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Gruppenzusammenhalt und Erfolg

Hängen Teamgeist und Leistung zusammen?

Serge Gnabry und Kai Havertz Umarmung © Philipp Reinhardt 2019
    • Die Gruppenkohäsion, der Zusammenhalt einer Mannschaft, beeinflusst die Leistung.
    • Es gibt eine signifikante moderate bis große Wirkungsbeziehung zwischen Zusammenhalt und Leistung im Sport.
    • Sowohl Teamgeist (sozialorientierte Kohäsion) als auch Teamwork (aufgabenbezogene Kohäsion) einer Gruppe sind leistungsbestimmende Faktoren.
    • Die Korrelation ist bei Frauen-Mannschaften höher als bei Männer-Mannschaften.
    • Die Sportart und das Leistungsniveau der Athleten hat keinen Einfluss auf den Kohäsion-Leistungszusammenhang.
    • Teambuilding-Maßnahmen sind sinnvoll und sollten sowohl auf Teamwork (aufgabenorientiert) als auch Teamgeist (sozialorientiert) abzielen.
Abstract

Führt der Zusammenhalt einer Mannschaft zu besseren Leistungen? Eine der umfassendsten Meta-Analysen aus dem Jahr 2002 untersucht, welche Faktoren den Gruppenzusammenhalt im Sport beeinflussen und ob dieser mit der Leistung eines Teams zusammenhängt. Dafür wurden 46 Studien, aus verschiedenen Sportarten analysiert. Das Ergebnis zeigt, dass sowohl der Teamgeist einer Mannschaft als auch das gemeinsame Verfolgen eines Ziels die Teamleistung positiv beeinflussen.

Gruppenkohäsion: Der Kitt für das Team

Damit eine Fußballmannschaft erfolgreich ist, braucht es mehr als das Können der einzelnen Spieler. „Beim Fußballspielen bestimmt der Teamaspekt alles. Man muss voneinander wissen, was man kann und was man nicht kann. Es gilt, die Qualitäten des anderen zu entdecken. So entsteht von selbst ein gutes Verhältnis zwischen den Beteiligten, und das ist die Grundlage für den Erfolg. Alle Spieler müssen lernen, im Interesse der Mannschaft zu denken.“ So hat es Trainer-Legende Louis van Gaal einmal formuliert. Doch weswegen hält eine Mannschaft zusammen? Und führt dieser Zusammenhalt automatisch zu erfolgreichen Leistungen?

Dass ein guter Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft positiv auf die sportliche Leistung wirkt, scheint, laienhaft gedacht, plausibel. Sportpsychologisch betrachtet, ist dieser Zusammenhang gleichwohl deutlich komplexer. Das, was im Mannschaftssport die einzelnen Spieler zu einem Team macht, nennen Sportpsychologen „Kohäsion“. Was in der Physik die Bindungskräfte zwischen Atomen beziehungsweise Molekülen innerhalb eines Stoffes bezeichnet, ist in einer sozialen Gruppe der Kitt, also das Gemeinschafts- oder Zusammengehörigkeitsgefühl, das die Mitglieder verbindet und zusammenhält.  

Gruppenkohäsion wird als ein charakteristisches Merkmal funktionierender Gruppen angesehen. Die Sportpsychologie definiert diesen Kitt, der eine Gruppe zusammenhält, noch genauer als einen dynamischen Prozess, der sich durch den inneren Zusammenhalt der Gruppe (Sozialorientierung) und das gemeinsam verfolgte Gruppenziel (Aufgabenorientierung) beschreiben lässt [1].  

Umgangssprachlich wird gerade im sportlichen Kontext die sozialorientierte Dimension von Gruppenkohäsion als Teamgeist und die aufgabenorientierte Dimension als Teamwork bezeichnet [2]. Neben der Unterscheidung in sozialorientierten und aufgabenbezogenen Zusammenhalt hat die Kohäsionsforschung um den britischen Sportpsychologen Albert Carron dem theoretischen Modell zur Beschreibung von Gruppenkohäsion eine zweite Ebene hinzugefügt. Dabei wird zum einen die Gruppe als Ganzes betrachtet und zum Beispiel danach gefragt, wie die Gruppe Geschlossenheit wahrnimmt. Zum anderen geht es um die Sicht des einzelnen Gruppenmitglieds und die Frage, wie stark das Zugehörigkeitsgefühl (Identifikation) und die Bindung (Attraktivität der Gruppenmitgliedschaft, z. B. persönliche Ziele durch die Gruppenmitgliedschaft besser erreichen zu können, s. ABB 01) ausfällt [3]. 

Die Grafik zeigt die Vier Dimensionen, die einen Gruppenzusammenhalt beeinflussen.
Bestimmen Teamgeist und Teamwork den Erfolg einer Mannschaft?

Fußballtrainer wollen wissen, wie aus einer Gruppe von Spielern eine eingeschworene Mannschaft wird. Welche Faktoren beeinflussen die Teamentwicklung und ist der Gruppenzusammenhalt nachweislich leistungsbestimmend?  

In einer der ersten Meta-Analysen über verschiedenen Themengebiete der Psychologie (Industrie, Militär, Sport, Gesellschaft) zur Beziehung zwischen Gruppenkohäsion und Teamleistung konnten Brian Mullen und Carolyn Copper im Jahr 1994 [4] nachweisen, dass es einen, wenn auch kleinen, aber bedeutsamen positiven Zusammenhang gibt, wobei die Korrelation bei

  • kleinen Gruppen stärker ausgeprägt ist als bei großen und 
  • in realen Gruppen Zusammenhalt und Leistung stärker zusammenhängen als in künstlichen Laborgruppen.
  • Sportgruppen weisen laut Studie die mit Abstand höchste Effektstärke auf, gefolgt von Militärgruppen, zivilen nicht-sportorientierten Gruppen und Laborgruppen.

Diese Erkenntnisse sind nach Ansicht von Albert Carron und seiner Forschungsgruppe jedoch nicht allgemeingültig für den Sport, weil Mullen und Copper in ihrer Meta-Analyse von 49 Studien nur acht aus dem Sportbereich einbezogen hatten. Carron vermutete deshalb, dass die Beziehung zwischen Gruppenkohäsion und Teamleistung im Sport tatsächlich deutlich geringer ausfällt. Er stellte deshalb im Jahr 2002 die bis heute umfassendste Meta-Analyse an, deren Datengrundlage ausschließlich auf den Sport fokussiert. 

Erkenntnisse aus der Meta-Analyse von 46 Sportstudien

Für die gesamte Stichprobe von 9.988 Athleten aus den Daten der 46 in die Meta-Analyse einbezogenen Studien, ergibt sich eine signifikante moderate bis große Wirkungsbeziehung zwischen Teamzusammenhalt und Leistung im Sport.  

Dieser Gesamtbefund deckt sich mit den Erkenntnissen von Mullen und Copper [4]. Warum das Ausmaß des Gruppenzusammenhalts im Sport im Vergleich zu anderen Gruppen besonders stark ausgeprägt ist, konnten Mullen und Copper damals hingegen nicht begründen. Ihr Erklärungsversuch ging dahin, dass Sportmannschaften eine eigene Qualität haben und ein besondere „Gruppenhaftigkeit“ oder „Einheitsempfinden“ entfalten. Im Unterschied zu militärischen Gruppen, für die ein starkes Gruppengefühl ebenfalls charakteristisch ist, entwickeln Sportgruppen zudem von allen Gruppenmitgliedern akzeptierte Leistungs- oder Exzellenzstandards. Was Erfolg und Misserfolg ist, ist demnach eindeutig und klar definiert.

Die Meta-Analyse von Carron konnte außerdem zeigen, dass die Korrelation bei Frauen-Mannschaften höher ist als bei Männer-Mannschaften. Der Unterschied ist statistisch relevant. Die Sportart hat keinen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Gruppenkohäsion und Teamleistung. Auch das Leistungsniveau der Athleten hat keinen Einfluss auf den Kohäsion-Leistungszusammenhang.

Widerlegt haben Carron und seine Mitautoren die Befunde von Mullen und Copper, aus denen sich schlussfolgern lässt, dass Mannschaften, die ihren aufgabenorientierten Zusammenhalt höher einschätzen als andere Mannschaften, leistungsfähiger sind. Das Bindungsgefühl innerhalb der Mannschaft, die sozialorientierte Gruppenkohäsion, scheint dagegen nach den Befunden von Mullen und Copper von der Teamleistung unabhängig zu sein. Dieser früheren Hypothese folgend, müssten Teambuilding-Maßnahmen vor allem auf das Teamwork der Mannschaft (Aufgabenorientierung) abzielen, um ihren Erfolg zu steigern. Die Sportwissenschaft hat dafür verschiedene Konzepte entwickelt, mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Dazu gehört:

  • das Aufstellen von Teamzielen,  
  • die Förderung der Kommunikation innerhalb der Mannschaft,  
  • Entwicklung eines Rollenverständnisses eines jeden Teammitglieds,  
  • Rollenklarheit und Akzeptanz der jeweiligen Rolle in der Gruppe sowie  
  • die Anpassung und Einhaltung der Teamnormen.

Teambuilding, das eher auf den Teamgeist (Sozialorientierung) abstellt, hätte demnach weniger Erfolg, die Teamleistung zu verbessern. Dazu gehören Maßnahmen:

  • die auf die Erweiterung sozialer Kompetenzen abzielen,  
  • die Veranstaltung von Outdoor Camps, die die Gruppe in andersartige Situationen versetzt,  
  • der Besuch von Hochseilgärten und Abenteuerkursen als besondere Herausforderung oder  
  • auch Zusammenkünfte außerhalb des Sportkontexts.

Carron und seine Mitautoren wiesen in ihrer Gesamtstichprobe jedoch nach, dass sowohl der aufgabenorientierte als auch der sozialorientierte Zusammenhalt einer Gruppe leistungsbestimmende Faktoren sind. Für das Teambuilding bedeutet das, dass beide Dimensionen mit Maßnahmen adressiert werden sollten.  

Die sportpsychologischen Befunde legen nahe, dass mit gruppendynamischen Interventionen oder Teambuilding-Maßnahmen der Gruppenzusammenhalt beeinflusst und damit die Leistung einer Mannschaft gefördert werden kann. Für das Teambuilding bedeutet das, dass Maßnahmen vor allem auf Rollenklarheit der Einzelnen und die Akzeptanz der verschiedenen Rollen im Team setzen sollten. Adressiert werden sollte auch ein Wertekanon, an dem sich die Gruppe orientiert, wie auch die Wirksamkeit des Einzelnen und die der Gruppe als Mannschaft. Wichtig für den Gruppenzusammenhalt ist das Setzen gemeinsamer Ziele, um den Gruppenzusammenhalt zu stärken. Wichtig für die Entwicklung eines „Wir-Gefühls“ und eines guten Gruppenklimas ist auch die Kommunikation zwischen den Mannschaftsmitgliedern wie die zwischen Mannschaft und Trainern.  

Die Inhalte basieren auf der Studie “Cohesion and Performance in Sport: A Meta-Analysis”, die 2002 im “Journal of Sport and Exercise Psychology” veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. Carron, A. V., Colman, M. M., Wheeler, J., & Stevens, D. (2002). Cohesion and performance in sport: A meta analysis. Journal of sport and exercise psychology, 24(2), 168-188.
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    1. Carron AV, Brawley LR, Widmeyer WN (1998). Measurement of cohesion in sport and exercise. In: Duda JL (ed.) Advances in Sport and Exercise Psychology measuerment. Morgantown: Fitness Information Technology, 213-226

    2. Lau, A. (2005): Das Teamentwicklungstraining – ein systemisches Konzept für die Mannschaftssportspiele. Leipziger Sportwissenschaftliche Beiträge, 46(1): 64-82

    3. Carron AV, Widmeyer WN, Brawley LR (1985). The development of an instrument to assess cohesion in sport teams: The Group Environment Questionnaire. Journal of Sport Psychology, 7: 244-266

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    4. Mullen B, Copper C (1994). The relation between group cohesiveness and performance: An integration. Psychological Bulletin, 115(2): 210–227

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    5. Widmeyer WN, Brawley LR, Carron AV (1985): The measurement of cohesion in sport teams: The Group Environment Questionnaire. London: Sports Dynamics