Wissen

Richtungswechselschnelligkeit im Fußball

Untersuchung des Einflusses von Beschleunigung und Abbremsen

Richtungswechselschnelligkeit im Fußball: Ein Studie untersucht den Einfluss von Beschleunigung und Abbremsen.
    • Die Richtungswechselschnelligkeit ist ein wichtiger Faktor der fußballspezifischen Leistungsfähigkeit.
    • Die Beschleunigungsleistung über 10 m zeigte in der vorliegenden Studie den größten Einfluss auf die Richtungswechselleistung gemessen am sogenannten 505-Test.
    • Auch mechanische Parameter beim Beschleunigen und beim Abbremsen korrelieren mit der Richtungswechselleistung, wenngleich dieser Zusammenhang weniger stark ist.
    • Auf Basis der Ergebnisse empfehlen sich Trainingsprogramme zur Verbesserung der Sprintleistung sowohl mittels hoher Widerstände als auch hoher Geschwindigkeiten.
    • Zur Erhöhung der Bremskraft, die vor einem Richtungswechsel eine hohe Bedeutung hat, kann spezifisches Krafttraining in Form exzentrischer Übungen für den Quadrizeps eingesetzt werden.
    • Bei der Beurteilung und beim Training der Richtungswechselleistung sollten geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigt werden.
Abstract

In einer aktuellen Studie wurden verschiedene Einflussfaktoren auf die Richtungswechselleistung beim weitverbreiteten 505-Test bei weiblichen und männlichen Fußballspielern untersucht. Den größten Einfluss zeigte unabhängig vom Geschlecht die Sprintzeit über 10 m. Auch mechanische Parameter, die bei einem Beschleunigungs- und bei einem Abbremstest erfasst wurden, wiesen einen Zusammenhang zur Richtungswechselleistung auf, auch wenn dieser weniger stark war. Zuletzt zeigten sich Unterschiede in der Leistung bei den durchgeführten Tests zwischen den weiblichen und männlichen Fußballspielern. Von den Studienergebnissen können potenzielle Trainingsmaßnahmen abgeleitet werden, die auf eine Verbesserung relevanter Einflussfaktoren der Richtungswechselleistung wie dem Sprint- und dem Abbremsvermögen abzielen.

Einflussfaktoren auf die Richtungswechselleistung von Fußballer*innen

Während eines Fußballspiels müssen die Spieler*innen häufig Richtungswechsel bei unterschiedlichen Laufgeschwindigkeiten durchführen. Entsprechend werden in der leistungsdiagnostischen Praxis eine Reihe verschiedener Richtungswechseltests eingesetzt, um Stärken und Schwächen von Spieler*innen besser einschätzen zu können. Einer der bekanntesten Richtungswechseltests ist dabei der 505-Test, der aus 4 Phasen besteht: Erste Beschleunigungsphase, Abbremsphase, Richtungswechsel um 180°, zweite Beschleunigungsphase.

Diese 4 Phasen stellen unterschiedliche physische Anforderungen an die Spieler*innen. So ist neben einem guten Beschleunigungs- und Sprintvermögen auch die Fähigkeit schnell abstoppen zu können essenziell. Letztere hilft dabei einen schnelleren Übergang zwischen der Abstoppbewegung unmittelbar vor dem Richtungswechsel und der erneuten Beschleunigung zu realisieren [1]. Aktuell existieren jedoch nur wenige Studien, die den Einfluss von sowohl Beschleunigungs- als auch Abbremsleistungen auf die Performance beim Richtungswechseltest untersuchen. Dabei ist es vor allem interessant, mögliche geschlechtsspezifische Unterschiede herauszuarbeiten. Aufgrund der spezifischen physischen Charakteristika von Frauen und Männern sowie den unterschiedlichen Spielanforderungen scheint es plausibel, dass sich die Einflussfaktoren auf die Richtungswechselleistung zwischen den Geschlechtern unterscheiden.

Studie mit französischen Fußballer*innen

In einer kürzlich veröffentlichten Studie verfolgte ein Forscherteam genau diesen Ansatz, indem es insgesamt 103 französische Fußballer*innen aus dem Amateur- und semi-professionellen Bereich (50 weiblich, 53 männlich) bei 3 verschiedenen Schnelligkeitstests untersuchte. 

  • Zunächst führten alle Spieler*innen einen Linearsprinttest über 30 m mit verschiedenen Zwischenzeiten zur Erfassung der Beschleunigungsleistung durch.
  • Es folgte ein Testverfahren zur Bestimmung des Abbremsvermögens. Hier musste nach einem maximalen 20-m-Sprint – d. h. nach Überqueren der 20-m-Linie – so schnell wie möglich abgestoppt und rückwärts zu dieser Linie zurückgelaufen werden. 
  • Zuletzt waren die Spieler*innen beim zuvor beschriebenen 505-Test gefordert. Dieser besteht aus einem 15-m-Sprint mit anschließendem Richtungswechsel um 180° und einem 5-m-Sprint in die entgegengesetzte Richtung. Als wichtigster Parameter wird die benötigte Zeit für die letzten 5 m vor sowie die ersten 5 m nach dem Richtungswechsel erfasst. Der Richtungswechsel erfolgte sowohl über die linke als auch die rechte Seite.

Bei allen Tests wurden Lichtschranken für die Ermittlung von Zwischen- und Endzeiten genutzt, beim Linear- und Abbremstest kam zusätzlich eine Radarpistole zum Einsatz, mit deren Hilfe mechanische Parameter des Kraft-Geschwindigkeits-Profils errechnet werden können. Beim Lineartest zählen hierzu Maximalkraft (N/kg), Maximalgeschwindigkeit (m/s) und maximaler Power-Output (W/kg), beim Abbremstest analog maximale Bremskraft (N/kg), maximales Abbremsen (m/s2) sowie maximaler Power-Output beim Abbremsen (W/kg).

Beschleunigung über 10 m hat größten Einfluss auf Richtungswechselleistung 

Die Analysen der Wissenschaftler zeigten, dass die 10-m-Zeit beim Beschleunigungstest unabhängig vom Geschlecht den größten Einfluss auf die Performance beim 505-Test hat. Die mechanischen Parameter hinsichtlich Beschleunigung und Abbremsen zeigten immerhin geringe bis moderate Korrelationen zum 505-Test (siehe TAB. 01 und TAB. 02).

Diese Ergebnisse bestätigen damit frühere Studien, die ebenfalls einen hohen Zusammenhang zwischen der Beschleunigungsleistung über 10 m zur Richtungswechselperformance zeigten – eine plausible Erkenntnis, da der 505-Test ebenfalls lineare Anteile enthält und Spieler*innen mit guter Beschleunigung schneller die Richtungswechsellinie erreichen können [2].

Auch wenn der Zusammenhang der mechanischen Eigenschaften von Beschleunigen und Abbremsen geringer war, haben auch diese einen Einfluss auf die Richtungswechselleistung. Die Bedeutung der Abbremsleistung scheint vor allem in der Phase der Verzögerung vor dem Richtungswechsel beim 505-Test zu liegen. Hier zeigen Untersuchungen, dass schnellere Athlet*innen im 505-Test eine höhere horizontale Bremskraft aufweisen, was mit der vorliegenden Studie übereinstimmt [1].

/
Geschlechterunterschiede bei den Testleistungen

Im Geschlechtervergleich zeigten die Männer eine deutlich bessere Leistung über 10 m als die Frauen. Dieser Unterschied war beim Abbrems- und 505-Test jedoch geringer. Die Wissenschaftler führen dieses Ergebnis auf die Laufstrategie beim 505-Test zurück. Hier wird nach der Beschleunigungsphase die Laufgeschwindigkeit für den folgenden Richtungswechsel um 180° angepasst, um das entstehende Momentum zu überwinden und in die neue Bewegungsrichtung beschleunigen zu können. Da Männer oftmals schneller und schwerer als Frauen sind, generieren sie auch ein höheres Momentum. Dieses muss durch eine höhere Bremskraft ausgeglichen werden, die nur durch längere Bodenkontaktzeiten realisiert werden kann.

Weitere interessante Differenzen zwischen den Geschlechtern entdeckten die Wissenschaftler, indem sie separat für Frauen und Männer die Stichprobe in eine Gruppe mit guter bzw. schlechter Richtungswechselleistung unterteilten und anschließend die Beschleunigungs- und Abbremsleistungen beider Gruppen miteinander verglichen. Bei den Männern zeigten sich eher kleine Unterschiede zwischen der Gruppe mit guter bzw. schlechter Leistung beim 505-Test hinsichtlich der 10-m-Zeit und den mechanischen Parametern für Beschleunigung und Abbremsen. Bei den Frauen hingegen waren die Unterschiede zwischen den Gruppen deutlich größer. Hier waren neben dem maximalen Power-Output beim Abbremsen die 10-m-Zeit und die mechanischen Parameter der Beschleunigung die entscheidenden Indikatoren, die die beiden Gruppen unterschieden.

Limitationen

Als Limitationen ihrer Studie und zugleich Ideen für zukünftige Forschung heben die Autoren hervor, verschiedene Spielpositionen genauer zu analysieren. Aufgrund des unterschiedlichen Anforderungsprofils von beispielsweise Außenbahn- zu zentralen Spieler*innen könnten sich auch deren Richtungswechselperformance und zugrundeliegende Faktoren unterscheiden. Hier wäre u. a. interessant, andere Winkel im Rahmen von Richtungswechseltests sowie, neben den untersuchten mechanischen, zusätzlich neuromuskuläre Parameter unter die Lupe zu nehmen.

Praktischer Nutzen und Fazit

Die Studie mit französischen Fußballspieler*innen zeigte, dass bei beiden Geschlechtern die 10-m-Zeit beim Linearsprinttest den größten Einfluss auf die Richtungswechselleistung – gemessen am 505-Test – hat. Auch mechanische Parameter beim Beschleunigen und beim Abbremsen zeigen einen Zusammenhang zur Richtungswechselleistung, wenngleich dieser weniger stark ist. Die Autoren empfehlen daher Trainingsprogramme zur Verbesserung der Sprintleistung sowohl mittels hoher Widerstände als auch hoher Geschwindigkeiten. Ebenfalls kann spezifisches Krafttraining in Form exzentrischer Übungen für den Quadrizeps eingesetzt werden, um die Bremskraft zu erhöhen, die vor einem Richtungswechsel eine hohe Bedeutung hat. Zuletzt sollten bei der Beurteilung und beim Training der Richtungswechselleistung geschlechtsspezifische Unterschiede nicht außer Acht gelassen werden.

Die Inhalte basieren auf der Studie „The influence of short sprint performance, acceleration, and deceleration mechanical properties on change of direction ability in soccer players – A cross-sectional study", die 2022 in „Frontiers in Physiology" veröffentlicht wurde

Literatur

  1. Zhang, Q., Dellal, A., Chamari, K., Igonin, P. H., Martin, C., & Hautier, C. (2022). The influence of short sprint performance, acceleration, and deceleration mechanical properties on change of direction ability in soccer players – A cross-sectional study. Frontiers in Physiology, 13, 1027811.
    Studie lesen
    1. DosʼSantos, T., Thomas, C., Jones, P. A., & Comfort, P. (2017). Mechanical determinants of faster change of direction speed performance in male athletes. Journal of Strength and Conditioning Research, 31(3), 696-705.

    2. Loturco, I., A Pereira, L., T Freitas, T., E Alcaraz, P., Zanetti, V., Bishop, C., & Jeffreys, I. (2019). Maximum acceleration performance of professional soccer players in linear sprints: Is there a direct connection with change-of-direction ability? PloS ONE, 14(5), e0216806.