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Führungsstil: Demokratisch ist gesünder

Ein demokratischer Führungsstil des Cheftrainers kann die Zahl schwerer Verletzungen verringern

Trainerentwicklung
Horst Hrubesch hat einen Arm um den U-19 Nationalspieler Yari Otto gelegt und spricht mit ihm nach einem Spiel. Es ist zu sehen, dass es stark regnet. (Photo by Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images)
    • Autoritär, demokratisch oder laissez-faire: Die Führungsstile im Überblick.
    • Einschätzung des Führungsstils der Cheftrainer.
    • Mehr schwere Verletzungen bei nicht-demokratischem Führungsstil.
    • Rivalität im Team als Stressor.
    • Diskussion zur Repräsentativität der Untersuchung.
Abstract

Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Verletzungsrate von Spielern und dem Führungsstil von Trainern. Bei Trainern, die einen nicht-demokratischen Führungsstil zugeordnet wurden, kamen Verletzungen insgesamt häufiger vor. Diese wiesen außerdem einen höheren Schweregrad auf. Bei Trainern, die die Eigenschaften eines demokratischen Führungsstils verkörperten, war die Häufigkeit von schweren Verletzungen um 29 % bis 40 % niedriger. Der Führungsstil gab allerdings nur über einen Anteil von 6 % der aufgetretenen Verletzungen eine Aufklärung. 

Autoritär, demokratisch oder Laissez-faire: Die Führungsstile im Überblick

Trainer führen ihre Mannschaften zum Erreichen bestimmter Ziele. Führen heißt, die Mannschaft, das Team dahinter und Mitarbeiter des Vereins oder des Verbands auf ein definiertes Ziel (z. B. sportlicher Erfolg) einzustellen. Generell werden drei verschiedene Führungsstile unterschieden:

Die Abbildung zeigt jeweils ein Bild zu den drei verschiedenen Führungsstilen (autoritär, demokratisch, laissez-faire).
Die Abbildung zeigt jeweils ein Bild zu den drei verschiedenen Führungsstilen (autoritär, demokratisch, laissez-faire).

Während es Studien zum Einfluss des Trainerführungsstils auf das Erreichen sportlicher Ziele gibt, gibt es keine Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen dem Führungsstil und der Häufigkeit von Verletzungen, dem Schweregrad von Verletzungen sowie der Verfügbarkeit von Spielern in Training und Wettkampf. Man vermutet jedoch, dass ein bestimmter Führungsstil zu Stress führen kann, der sich negativ auf den Spieler auswirkt. Stress kann Ursache für das Auftreten von Verletzungen sein. Um einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Führungsstil und Verletzungen zu prüfen, wurden die Daten der UEFA-Verletzungsstudie analysiert.

Einschätzung des Führungsstils der Cheftrainer

An der Untersuchung nahmen insgesamt 36 Profimannschaften aus 17 europäischen Ländern teil. Es handelte sich dabei um die Nachsaisontreffen der medizinischen Leiter der Profimannschaften im Zeitraum von 2012 bis 2016 [1]. Insgesamt standen 77 Berichte zur Verfügung, in denen durch die medizinischen Leiter der Vereine der Trainerführungsstil, die Einsatzzeiten der Spieler in Training und Wettkampf sowie das Auftreten und der Schweregrad von Verletzungen ermittelt wurden. Die medizinischen Leiter der Profimannschaften wurden befragt, welche Risikofaktoren sie mit Verletzungen im Zusammenhang sehen. Am häufigsten wurden folgende vier Faktoren genannt:

  • die Trainingsbelastung,
  • das Wohlbefinden der Spieler,
  • die Qualität der internen Kommunikation und
  • der Führungsstil des Cheftrainers.
Für die Einschätzung des Trainerführungsstils wurde der GTL-Test (Global Transformational Leadership) [2] genutzt. Dazu beurteilten die medizinischen Leiter ihre Cheftrainer anhand von sieben Merkmalen:
  • Zukunftsbild: Der Trainer kommuniziert ein klares und positives Zukunftsbild.

  • Teamentwicklung: Der Trainer behandelt die Spieler individuell und fördert ihre Entwicklung.

  • Unterstützung durch den Trainer: Der Trainer gibt den Spielern Rückmeldungen und Anerkennung.

  • Stärkung der Selbstverantwortung: Der Trainer fördert Entscheidungsfindung, Einbeziehung und Kooperation unter den Spielern.

  • Innovatives Denken: Der Trainer ermutigt zur Reflektion und Problemlösung mit neuen/ungewöhnlichen Strategien.

  • Charismatisches Führen: Der Trainer vermittelt Respekt gegenüber anderen und motiviert zum Lernen/Kompetenzerwerb.

Zusätzlich wurden die Häufigkeit und der Schweregrad von Verletzungen sowie die Trainingsteilnahme und die Spielverfügbarkeit der Spieler erfasst. Als Verletzung wurde jede körperliche Beschwerde definiert, die aus einem Fußballtraining bzw. Spiel resultiert und aus welcher der Spieler nachfolgende Trainingseinheiten bzw. Wettkämpfe verpasste. Als schwere Verletzung waren Verletzungen definiert, die zu einer dauerhaften Abwesenheit vom Training oder Spielen über mehr als 28 Tage führten.

Mehr schwere Verletzungen bei nicht-demokratischem Führungsstil

Spieler von Trainern mit demokratischer Führung hatten ein geringeres Risiko für Verletzungen als Spieler von Trainern mit nicht-demokratischem Führungsstil. Das galt ebenfalls für das Auftreten schwerer Verletzungen. Bei demokratischen Trainern lag die Auftrittshäufigkeit von schweren Verletzungen 29 % bis 40 % niedriger. Die größten Zusammenhänge ergaben sich zu den Merkmalen Zukunftsbild, Teamentwicklung, mit gutem Beispiel vorangehen sowie Unterstützung durch den Trainer. Zum Beispiel fielen bei Trainer, deren Merkmal Teamentwicklung besonders stark ausgeprägt ist, die Spieler im Durchschnitt 0,9 Tage pro 1.000 Trainings- und Spielstunden für das Ereignis schwere Verletzung aus. Bei Trainern deren Ausprägung des Merkmals Teamentwicklung weniger stark eingeschätzt wurden ist, waren es durchschnittlich 1,5 Tage pro 1.000 Trainings- und Spielstunden. Zum Merkmal Charismatisches Führen lieferten die Ergebnisse der Zusammenhangsprüfung von GTL-Test und Verletzungen keine Unterschiede in Bezug zum demokratischen Führungsstil. Die in dieser Untersuchung im GTL-Test ermittelten Ergebnisse bildeten den Zusammenhang zwischen Führungsstil und Auftreten von Verletzungen mit 6 % ab. Entsprechend waren 94 % der Verletzungen aus statistischer Sicht auf andere Ursachen zurückzuführen.

Höhere Trainingsteilnahme der Spieler bei Trainern mit demokratischem Führungsstil

Des Weiteren interessierte der Zusammenhang zwischen dem Führungsstil und der Trainingsteilnahme sowie der Spielverfügbarkeit. Zwischen dem demokratischen Führungsstil und der Trainingsteilnahme bestand in fünf Merkmalen des GTL-Tests (Teamentwicklung, Unterstützung durch den Trainer, Stärkung der Selbstverantwortung, innovatives Denken, mit gutem Beispiel vorangehen) ein sehr starker Zusammenhang. Trainer deren Führungsstil als demokratisch eingeschätzt wurde hatten durchschnittlich mehr Spieler beim Training zur Verfügung.  Hinsichtlich des Merkmals Charismatisches Führen gab es keine Differenzierung in Bezug zum demokratischen Führungsstil. Die Prüfung des Zusammenhangs zur Spielverfügbarkeit erbrachte geringere Beziehungen. Zur Spielverfügbarkeit konnte für das Merkmal mit gutem Beispiel vorangehen ein sehr starker Zusammenhang nachgewiesen werden. Die Zusammenhänge in Abhängigkeit des demokratischen Führungsstils zu den anderen Merkmalen fielen niedriger aus. Dabei lagen sie für die Merkmale Teamentwicklung sowie Unterstützung durch den Trainer höher als für Zukunftsbild, Stärkung der Selbstverantwortung und Innovatives Denken.

Rivalität im Team als Stressor

Die Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen Führungsstil und Verletzungen bleiben zunächst offen. Stressoren können das Verletzungsrisiko erhöhen. Als Mechanismus, der einer stressbedingten Verletzung zugrunde liegt, wird eine physiologische Erregung vermutet, die zur Steigerung der Muskelanspannung führt und die Bewegungskoordination beeinflusst [3]. In einem leistungsorientierten Mannschaftsklima ist von einem erhöhten Verletzungsrisiko auszugehen. Die Rivalität unter den Spielern kann dazu führen, dass sich die Spieler in ein höheres Verletzungsrisiko begeben [4]. Insofern resultieren Stressniveau und Verletzungsrisiko aus dem Führungsstil und Anforderungen des Trainers sowie dem Mannschaftsklima gegenüber den Ressourcen des Spielers, die er zur Bewältigung mobilisieren kann. Schafft es der Trainer nicht, durch seinen Führungsstil eine funktionierende Mannschaft zu bilden, kann es sein, dass er seine Spieler einem höheren Verletzungsrisiko aussetzt.

Wie repräsentativ ist die Untersuchung?

Mögliche Faktoren, die die Ergebnisse der Untersuchung beeinflussen, waren:

  • Die Einschätzung des Führungsstils der Cheftrainer durch die medizinischen Leiter war rein subjektiv.
  • Die Einschätzung durch die medizinischen Leiter erfolgte erst nach der Saison und damit bereits in Kenntnis der tatsächlich aufgetretenen Verletzungszahlen.
  • Es handelt sich um eine Querschnittstudie, die Veränderungen in den Beziehungen zwischen Trainer und Spielern im Laufe der Zeit bzw. in Abhängigkeit des sportlichen Erfolgs nicht abbildet.
  • Die Studie beschränkt sich auf Profi-Männermannschaften und lässt Rückschlüsse auf Amateur-, Jugend- und Frauenfußball nicht zu.
  • Die Studie fokussiert durch den eingesetzten GTL-Test auf den demokratischen Führungsstil; der Zusammenhang zwischen Verletzungen und autoritären oder weichen Führungsstilen wurde nicht untersucht.

Autor des Textes ist Prof. Jan Ekstrand vom UEFA Medical Committee. Die Inhalte basieren auf der Originalstudie "Is there a correlation between coaches’ leadership styles and injuries in elite football teams? A study of 36 elite teams in 17 countries.", die 2017 im "British Journal of Sport Medicine" veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. Ekstrand, J., Lundqvist, D., Lagerbäck, L., Vouillamoz, M., Papadimitiou, N., & Karlsson, J. (2017). Is there a correlation between coaches’ leadership styles and injuries in elite football teams? A study of 36 elite teams in 17 countries. Br J Sports Med, bjsports-2017.
    Studie lesen
    1. Ekstrand J, Hägglund M, Kristenson K, et al. Fewer ligament injuries but no preventive effect on muscle injuries and severe injuries: an 11-year follow-up of the UEFA Champions League injury study. Br J Sports Med 2013;47:732–7.

    2. Carless SA, Wearing AJ, Mann L. A short measure of transformational leadership. J Bus Psychol 2000;14:389–405.

    3. Williams JM, Andersen MB. Psychosocial antecedents of sport injury: review and critique of the stress and injury model’. J Appl Sport Psychol 1998;10:5–25.

    4. Steffen K, Pensgaard AM, Bahr R. Self-reported psychological characteristics as risk factors for injuries in female youth football. Scand J Med Sci Sports 2009;19:442–51.