistung im Hochgeschwindigkeits- und Maximalgeschwindigkeitsbereich reduzieren, trotzdem aber die Gesamtlaufleistung während des Spiels oder Trainings insgesamt beibehalten.Die Frage für den Trainer ist nun, wie er auf die gewonnenen Ergebnisse reagieren und das Trainingsprogramm unter Berücksichtigung des Wohlfühlfaktors verbessern kann. Wobei auch andere Faktoren wie der Spiel-zu-Spiel-Mikrozyklus und die Coaching-Philosophie mit hineinspielen, wie die Autoren der Studie erörtern. Eine konkrete Antwort auf die Veränderungsmöglichkeiten des Trainingsplans geben die Autoren aber nicht, weisen lediglich auf die Verwendung des Wohlfühl-Faktors als Indikator für Müdigkeit hin.Sie erläutern, dass die Anwendung von Wohlfühl-Fragebögen im australischen und neuseeländischen Hochleistungssport mittlerweile weit verbreitet ist, und dass 8O % der Befragten Wohlfühl-Fragebögen mit maßgeschneidertem Design verwenden. Dabei schränken sie ein, dass Ihre Studie ein erster Anfang sei und die hier beschriebenen Modelle eine Kreuzvalidierung mit vergleichbaren Datensätzen erfordern würden. Deshalb befürworten sie zukünftige Längsschnitt-untersuchungen, um ihrer Hypothese, dass das Wohlbefinden die Trainingsleistung von Spitzenfußballern beeinflusst, mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Die Inhalte basieren auf der Originalstudie "Wellbeing perception and the impact on external training output among elite soccer players.", die 2018 im "Journal of science and medicine in sport" veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. Malone, S., Owen, A., Newton, M., Mendes, B., Tiernan, L., Hughes, B., & Collins, K. (2018). Wellbeing perception and the impact on external training output among elite soccer players. Journal of science and medicine in sport, 21(1), 29-34.
    Studie lesen
    1. Cormack SJ, Mooney MG, Morgan W, McGuigan MR. Influence of Neuromuscular Fatigue on Accelerometer Load in Elite Australian Football Players. Int J Sports Physiol Perform. Juli 2013;8(4):373–8.