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FIFA 11+ Kids: Verletzungspräventionsprogramm für junge Spieler

Das Warm-up FIFA 11+ Kids halbiert die Verletzungsrate und reduziert die Anzahl schwerer Verletzungen

Athletik
Talententwicklung
Medizin
Die deutsche U 16-Junioren im Trainingslager © 2019 Getty Images
    • Ein internationales Expertenteam hat ein 20-minütiges Aufwärmprogramm für Kinder entwickelt, um Verletzungen vorzubeugen.
    • Das FIFA 11+ Kids-Programm besteht aus sieben Aufwärmübungen, die zu Beginn des regulären Fußballtrainings und vor einem Pflichtspiel absolviert werden können.
    • Eine groß angelegte Untersuchung mit knapp 4.000 Kindern zwischen 7 und 12 Jahren in vier Ländern hat die Wirksamkeit des Programms bescheinigt. 
    • Das FIFA 11+ Kids-Programm halbiert die Verletzungshäufigkeit und senkt schwere Verletzung um knapp 60 Prozent.
    • Die Studienautoren empfehlen eine zweimalige Anwendung pro Woche. 
Abstract

Das Präventionsprogramm FIFA 11+ Kids führt im Kinderfußball nachweislich zu weniger Verletzungen. Es ist angelehnt an das Aufwärm- und Kräftigungsprogramm FIFA 11+. Eine Sekundärstudie hat sich der Untersuchung von schweren Verletzungen gewidmet und das Verletzungsgeschehen von jungen Spielern untersucht, die das 11+ Kids-Warm-up regelmäßig durchführten. Das Ergebnis: Das 15- bis 20-minütige Warm-up kann schwere Verletzungen, die zu Ausfallzeiten von mehr als 28 Tagen führen, um nahezu 60 Prozent senken. Die verletzungspräventionsfördernden Effekte sollten Nachwuchstrainer motivieren, ein solches Programm in Kinderfußball anzuwenden. 

Kinder verletzen sich beim Fußball anders als Erwachsene

Ein unglücklicher Sturz, ein schlecht getimter Bewegungswechsel, ein Zusammenstoß in vollem Lauf – Verletzungen sind bei der dynamischen Kontaktsportart Fußball nicht ausgeschlossen. Auch im Kinderfußball ist Prävention ein wichtiges Thema: Fast ein Viertel aller Fußballverletzungen bei Kindern sind so gravierend, dass die Verletzten mindestens 28 Tage lang nicht spielfähig sind. Das zeigt eine Datensammlung aus den Altersgruppen zwischen sieben und zwölf Jahren, die an der Universität Basel erhoben wurde [1, 2]. Solche Erfahrungen dämpfen die Begeisterung für den Sport und können dazu führen, dass junge Fußballer vorzeitig aus dem regelmäßigem Training aussteigen. 

Um Verletzungen gezielt im Training vorzubeugen, hat ein internationales Expertenteam ein 20-minütiges Aufwärm- und Präventionsprogramm speziell für Kinder entwickelt. FIFA 11+ Kids [3] basiert auf dem FIFA 11+-Programm, das vor zehn Jahren am FIFA-Zentrum für medizinische Auswertung und Forschung (F-MARC) entwickelt worden ist. Dieses 30-minütige Warm-up hat sich in klinischen Studien als besonders wirksam erwiesen, um durch eine gezielte Kombination von Bewegungs- und Stabilitätsübungen die Verletzungshäufigkeit bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 14 Jahren um 32 bis 72 Prozent zu senken.

Bei unter 14-Jährigen beobachten Sportwissenschaftler jedoch andere Verletzungsmuster als bei Junioren und Erwachsenen. „Kinder erleiden beispielsweise häufiger Knochenbrüche oder Verletzungen der oberen Extremitäten“, sagt Dr. Oliver Faude vom Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit der Universität Basel. Ein spezifisches Warm-up für Kinder muss auch deshalb anders aussehen als bei älteren Spielern.

Spezielles Aufwärmprogramm für das Kinderfußball-Training

Das 11+ Kids-Programm [3] besteht aus sieben Aufwärmübungen, die zu Beginn des regulären Fußballtrainings und vor einem Spiel absolviert werden sollen. Drei Übungen zielen auf die Beinachsenstabilität und das Gleichgewicht ab (Hüpfen, Springen und Landen), weitere drei auf die Kräftigung aller Muskelgruppen mit Stabilisierung der Rumpfmuskulatur und eine auf korrektes Fallen und Abrollen. Für jede Übung gibt es fünf Schwierigkeitsstufen, die abhängig vom Alter der Kinder (7-13 Jahre) und deren motorischen und körperlichen Fähigkeiten gesteigert werden können (Link zum Manual und Plakat).

11+ Kids-Warm-up halbiert die Verletzungshäufigkeit

Dass sich das Programm bewährt, hat eine kontrollierte, randomisierte Studie [4] gezeigt. Dafür wurden die Verletzungsdaten von 3.895 Kindern im Alter von sieben bis dreizehn Jahren aus Vereinen aus der Schweiz, Deutschland, der Tschechischen Republik und den Niederlanden über eine Saison hinweg gesammelt und ausgewertet. Während die Kontrollgruppe ihr Training wie gewohnt absolvierte, wärmte sich die Interventionsgruppe mit dem 11+ Kids-Programm auf. Das Ergebnis: Die Verletzungsrate in der Interventionsgruppe war insgesamt um 48 Prozent geringer als in der Kontrollgruppe. Die Anzahl von schweren Verletzungen ging ebenfalls zurück und die Länge der Abwesenheit vom Training bis zur Rückkehr war in der Interventionsgruppe signifikant kürzer.

Risiko schwerer Verletzungen sinkt laut Sekundäranalyse um fast 60 Prozent

Eine Sekundäranalyse hat jetzt die Daten der Originalstudie allein im Hinblick auf schwere Verletzungen, d. h. solche mit einer Trainingspause von mehr als 28 Tagen, näher untersucht. 
In der Kategorie der schweren Verletzung reduziert die regelmäßige Anwendung des 11+ Kids-Warm-ups die Anzahl der Verletzungen um 58 Prozent (s. Tab 1). Bezogen auf die Körperregion sind vor allem bei den unteren Extremitäten große Effekte zu verzeichnen. Während in der Interventionsgruppe elf schwere Verletzungen der unteren Extremitäten beobachtet wurden, waren es in der Kontrollgruppe ohne das 11+ Kids-Programm 33 Verletzungen. Im Vergleich der Verletzungsarten traten im Unterschied zu Erwachsenen in beiden Gruppen Knochenbrüche am häufigsten auf. In der Kontrollgruppe waren es jedoch mehr als doppelt so viele (24 Knochenbrüche) als in der Interventionsgruppe (11 Brüche). Denkbar ist, dass die Fallübungen des 11+ Kids-Programms zu einem solchen Unterschied beitrugen. 

Die Tabelle zeigt eine Übersicht der Verletzungshäufigkeiten von schweren Verletzungen und der Gesamtbelastungsdauer einer Kontrollgruppe und einer Interventionsgruppe.
Die Tabelle zeigt eine Übersicht der Verletzungshäufigkeiten von schweren Verletzungen und der Gesamtbelastungsdauer einer Kontrollgruppe und einer Interventionsgruppe.

Eine Betrachtung des Verletzungsrisikos in Bezug auf die Bodenbeschaffenheit hat gezeigt, dass die meisten Verletzungen auf Kunstrasen auftraten, gefolgt von Naturrasen und Hallenboden. Auch hier konnten signifikante Verletzungsrückgänge in der Interventionsgruppe verzeichnet werden.

Fazit: Gut aufgewärmt, weniger verletzt

Die größten Präventionseffekte brachte das 11+ Kids-Programm da, wo es regelmäßig mindestens zweimal wöchentlich im regulären Training durchgeführt wurde. Je genauer die einzelnen Übungen ausgeführt werden, desto wirksamer wird das Verletzungsrisiko gesenkt. Die nachweislich förderlichen Effekte zur Verletzungsprävention sollten Nachwuchstrainer motivieren, ein solches Programm im Kinder- und Jugendfußball anzuwenden.

Die Inhalte basieren auf der Studie "Effects of the ‘11+ Kids’ injury prevention programme on severe injuries in children’s football: a secondary analysis of data from a multicenter cluster-randomised controlled trial", die 2018 im „British Journal of Sports Medicine" veröffentlicht wurde. 

Weiterführende Links

Literatur

  1. Beaudouin, F., Rössler, R., aus der Fünten, K. et al. (2018). Effects of the ‘11+ Kids’ injury prevention programme on severe injuries in children’s football: a secondary analysis of data from a multicenter cluster-randomised controlled trial. British Journal of Sports Medicine, 0: 1-7
    Studie lesen
    1. Rössler, R., Junge, A., Chomiak, J., Dvorak, J., & Faude, O. (2016). Soccer injuries in players aged 7 to 12 years: a descriptive epidemiological study over 2 seasons. The American journal of sports medicine, 44(2), 309-317.

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    2. Rössler, R., Junge, A., Chomiak, J., Němec, K., Dvorak, J., Lichtenstein, E., & Faude, O. (2018). Risk factors for football injuries in young players aged 7 to 12 years. Scandinavian journal of medicine & science in sports, 28(3), 1176-1182.

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    3. Rössler, R., Donath, L., Bizzini, M., & Faude, O. (2016). A new injury prevention programme for children’s football–FIFA 11+ Kids–can improve motor performance: a cluster-randomised controlled trial. Journal of sports sciences, 34(6), 549-556.

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    4. Rössler, R., Junge, A., Bizzini, M., Verhagen, E., Chomiak, J., Aus der Fünten, K., ... & Faude, O. (2018). A multinational cluster randomised controlled trial to assess the efficacy of ‘11+ Kids’: a warm-up programme to prevent injuries in children’s football. Sports Medicine, 48(6), 1493-1504.

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