Wissen
Trainer*innenverhalten: Auswirkung auf die Talententwicklung
Ein Vergleich zwischen autonomieförderndem und kontrollierendem Trainerverhalten
Take-aways:
- Autonomieförderndes Trainerverhalten kann zu einer Vielzahl an kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Vorteilen bei Nachwuchsspielern führen.
- Diskrepanz zwischen Forschung und Praxis bezüglich Trainerverhalten.
- Optimales Trainerverhalten kann geschult bzw. erlernt werden.
- Bisher Mangel an spezifischen Empfehlungen für die tägliche Arbeit von Trainern.
Abstract
Trainer beeinflussen durch ihr Verhalten die Entwicklung von Nachwuchsspielern. Im Vergleich zum kontrollierenden Verhalten, kann ein autonomieförderndes Trainerverhalten, welches Freiheit und Eigeninitiative bestärkt, zu einer Vielzahl an kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Vorteilen bei Nachwuchsspielern führen (z. B. höheres Maß an Wohlbefinden). Demnach sollten Trainer in ihrer Arbeit mit Spielern stets deren psychologische Basisbedürfnisse nach Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit berücksichtigen.
Welche Trainerstile gibt es?
Trainer beeinflussen durch ihr Verhalten die körperliche und mentale Entwicklung eines Sportlers [1]. Grundsätzlich lässt sich ein kontrollierendes und ein autonomieförderndes Trainerverhalten unterschieden [2]. Trainer können sich kontrollierend verhalten und dabei primär durch Druck und Autorität die Handlungen von Spielern beeinflussen [3]. Ein autonomiefördernder Trainer hingegen bestärkt Freiheit und Eigeninitiative der Spieler [4]. Die aktuelle Forschungslage befürwortet eine autonomiefördernde Herangehensweise, um die Entwicklung von Talent zu unterstützen [7,8].
Warum ist ein autonomieförderndes Trainerverhalten wichtig?
Jeder Mensch hat nicht nur physische Basisbedürfnisse (z. B. Nahrung, Schlaf), sondern auch psychologische. Im Zentrum stehen dabei die Bedürfnisse nach Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit (Selbstbestimmungstheorie nach [5], Abbildung 1).
Im Sport ist insbesondere das Trainerverhalten nachweislich sehr relevant für das Empfinden von Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit. Autonomieförderndes Verhalten kann sich positiv auf die Befriedigung dieser drei Basisbedürfnisse auswirken [6]. Fußballspieler, die ihre Trainer als autonomiefördernd empfinden, fühlen sich selbst kompetenter, autonomer und eingebundener [7,8].
Ein hohes Maß an Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit führt wiederrum zur Entwicklung und Förderung von selbstbestimmter Motivation bei Spielern [9]. Zum Beispiel sind im Fußball Kinder und Jugendliche selbstbestimmt, wenn sie spielen weil es A) ihnen Spaß macht, B) eine persönliche Bedeutung und Wichtigkeit hat und C) daraus Ziele und Werte im Selbstverständnis integriert werden können. Im Gegenzug sind Spieler weniger selbstbestimmt, wenn sie nur aufgrund einer erwarteten Belohnung oder Bestrafung oder zur Vermeidung von Schuld und Scham handeln [5]. Eine selbstbestimmte Motivation von Sportlern kann mit einer Vielzahl von kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Vorteilen verbunden sein:
- Steigerung der kognitiven und motorischen Lernfähigkeit [10],
- Mehr Einsatz und Eifer [11],
- Gestärkte Fähigkeit Probleme wie bspw. Verletzungen zu verarbeiten [12],
- Höheres Maß an Wohlbefinden [7],
- Niedrigeres Risiko für Burnout [13].
Wie wird ein autonomieförderndes Trainerverhalten erfasst?
Das Trainerverhalten wird in wissenschaftlichen Studien oder sportpsychologischen Anwendungen in Teilen objektiv durch Beobachtungen [18], häufig jedoch durch Fragebögen erfasst. Die Qualität dieser Instrumente hat sich in der Wissenschaft und Praxis bewährt. Menschen tendieren allerdings generell dazu ihr eigenes Verhalten als überdurchschnittlich zu bewerten [19] und speziell bei Trainern kommt es oftmals zu Unterschieden zwischen dem selbstbewerteten und tatsächlichen Verhalten [20]. Deshalb wird in der Forschung primär auf Instrumente wie den Sport Climate Questionnaire [21] zurückgegriffen, mit dem das Trainerverhalten aus Sicht der Athleten evaluiert wird. Dieser Fragebogen besteht aus 15 Items, anhand derer Sportler das Verhalten ihres Trainers auf einer Skala von 1 bis 7 beurteilen können (z. B. „Mein Trainer ermutigt mich Fragen zu stellen“). Zu beachten ist hierbei, dass man Athleten in eine Lage versetzt, die es ermöglicht tatsächliche Empfindungen anstelle von sozial erwünschten Antworten zu äußern.
Neben der Erfassung des Trainerverhaltens erscheint auch die Messung der drei psychologischen Basisbedürfnisse sowie der Motivation von Sportlern als wichtig für die Sportpraxis, da dadurch die Auswirkungen des Trainerverhaltens direkt evaluiert werden können. Hierfür wurden insbesondere die Sport Motivation Scale [17], Sport Motivation Scale-6 [22] und Basic Needs Satisfaction in Sport Scale [23] häufig verwendet.
Wie kann ein Trainer autonomiefördernd agieren?
Allgemein gesagt, versucht ein autonomiefördernder Trainer sowohl „auf dem“ als auch „neben dem Platz“ mit möglichst wenig Druck und Kontrolle mit seinen Spielern zu arbeiten. Im Fokus liegt dabei stets die Befriedigung der drei psychologischen Basisbedürfnisse. Bartholomew, Ntoumanis und Thogersen-Ntoumani [3] deuten eine Vielzahl an kontrollierenden Verhaltensweisen an, die Trainer idealer Weise vermeiden sollten (z. B. materielle Belohnungen, Einschüchterung). Einen anderen Ansatz wählen Mageau und Vallerand [4], die sieben Verhaltensmuster darstellen um die Kompetenz, Autonomie und soziale Eingebundenheit von Athleten zu stärken (Abbildung 2).
Obwohl dies die bisher wohl umfassendsten und empirisch fundierten Empfehlungen darstellen, liegt eine aktuelle Forschungslücke im Mangel an spezifischen Verhaltensvorschlägen. Entsprechend könnten Trainer in ihrer täglichen Arbeit von konkreten Strategien profitieren, welche autonomieförderndes Verhalten detailliert beschreiben. Um diese Lücke zu schließen wurde aktuell eine qualitative Studie im Rahmen des DFB-Talentförderprogramms durchgeführt [25]. Insgesamt wurden hierbei 16 Nachwuchstrainer im Leistungsbereich (darunter z.B. zwei Jugendnationaltrainer und drei sportliche Leiter eines Nachwuchsleistungszentrums) nach Strategien gefragt, die sie schon verwendet haben um die psychologischen Basisbedürfnisse von Spielern zu fördern. Allgemein ergaben sich hierbei eine Vielzahl an Empfehlungen, die in fünf übergreifende Verhaltensweisen eingeteilt werden können (Abbildung 3).
Diskussion
Trainer spielen eine entscheidende Rolle in der körperlichen und mentalen Entwicklung eines Sportlers [1]. Während in der Literatur eine Fülle von Empfehlungen für Trainer vorliegen um diese Entwicklung optimal zu fördern, gibt es leider immer noch Abweichungen zwischen aktuellen, evidenzbasierten Hinweisen und deren tatsächlicher Umsetzung. So gibt es weiterhin genügend Trainer die trotz der offensichtlichen Vorteile eines autonomiefördernden Verhaltens – bewusst oder unbewusst – auf einen kontrollierenden Trainerstil zurückgreifen [4]. Dieses als „theory-practice gap“ bezeichnete Phänomen unterstreicht die Bedeutung einer effektiven Zusammenarbeit zwischen Forschern und Trainern um diese Lücke möglichst wirksam zu schließen [24].
Zudem ist es wichtig zu verstehen, warum es zu dieser „Kluft“ zwischen Empirie und Praxis kommt. Zum einen eignen sich Trainer ihr Wissen oftmals durch ihre persönliche Erfahrung als Sportler sowie durch Interaktionen mit anderen Trainern und Mentoren an [24]. Cushion, Ford und Williams [24] weisen darauf hin, dass dieser Prozess zu „altmodischen“ Verhaltensweisen und Ideologien führen kann, die nicht dem aktuellen Forschungsstand angepasst sind. Zudem herrscht vor allem in westlichen Kulturen noch häufig die Meinung, dass ein kompetenter Trainer Sportler eng führen muss, weshalb ein mehr kontrollierender Trainerstil oft fälschlich als effektiver eingeschätzt wird [4]. Selbst wenn Trainer autonomiefördernd handeln wollen, gibt es außerdem eine Vielzahl von situations- und umweltbezogenen Faktoren (z. B. Erfolgsdruck), die die Verwendung von autonomiefördernden Strategien einschränken [4]. Eine engere Kooperation zwischen Forschung und Praxis erscheint daher erstrebenswert. Positiv ist hierbei die Entwicklung zu einem verstärkten Angebot und höherer Akzeptanz sowie Verwendung von Schulungsmaßnahmen für Trainer hervorzuheben [25]. In einem aktuell durchgeführten systematischen Übersichtsartikel wurde gezeigt, dass solche Maßnahmen mit Trainern (und Sportlehrern) größtenteils signifikante und positive Auswirkungen auf deren Verhalten haben [26].
Autoren des Textes sind Prof. Johannes Raabe von der Pennsylvania State University (USA) und Dr. Svenja Wachsmuth von der Universität Tübingen. Die Inhalte basieren auf der Originalstudie "The coach-athlete relationship: A motivational model.", die 2003 im "Journal of Sports Science" veröffentlicht wurde.
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Literatur
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