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Schneller im Kopf
Wie hängen Denkvermögen und fußballerische Leistung zusammen?
- Untersucht wurden die exekutiven Funktionen und die fußballerische Leistung von 176 männlichen Profifußballspielern eines deutschen Erstligisten aus den U12- bis U23-Kadern.
- Exekutive Funktionen bestehen aus den Teilkomponenten kognitive Flexibilität (schnelles Umschalten), Inhibition (Impulskontrolle) und Arbeitsgedächtnis.
- Sie ermöglichen es Spielern, zwischen verschiedenen kognitiven Anforderungen zu wechseln, sich auf Ereignisse antizipierend vorzubereiten und sich von Störungen nicht ablenken zu lassen.
- Kognitive Flexibilität scheint signifikant mit der Fußballleistung verbunden zu sein. Die beiden anderen Teilkomponenten – Inhibition und Arbeitsgedächtnis – scheinen es hingegen nicht zu sein.
- Das Alter kann die Beziehung zwischen kognitiver Flexibilität und Fußballleistung beeinflussen. Das Training der kognitiven Flexibilität kann bei jüngeren Spielern möglicherweise einen größeren Effekt haben als bei jüngeren Spielern.
Abstract
Wenn die motorische Schnelligkeit von Fußballspielenden austrainiert ist, könnte dann ein Training der kognitiven Flexibilität zu weiteren Leistungssteigerungen führen? Wie die sogenannten exekutiven Funktionen, flexibel zu denken (kognitive Flexibilität), störende Impulse auszublenden (Inhibition) und neue Informationen schnell umzusetzen (Arbeitsgedächtnis) mit der sportlichen Leistung zusammenhängen, hat eine Studie genauer untersucht. Das Ergebnis: Die kognitive Flexibilität ist eine wichtige Determinante der Fußballleistung bei jugendlichen Spielern, aber dieser Zusammenhang verliert sich mit zunehmendem Alter als Vorhersagefaktor für gute Leistungen im Fußball.
Schnelles und langsames Denken
Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman unterteilt unser Denken in zwei Teile: das mühelose, schnelle Denken ohne willentliche Steuerung und das bewusste, aufmerksame, Konzentration erfordernde, langsame Denken [1]. Im Fußball wird beides gebraucht. Wem es in Drucksituationen gelingt, einen Freistoß zu verwandeln, handelt intuitiv und greift dabei ganz automatisch auf lang erlernte Handlungsweisen zurück. Zugleich muss ein leistungsstarker Fußballspieler permanent vorausdenken und dem Spiel voraus sein, um Situationen optimal zu bewältigen, die nicht durch erlernte Automatismen gelöst werden. Dieses bewusste Denken ist Arbeit für unser Gehirn, kostet Energie und ist vergleichsweise anstrengend, weshalb 90 Prozent unseres Denkens unterbewusst reguliert werden. Die Sportpsychologie beschäftigt nun die Frage, ob sich das bewusste, langsame Denken beschleunigen und sich so die sportliche Leistung optimieren lässt. „Wir wissen, dass die körperliche Leistungsfähigkeit nicht unendlich verbessert werden kann“, sagt Lena Radke vom Institut für Psychologie der Universität Heidelberg. Könnte dann ein gezieltes Training der kognitiven Prozesse zu weiteren Leistungsvorsprüngen führen?
Exekutive Funktionen und Spielintelligenz
An dieser Stelle kommen die sogenannten exekutiven Funktionen ins Spiel. Sie steuern, vereinfacht gesagt, unser zielgerichtetes Verhalten unter Berücksichtigung der situativen Gegebenheiten. Sie werden immer dann eingesetzt, wenn automatisiertes Handeln zur Problemlösung nicht mehr ausreicht [2]. Dazu gehören drei unabhängig voneinander arbeitende Komponenten: kognitive Flexibilität (schnelles Umschalten), Inhibition (Impulskontrolle) und Arbeitsgedächtnis.
Die Neurowissenschaft beschreibt [3] kognitive Flexibilität als die Fähigkeit, schnell umzuschalten und sich auf neue, wechselnde Situationen und Anforderungen einstellen zu können und sich diesen anzupassen. Inhibition beschreibt die Fähigkeit, impulsive oder automatische Reaktionen zu kontrollieren oder zugunsten einer situationsangemessenen Reaktion zu unterdrücken. Sie ermöglicht Antizipation, Planung und Zielsetzung. Das Arbeitsgedächtnis ist ein Mechanismus, um neue Informationen kurzfristig für laufende Aufgaben bereitzuhalten und sie mit bekanntem Wissen im Langzeitgedächtnis zu synchronisieren.
Zusammengefasst erlauben die exekutiven Funktionen zwischen verschiedenen kognitiven Anforderungen zu wechseln, sich auf Ereignisse antizipierend vorzubereiten und sich von Störungen nicht ablenken zu lassen. Im Sport spricht man auch von Spielintelligenz, die für sportliche Leistung gerade im Mannschaftsleistungssport wesentlich ist. Verschiedene Studien – sowohl mit jugendlichen als auch mit älteren Teilnehmenden – berichten, dass höher qualifizierte Sportler*innen bei Testungen der kognitiven Funktionen besser abschneiden als Sportler*innen niedrigerer Leistungsniveaus oder Amateur*innen [4, 5, 6].
Wie hängen kognitive und körperliche Leistungen zusammen?
Obgleich vielfach untersucht, ist noch nicht klar, welcher der drei kognitiven Mechanismen in ihrem Zusammenspiel beim bewussten Denken für die sportliche Leistungsverbesserung besonders wichtig ist. „In einem Umfeld mit annähernd gleichen körperlichen Leistungsniveaus könnten diese kognitiven Aspekte einen entscheidenden Unterschied ausmachen und womöglich gezielt trainiert werden“, sagt Radke. Zudem deuten Tests mit Tennisspieler*innen [7] und Fußballspieler*innen [8] daraufhin, dass hohe kognitive Leistungswerte mit späteren Erfolgen im Leistungssport zusammenhängen könnten – zum Beispiel gemessen an der Anzahl der Tore und Assists, die die Studienteilnehmer zwei Spielzeiten später erzielten [8]. Auch weiß die Neurowissenschaft noch wenig darüber, wie sich die kognitiven Mechanismen von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter entwickeln – ein interessanter Aspekt für das Kognitionstraining im Fußball.
Fußballspieler aus den U12- bis U23-Kadern eines Bundesligisten getestet
Um Antworten zu finden, haben Radke und ihr Forschungsteam 176 männliche Profifußballspieler eines deutschen Erstligisten in ihre Studie eingebunden. Die Altersspanne der Studienteilnehmer reichte von 10,8 Jahren bis zu 37,1 Jahren und war damit im Vergleich zu früheren Studien ziemlich breit, was einen zuverlässigen Befund dafür erwarten lässt, wie sich Altersunterschiede auf die kognitive Leistung auswirken.
Die Datengrundlage bestand aus diagnostischen Testergebnissen sowie zwei verschiedenen Leistungsbewertungen. Die drei Komponenten der exekutiven Funktionen wurden bei den Studienteilnehmern mithilfe diagnostischer Testverfahren (Determinationstest, Reaktionshemmung INHIB und H-MOT) gemessen. Ihre fußballerische Leistung wurde von drei Trainern bewertet, die die Spiel- und Trainingsleistung in Bezug auf erreichte Ergebnisse (z.B. Anzahl erzielter Tore) sowie technische, taktische und körperliche Fähigkeiten beurteilt haben. Ergänzend zu dieser subjektiven Einschätzung wurde die Leistung der Spieler objektiv im Footbonaut (eine Trainingsanlage, die hilft, die Handlungsschnelligkeit der Spieler zu verbessern) gemessen.
Schnelles Umschalten ist eine Schlüsselkomponente für die fußballerische Leistung
Die Studienergebnisse bestätigen: Das bewusste Denkvermögen ist entscheidend, um besseren Fußball zu spielen. Kognitive Flexibilität, also die Fähigkeit, schnell umzuschalten und sich an unterschiedliche Spielsituationen anzupassen, ist demnach signifikant mit der Fußballleistung verbunden (d. h., diese wird positiv beeinflusst). Die beiden anderen Teilkomponenten – Inhibition und Arbeitsgedächtnis – zeigten dagegen keinen signifikanten Zusammenhang mit der Fußballleistung.
„Auf den ersten Blick überrascht der Befund“, heißt es in der Studie. Während die Forschung zum Zusammenhang von sportlicher Leistung und Inhibition, also der Fähigkeit, sich trotz äußerer Störreize auf eine Aufgabe zu konzentrieren, bislang keine eindeutigen Aussagen liefern konnte [6, 8], gilt die Kapazität des Arbeitsgedächtnis als wichtiger Faktor für die Leistung. Allerdings, so argumentieren die Studienautor*innen, waren die zugrunde liegenden Studiendesigns bisheriger Forschungsarbeiten sehr unterschiedlich, so dass sich die Erkenntnisse nicht ohne weiteres über verschiedene Altersgruppen hinweg verallgemeinern lassen.
Einfluss des Alters auf die Werte der kognitiven Fähigkeiten
Ein weiteres interessantes Ergebnis ist der Einfluss des Alters auf die Ergebnisse der statistischen Modellierung der Beziehungen zwischen den drei exekutiven Funktionen und der fußballerischen Leistung. Die Studienautor*innen stellten fest, dass die Werte für kognitive Flexibilität mit zunehmendem Alter tendenziell zunehmen, während die für Inhibition sinken. Ein höheres Alter geht also mit einer höheren kognitiven Flexibilität einher, was im Einklang mit kognitiven und neurophysiologischen Untersuchungen steht, dass sich kognitive Flexibilität zwar schon in den ersten Lebensjahren herausbildet, sich aber während der gesamten Kindheit und Jugend weiter deutlich entwickelt [9, 10].
Dieser Befund lässt den Schluss zu, dass ältere Spieler möglicherweise eine höhere Fähigkeitsstufe erreichen oder andere Faktoren – wie zum Beispiel Erfahrung oder körperliche Fitness – eine größere Rolle bei ihrer sportlichen Leistung spielen. Jüngere Spieler profitieren demnach stärker von der Schulung kognitiver Flexibilität, da sie sich noch in der Entwicklungsphase befinden und sich schneller an neue Herausforderungen anpassen müssen.
Spielen mit Köpfchen
Zusammengefasst konnte die Studie zeigen, dass insbesondere die kognitive Flexibilität eine Schlüsselkomponente des bewussten Denkens für die fußballerische Leistung vor allem bei jugendlichen Spielern ist und ein Zusammenhang zwischen beiden – kognitiver und körperlicher Fähigkeit – besteht. Dass das eine das andere verursachen könnte, ist damit nicht bewiesen. Die Studie zeigt lediglich, dass das Alter die Beziehung zwischen Denkvermögen und Fußballleistung beeinflusst. Bei älteren Spielern ist die Bedeutung des Denkvermögens möglicherweise nicht mehr so stark wie bei jüngeren Spielern. Leistungsvorsprünge durch kognitives Training sind mit zunehmendem Alter womöglich nicht mehr so groß. Warum sich dieser Zusammenhang im Laufe der Zeit ändert und eventuell von anderen Faktoren beeinflusst wird, müsste weiter erforscht werden.
Wird das Alter der Spieler berücksichtigt, verliert die kognitive Flexibilität an Bedeutung als Vorhersagefaktor für gute Leistungen im Fußball. Die Studienautoren fanden keine Belege dafür, dass diagnostische Tests der exekutiven Funktionen verlässlich zur Talentidentifizierung oder Spielerauswahl verwendet werden sollten. Trainer*innen sollten daher ihre Trainingsinhalte an das Alter ihrer Spieler*innen anpassen und eine ganzheitliche Bewertung vornehmen, um vielversprechende Spieler*innen auszuwählen.
Die Inhalte basieren auf der Studie „Being ahead of the game—The association between executive functions and football performance in high-level football players”, die 2023 im „German Journal of Exercise and Sport Research” veröffentlicht wurde
Diese Studie teilen:
Literatur
- Radke, L., Mertens, A., Spielmann, J., & Mayer, J. (2023). Being ahead of the game—The association between executive functions and football performance in high-level football players. German Journal of Exercise and Sport Research, 1-13.Studie lesen
Kahneman, Daniel (2012). Schnelles Denken, langsames Denken. Siedler
Seiferth, N. Y., Thienel, R., & Kircher, T. (2007). Exekutive Funktionen. In: Schneider, F., & Fink, G. R. (Hrsg.), Funktionelle MRT in Psychiatrie und Neurologie. Springer, 265-277.
Diamond, A. (2013). Executive functions. Annual review of psychology, 64, 135-168.
Yongtawee, A., Park, J. H., & Woo, M. J. (2021). Does sports intelligence, the ability to read the game, exist? A systematic review of the relationship between sports performance and cognitive functions. Journal of the Korea Convergence Society, 12(3), 325-339.
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