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Starke Jugend: Widerstands- vor Schnellkrafttraining

Nachwuchssportler sollten beim Krafttraining zunächst eine Basis durch Widerstands- und Gleichgewichtstraining aufbauen und erst dann die Schnellkraft trainieren

Athletik
Talententwicklung
Spieler einer U-Nationalmannschaft befinden sich mit ihrem Athletiktrainer in einem Kraftraum und trainieren mit Kettlebells.
    • Krafttraining führt zu einer methodenspezifischen, physiologischen Anpassung bei Kindern und Jugendlichen.
    • Bei der Sprunghöhe profitieren sie besonders von einem Schnellkrafttraining (z. B. Plyometrie), im Sprint und bei Maximalkraftleistungen von einem Widerstandstraining.
    • Die Effekte von Widerstandstraining bei Kindern und Jugendlichen sind insgesamt höher als die durch Schnellkrafttraining.
    • Voraussetzung für den Transfer von exzentrischen Kräften auf konzentrische Muskelleistung müssen erst geschaffen werden.
    • Es wird empfohlen, zunächst ein Widerstands- und Gleichgewichtstraining zu absolvieren, bevor intensivere Schnellkrafttrainingsmethoden angewandt werden.
Abstract

Krafttraining ist heute fester Bestandteil im Trainingsprogramm vieler jugendlicher Sportlerinnen und Sportler. Dabei wirken sich jedoch unterschiedliche Methoden des Krafttrainings auch verschieden auf den Körper junger Menschen aus. Wissenschaftler empfehlen, zunächst durch Widerstands-, Gleichgewichts- und Körperhaltungskontrolltraining eine Basis zu schaffen und erst dann, und in einem vielfältigen Gesamttrainingsplan, ein Schnellkrafttraining zu integrieren.

Falsche Annahme

Manch einer mag noch eine alte Weisheit im Ohr haben, nach der Jugendliche kein Krafttraining betreiben sollten. Damals glaubte man, dass das Training das Wachstum behindert und die Wachstumsfugen schädigt. Insbesondere die sogenannte Plyometrie, eine Form des Schnellkrafttrainings, war in Verruf, da sie häufig übertrieben und nicht altersgerecht angewandt wurde und damit bei Kindern Knochen-, Gelenk- und Bandverletzungen verursachte. Spätestens seit den 1990er Jahren und mit der Weiterentwicklung der Trainingsmethoden gelten diese Annahme jedoch als überholt und adressatengerechtes Krafttraining ist weitläufig fester Bestandteil im Nachwuchssport. Das Training sollte dazu an das biologische Alter, das Geschlecht, die Trainingsmethode, die Belastungsgestaltung und die trainierten Muskelgruppen angepasst sein.

Verschiedene Methoden des Krafttrainings

Ungeklärt war bis vor Kurzem jedoch, welche Methode des Krafttrainings sich wie auf Kraft- und Schnellkraftleistungen von Jugendlichen auswirkt. David Behm und Kollegen haben im Jahr 2017 eine Studie veröffentlicht, die die Auswirkung von verschiedenen Methoden des Krafttrainings bei Kindern und Jugendlichen vergleicht [1]. Sie fanden dabei Unterschiede, je nachdem ob das Krafttraining auf ein klassisches Widerstands- oder ein Schnellkrafttraining ausgelegt war.
Beim Widerstandstraining (mittels Zusatzgewicht oder eigenem Körpergewicht) arbeiten die Muskeln des Körpers, um einen Widerstand zu überwinden. Dabei wird üblicherweise der Widerstand mit zunehmender Trainingsdauer erhöht (progressiv), um permanente Anpassungen der Muskulatur zu erzielen und dadurch die Muskelkraft zu vergrößern.
Schnellkraft ist die größte Kraft, die in kürzest möglicher Zeit aufgewandt werden kann. Sie ist dann wichtig, wenn der eigene Körper oder auch Gegenstände schnell mit größter Kraft bewegt werden soll. Das plyometrische Training, eine Form des Schnellkrafttrainings, bei Nachwuchssportlern beinhaltet dabei vor allem das Trainieren von reaktiven Sprüngen.

Spezifisches Training für spezifische Bewegungen

Bei der Studie handelt es sich um eine sogenannte Metaanalyse. Dabei werden Daten mehrerer Einzelstudien zu einem bestimmten Thema gesammelt und mithilfe einer gemeinsamen Statistik ausgewertet. Die Autoren verglichen insgesamt 107 Einzelstudien, die die Wirkung der verschiedenen Methoden des Krafttrainings auf die Sprungkraft (Schnellkraftleistung), die Geschwindigkeit beim Sprinten (Schnelligkeitsleistung) und das Ein-Wiederholungsmaximum der unteren Extremitäten (Maximalkraftleistung) von Kindern und Jugendlichen untersuchten. In Tabelle 1 ist die Charakteristik beider Trainingsmethoden zusammenfassend dargestellt.

In der Tabelle werden die Kennzeichen der verglichenen Trainingsmethoden Widerstandstraining und Schnellkrafttraining abgebildet.
In der Tabelle werden die Kennzeichen der verglichenen Trainingsmethoden Widerstandstraining und Schnellkrafttraining abgebildet.

In der Theorie sollte dabei das Schnellkrafttraining (z. B. Plyometrie) die Sprunghöhe und die Sprintgeschwindigkeit stärker verbessern, als wenn ein Widerstandstraining durchgeführt wird. Das liegt daran, dass der Körper bei diesen schnellkräftigen Bewegungen (kurzer Dehnungsverkürzungszyklus) explosiv in eine bestimmte Richtung beschleunigt wird und durch die Spezifik der Bewegung die Schnellkraft vermehrt gefordert ist. Dagegen sollte das klassische Widerstandstraining die generelle physische Kapazität (z. B. Hypertrophie) und die Maximalkraft (z. B. Ein-Wiederholungsmaximum) verbessern.

Das Prinzip der Trainingsspezifität

In ihren Untersuchungen fanden Behm und Kollegen, dass Jugendliche höhere Leistungen in der Sprungkraft haben, wenn ein Schnellkraft- und kein Widerstandstraining eingesetzt wird. Das entspricht den Erwartungen, da die Trainingsspezifität (Geschwindigkeit, Kontraktionsform) beim durchgeführten Schnellkrafttraining größer für die explosiven Anforderungen des Springens ist.
Auch werden die Erwartungen dahingehend erfüllt, dass sich bei der getesteten Maximalkraft größere Veränderungen zeigen, wenn ein Widerstandtraining stattfand, als wenn der Fokus im Training auf der Schnellkraft liegt.
Entgegen der Theorie können Jugendliche schneller sprinten, wenn sie das Widerstandstraining und nicht das Schnellkrafttraining einsetzten. Die Autoren vermuten, dass bei Jugendlichen die exzentrische Kraft (wahrscheinlich auch die konzentrische Kraft) und die Gleichgewichtsfähigkeit noch nicht vollständig ausgeprägt sind. Eben diese sind aber beim Sprint mit seinem einseitigen Abstoßen und Landen vonnöten. Deshalb scheint hier das Widerstandstraining, als Voraussetzung für den Transfer von exzentrischen Kräften auf konzentrische Muskelleistung, effektiver zu sein als das Schnellkrafttraining.Insgesamt verbessert das Training der Schnellkraft alle drei Messgrößen (Sprunghöhe, Geschwindigkeit beim Sprinten und Maximalkraft unterer Extremitäten) nur gering. Die Effekte, die durch ein Widerstandstraining auf das Sprinten und auf die Kraft der unteren Extremitäten erzielt werden können, sind größer. Darüber hinaus sind die Auswirkungen von Krafttraining insgesamt erwartungsgemäß bei untrainierten Jugendlichen größer als bei trainierten. Auch jüngere Kinder profitierten stärker vom Krafttraining als ältere Jugendliche (s. Tabelle 2).

In der Tabelle werden die Ergebnisse der Subgruppenvergleiche von Schnellkraft und Widerstandstraining zusammengefasst.
In der Tabelle werden die Ergebnisse der Subgruppenvergleiche von Schnellkraft und Widerstandstraining zusammengefasst.
Widerstands- und Gleichgewichtstraining als Basis

Aufgrund ihrer Ergebnisse empfehlen die Autoren, bei Jugendlichen den Fokus zunächst auf ein Widerstandstraining zu legen. Dadurch soll eine breite Basis (Vergrößerung des Muskelquerschnitts, Verbesserung der Muskelrekrutierung) geschaffen werden, auf der später das Training der Schnellkraft aufbaut.
Frühere Studien hätten bereits gezeigt, dass ein begleitendes Training des Gleichgewichts und der Körperhaltungskontrolle möglichst früh eingeführt werden sollte, da es die Kraft, Schnellkraft und die Bewegungsgeschwindigkeit positiv beeinflusst. Diese, sowie das Training für die Schnellkraft sollten laut Behm und Kollegen jedoch nicht eigenständig stehen, sondern immer Teil eines ausgewogenen, vielfältigen Gesamttrainingsplanes sein. Es sollten insbesondere diejenigen Muskelgruppen belastet werden, in denen strukturelle und funktionelle Anpassungen erzielt werden sollen.

Die Inhalte basieren auf der Originalstudie "Effectiveness of traditional strength vs. power training on muscle strength, power and speed with youth: a systematic review and meta-analysis.”, die 2017 im "Frontiers in physiology" veröffentlicht wurde.

Weiterführende Links

Literatur

  1. Behm, D. G., Young, J. D., Whitten, J. H., Reid, J. C., Quigley, P. J., Low, J., ... & Prieske, O. (2017). Effectiveness of traditional strength vs. power training on muscle strength, power and speed with youth: a systematic review and meta-analysis. Frontiers in physiology, 8, 423.
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