Wissen

Trainingsmonitoring der Beanspruchung von Athleten

Subjektive Selbsteinschätzungen spiegeln Trainingsbeanspruchungen mit größerer Sensitivität und Konsistenz wider als objektiv erhobene Messwerte

Sonstiges
Medizin
Spieler der deutschen Nationalmannschaft wärmen sich während einer Trainingseinheit auf.
    • Selbsteinschätzungsmethoden zur psychophysischen Befindlichkeit können Beanspruchungszustände hinreichend abbilden.
    • Subjektiv und objektiv erhobene Parameter hängen hinsichtlich der Darstellung von Beanspruchungsbelastung nicht zusammen. 
    • Subjektive Kriterien sind sowohl bei der Erfassung der kurzfristigen als auch der langfristigen Trainingsbeanspruchung empfindlicher und konsistenter als objektive Parameter.
    • Das subjektive Wohlbefinden verschlechterte sich typischerweise mit der Zunahme der aktuellen sowie langfristigen Trainingsbelastung und verbesserte sich mit einer Abnahme der aktuellen Trainingsbelastung.  
    • Die regelmäßige Erfassung subjektiver Einschätzungskriterien mithilfe von POMS, RESTQ-S und DALDA empfiehlt sich als Ergänzung zur Erhebung objektiver Parameter.
Abstract

Die Überwachung der Trainingsbeanspruchung kann die Trainingssteuerung verbessern und helfen, Trainingsreize so zu setzen, dass sich die Leistungsfähigkeit des Sportlers erhöht, ohne seine Belastbarkeit zu übersteigen und ein Übertraining zu riskieren. Für ein solches Monitoring werden in der Trainingspraxis objektive Leistungs- und Beanspruchungsparameter (u. a. Blutwerte, Herzfrequenz) sowie subjektive Bewertungen (z. B. empfundenes Stresslevel, Stimmung) der Athleten genutzt. Eine Literaturstudie hat 54 Studien analysiert, die beide Erfassungsmethoden untersucht haben. Geprüft wurde, ob die Selbsteinschätzung und die physiologisch-medizinische Überwachung Belastungsänderungen (kurzfristig und langfristig) gleichermaßen abbilden und welche Methode zum Monitoring der Beanspruchung geeigneter erscheint. 

Monitoring der Belastungsbeanspruchung für eine optimale Trainingssteuerung

Damit Sportler ihr Leistungsniveau verbessern und im Wettkampf zur Höchstform auflaufen können, müssen die Anforderungen im Training kontinuierlich steigen. Eine umsichtige Belastungssteuerung sorgt für eine gesunde Leistungsentwicklung und das Auslösen von Anpassungsprozessen. Die Überwachung der Beanspruchungsbelastung hilft, frühzeitig zu erkennen, ob sich äußere Belastung und innere Beanspruchung die Waage halten. So mindern Trainer das Risiko einer trainingsbedingten Überlastung, die zu Leistungsabfällen und Verletzungen führen kann.

Um die Wechselwirkung zwischen Trainingsbeanspruchung und Leistungsveränderungen sowohl kurzfristig (akut) als auch langfristig (chronisch) zu überwachen, werden in der Trainingspraxis verschiedene Erfassungsmethoden genutzt. Sie reichen von Leistungs- und Belastungsparameter über biochemische Laborwerte bis zur Abfrage der persönlich empfundenen Befindlichkeit bei den Sportlern. Noch aber ist sportmedizinisch nicht eindeutig nachgewiesen, wie sich Überlastungsreaktionen anhand von objektiven hormonellen, Immun-, Entzündungs- oder Blutparametern fehlerfrei erkennen lassen. Es fehlt ein eindeutig etablierter Marker, der einen Erschöpfungszustand verlässlich kennzeichnet [1]. Auch haben sich Verfahren wie tägliche Maximalkrafttests – besonders aus Athletensicht – als unpraktisch erwiesen, um eine Überlastung anzuzeigen [2].  

Einigkeit besteht unter Sportmedizinern aber darin, dass psychologische Anzeichen, wie eine Stimmungsverschlechterung und Symptome, die denen einer klinischen Depression ähneln, auf einen sich anbahnenden Übertrainingszustand hinweisen können [3, 4]. Zwar ist die Erhebung des subjektiv empfundenen Wohlbefindens in der Überwachungsroutine vergleichsweise einfach und günstig umzusetzen. Allerdings war bislang unklar, wie aussagekräftig die Selbsteinschätzung wirklich ist und ob sie Überbeanspruchungszustände verlässlich widerspiegeln kann.

Kann die subjektive Befindlichkeit Übertraining effektiv anzeigen?

Ein systematische Übersichtsstudie hat deshalb die Forschungserkenntnisse aus 54 Einzelstudien zur Trainingsbeanspruchungsüberwachung analysiert und miteinander verglichen. Ausgewählt wurden solche Studien, die sich mit subjektiven Bewertungsmethoden mithilfe von standardisierten Fragebögen – zum Beispiel „Profile of Mood States“ (POMS) zur Erfassung der Stimmung [5], „Recovery Stress Questionnaire for Athletes“ (RESTQ-S) zum empfundenen Stresslevels [6] oder „Daily Analysis of Life Demands of Athletes“ (DALDA) [7] – und/oder mit objektiven Parametern (z. B. Blutwerte, Herzfrequenz, Sauerstoffverbrauch) beschäftigt haben. 

Im Vergleich zeigte sich, dass die Selbsteinschätzung von Sportlern Veränderungen in der Trainingsbelastung genauer und konsistenter anzeigen als objektive Parameter. Das hat sich nicht nur im Falle des aktuellen Trainingszyklus bestätigt, sondern auch über langfristige Trainingsperioden hinweg, in denen sich ein anbahnendes Übertrainingssyndrom vergleichsweise schwerer erkennen lässt  aufgrund des allmählicheren Fortschritts. Insbesondere die Teilbereiche in den standardisierten Fragebögen, die nicht auf trainingsbezogene Aspekte, sondern auf das allgemeine Wohlbefinden abstellen, tragen dazu bei, die langfristigen Trainingsbelastungen zu erfassen. Laborwerte wie die Kreatinkinase scheinen hier ungeeigneter zu sein. Vermutlich aufgrund der minimalen Muskelschäden, die das übliche Training hervorruft.  

Die Abfrage subjektiver Kriterien, vor allem Stimmungsschwankungen, persönlich empfundener Stress und Erholung sowie Stresssymptome, haben sich verglichen mit den objektiven Parametern als empfindlicher und konsistenter erwiesen. Die Mehrzahl der analysierten Studien empfehlen die Nutzung von subjektiven Erfassungsmethoden. Auch wenn subjektive und objektive Parameter den Beanspruchungszustand nicht übereinstimmend widerspiegeln, lautet die Empfehlung der Übersichtsstudie, beide Methoden zur Überwachung der Beanspruchungsbelastung zu nutzen, weil sie sich gut ergänzen und so ein komplettes Bild der äußeren Belastung und inneren Beanspruchung entsteht. 

Die Inhalte basieren auf der Studie "Monitoring the athlete training response: subjective self-reported measures trump commonly used objective measures: a systematic review ", die 2016 im „British Journal of Sports Medicine" veröffentlicht wurde. 

Literatur

  1. Saw, A.E., Main, L.C., Gastin, P.B. (2016). Monitoring the athlete training response: subjective self-reported measures trump commonly used objective measures: a systematic review. British Journal of Sports Medicine, (50) 281-291
    Studie lesen
    1. Coutts, A., & Cormack, S. (2014). Monitoring the training response. High-performance training for sports, 71-84.

    2. Currell, K., & Jeukendrup, A. E. (2008). Validity, reliability and sensitivity of measures of sporting performance. Sports medicine, 38(4), 297-316.

      Studie lesen
    3. Armstrong, L. E., & Vanheest, J. L. (2002). The unknown mechanism of the overtraining syndrome. Sports medicine, 32(3), 185-209.

      Studie lesen
    4. Morgan, W. P., Brown, D. R., Raglin, J. S., O'connor, P. J., & Ellickson, K. A. (1987). Psychological monitoring of overtraining and staleness. British journal of sports medicine, 21(3), 107-114.

      Studie lesen
    5. McNair P, Lorr M, Droppleman L. (1981). POMS manual. 2nd edn. San Diego, CA: Education and Industrial Testing Service.

    6. Kellmann, M., Kallus, K. (2001) Recovery-stress questionnaire for athletes: user manual. Champaign, IL: Human Kinetics

    7. Rushall, B.S. (1990). A tool for measuring stress tolerance in elite athletes. Journal of Applied Sports Psychology 2, 51–66.

      Studie lesen