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Spielersatztraining für Ersatzspieler

Zusätzliche Einheiten für Spieler, die nicht zur Startelf gehören, müssen gut geplant werden, um die Fußballfitness zu erhalten

Sehen eine Aufwärmübung angeleitet von Krunoslav Banovic im Vorfeld des Freundschaftsspiel gegen Tschechien am 11.11.2020.
    • Spieleinsätze stellen in der Regel den größten Trainingsstimulus für \"high speed running\" und Sprint dar.
    • Ersatzspieler sind daher oft nicht der nötigen Trainingsbelastung ausgesetzt.
    • Spielersatztraining wird von Faktoren, wie z. B. Auswechselzeitpunkt, Endergebnis, Spielort, Anstoßzeitpunkt, Spielposition, Wettkampfdichte und Saisonphase beeinflusst, die bei der Planung berücksichtigt werden sollten.
Abstract

Spieler, die nicht regelmäßig zu der Startelf gehören, weisen geringere Einsatzzeiten im Wettkampf auf. Da das Teamtraining während der Saison jedoch meist darauf ausgelegt ist, Spieleinsätze als Teil des Belastungsschemas der Spieler zu betrachten, werden Einwechselspieler im Vergleich zu Startelf-Spielern oft nicht ausreichend physisch beansprucht. Dies kann auf Dauer zu einem Trainingsdefizit und somit auch zu einem Leistungsverlust führen und kann darüber hinaus von einem erhöhten Verletzungsrisiko begleitet sein. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, den angestrebten Trainingszustand von Einwechselspielern mit sogenannten Spielersatztraining zu erhalten. Modalitäten eines solchen Zusatztrainings sind bisher allerdings kaum untersucht worden. Die analysierte Studie befasst sich daher mit den unterschiedlichen Bedingungen und Voraussetzungen, unter denen Spielersatztraining abgehalten wird sowie den wichtigsten Faktoren, die dabei berücksichtigt werden sollten.

Warum Spielersatztraining?

Taktisch bedingte Einwechslungen werden im Fußball meist nach der Halbzeitpause oder im Verlauf der zweiten Spielhälfte durchgeführt [4,10,12,13]. Einwechselspieler sind daher einer deutlich geringeren physischen Belastung ausgesetzt als Spieler, die über die gesamten 90 Minuten eingesetzt werden [10] und haben somit auch nicht die Gelegenheit, hohe Laufgeschwindigkeiten im Spiel als leistungsfördernden Trainingsreiz zu nutzen [11]. Für Stammspieler stellen Spieleinsätze dagegen für gewöhnlich die höchste Belastung innerhalb einer Trainingswoche dar [1,15]. Beispielsweise verbessern sich Beinkraft und Sprintzeiten nachweislich mit zunehmender Einsatzzeit im Verlauf der Saison [19]. Ähnliches gilt für höhere Umfänge an "high speed running" (HSR), also Läufen mit hohem Tempo (19,8 -25,1 km/h) [2], die zur Verbesserung von Sprung- und Schnellkraftleistungen führen [16].

Da rund 95% an HSR und Sprintdistanz eines Teams in Spieleinsätzen stattfinden, vor allem während Englischer Wochen [1], wird schnell deutlich, dass Ersatzspieler keiner optimalen Trainingsbelastung ausgesetzt werden. Dies wiederum kann mit der Zeit zu negativen Anpassungen, und einer damit einhergehenden verringerten Belastbarkeit sowie zu einem erhöhten Verletzungsrisiko führen [3,7,8,17]. Einer solchen negativen Entwicklung kann mit gezielten Spielersatzeinheiten für nicht oder wenig eingesetzte Ersatzspieler entgegengewirkt werden [6,7,14], nicht zuletzt um sicherzustellen, dass sämtliche Spieler sich auf einem einheitlichen körperlichen Leistungsniveau befinden und somit bei Bedarf über die vollen 90 Minuten eines Spiels eingesetzt werden können [14].

Werden diese zusätzlichen Trainingseinheiten allerdings außerhalb des Spieltags durchgeführt, besteht die Gefahr, dass die Regenerationszeit vor der nächsten Belastungseinheit zu kurz ist. Im Idealfall sollte das Spielersatztraining daher unmittelbar nach Spielende auf dem Platz stattfinden [14].

In dieser Studie wird zum ersten Mal ein gezieltes Spielersatztraining der Ersatzspieler direkt nach Spielende untersucht. Die Ergebnisse sollen Trainerteams und anderen Verantwortlichen bei der optimalen Umsetzung von Zusatzeinheiten für Ersatzspieler behilflich sein.

Aufbau der Studie

An der Untersuchung nahmen insgesamt 31 Fußballprofis zwischen 18 und 35 Jahren (mittleres Alter 26 Jahre) eines Teams der zweiten englischen Liga ("Championship") teil.

Im Laufe eines Jahres wurden bei 37 von insgesamt 46 Spielen Spielersatzeinheiten mit den Einwechselspielern durchgeführt, insgesamt ergab sich somit ein Datensatz mit 184 Spielerbeobachtungen. Die Daten wurden mit direkt am Körper getragenen Bewegungstrackern (MEMS) aufgezeichnet und hinterher separat ausgewertet.

Die Durchführung des Spielersatztrainings wurde unmittelbar nach dem Spiel als idealer Zeitpunkt angestrebt, wobei die Einheiten aus geradlinigen Intervall-Läufen zwischen Mittel- und Torauslinie von jeweils 15-30 Sekunden bestanden.

Ergebnisse

Im Schnitt dauerte eine Spielersatzeinheit etwa 17 Minuten, bei einer bewältigten Distanz von rund 1,7 km, wobei Spieler die im vorangegangenen Spiel nicht zum Einsatz gekommen waren größere Umfänge absolvierten als eingewechselte Ersatzspieler. Die im Schnitt beim Spielersatztraining zurückgelegten rund 0,4 km HSR entsprechen jedoch kaum der Hälfte der Distanz von etwa 0,8-1,0 km die Stammspieler typischerweise über 90 min im HSR bewältigen [5,9,18]. Zudem beinhaltet das Aufwärmprogramm von Einwechselspielern nur wenig oder gar kein HSR oder Sprints [10,12]. All das führt im Endeffekt dazu, dass Ersatzspieler die nur selten über 90 Minuten zum Einsatz kommen im Vergleich zu regelmäßig eingesetzten Stammspielern keiner adäquaten, für physische Anpassungen notwendigen Belastung ausgesetzt werden.

Zu berücksichtigende Faktoren

Auch wenn die Durchführung von Spielersatzeinheiten einige Vorteile bietet, so müssen dabei doch bestimmte Faktoren berücksichtigt werden. Die in der Studie beobachteten Einheiten dauerten nach Heimspielen länger als nach Auswärtsspielen und konnten einen höheren Trainingsstimulus setzen [14], da gerade nach Auswärtsspielen oft auf Grund von eingeschränkter Platznutzung [20] und langer Heimreisedauer nur wenig Zeit zur Verfügung steht. Nicht eingesetzte Ersatzspieler müssen sich zudem erst wieder aufwärmen. Deshalb kann es unter diesen Umständen sinnvoll sein, weniger intensive Laufeinheiten durchzuführen zu lassen und zusätzliche HSR und Sprints an einem anderen Tag innerhalb der Trainingswoche zu platzieren.

Um die Einheiten effektiv gestalten zu können, sollten außerdem der Trainingsstatus sowie die Spielposition (Abwehr, Mittelfeld oder Sturm) der beteiligten Spieler berücksichtigt und der Saisonzeitpunkt beachtet werden. Die Belastung zu Saisonbeginn muss auch in den Spielersatzeinheiten höher sein als in der Mitte oder am Ende der Saison [14]. Ähnliches gilt bei hoher Wettkampfdichte im Vergleich zu größeren Spielabständen. Hier finden vor allem eine vermehrte Anzahl an Beschleunigungen und Abbremsmanövern statt, was beim Spielersatztraining ebenfalls berücksichtigt werden sollte.

Fazit

Die gezielte Dokumentierung und Auswertung der Spielersatzeinheiten eines Profiteams über den gesamten Jahresverlauf zeigt, dass verschiedene Variablen Einfluss auf die Trainingsgestaltung haben, die nicht unmittelbar beeinflussbar sind. Diese Informationen können bei der Trainingsplanung behilflich sein, um so die Fitness von Einwechselspielern langfristig auf einem möglichst optimalen Niveau halten zu können. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass bestenfalls ein fußballspezifisches Setup gewählt wird, denn die physische Leistungsfähigkeit ist neben Faktoren wie Technik, Taktik und Kognition „nur“ ein Bestandteil der komplexen Spielleistung. 

Die Inhalte basieren auf der Studie “Profiling the Post-match Top-up Conditioning Practices of Professional Soccer Substitutes: An Analysis of Contextual Influences”, die 2020 im “Journal of Strength and Conditioning Research” veröffentlicht wurde.

Literatur

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