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Nahrungsergänzung: Kleiner Zusatz, großer Nutzen?

Spitzensportler sollten sorgsam abwägen, bevor sie Nahrungsergänzungsmittel einnehmen

Es sind zwei deutsche U-Nationalspieler zu sehen, die anstehen um sich etwas am Buffet zu Essen zu nehmen.
    • Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ist unter Leistungssportlern zahlreicher Sportarten weit verbreitet – genaues Wissen über die Wirkungsweise und möglichen Risiken fehlt dabei vielen Athleten.
    • Bei einer Einnahme sollte der Nutzen immer sorgsam gegen mögliche Risiken abgewogen werden.
    • Präparate können sogar verbotene Substanzen enthalten und gesundheitsschädlich sein.
    • Unter kontrollierter medizinischer Begleitung, kann die Einnahme von Koffein, Kreatin, Nitrat oder bestimmten Präparaten zur Erhöhung der Pufferkapazität positive Leistungseffekte erzielen.
Abstract

Die Ernährung leistet einen wertvollen Beitrag zur erfolgreichen Leistung bei Spitzensportlern. Darüber hinaus werden Nahrungsergänzungen im Leistungssport diskutiert. Sie zielen darauf ab, einen akuten Mangel an Nährstoffen auszugleichen, die tägliche Ernährung zu unterstützen oder die Leistung sowohl direkt als auch indirekt zu steigern. In jedem Fall sollten Leistungssportler Nutzen und Risiken der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, unter Einbindung von Sportmedizinern oder Ernährungsberatern, äußerst sorgsam abwägen.

Vorsicht bei der Einnahme

Grundsätzlich ist bei der Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln Vorsicht geboten. Denn während einige Präparate bei angemessener Anwendung Vorteile für Sportler versprechen, sind andere schädlich für die Gesundheit, die Leistung oder, bei einem Verstoß gegen die Doping-Bestimmungen der World Anti-Doping Agency (WADA, Verbotsliste 2019), sogar die Karriere.

Ein IOC Consensus Statement verfasst von Ronald Maughan und 20 weiteren führenden Wissenschaftlern hat nun die wichtigsten Erkenntnisse zum Thema Nahrungsergänzungen bei Spitzensportlern zusammengefasst [1]. Die Autoren unterscheiden dabei zwischen

  • Nahrungsergänzungsmitteln, die einem Nährstoffmangel vorbeugen oder ihn behandeln,
  • Sportlernahrung, die eine praktische Form der Energieaufnahme darstellen und 
  • Nährstoffen, die direkt oder indirekt die sportliche Leistung beeinflussen.
Nährstoffmangel

Besteht ein ernsthafter Nährstoffmangel, kann dies die Leistungen von Spitzensportlern stark beeinflussen. Zu den Mikronährstoffen, bei denen am häufigsten ein Mangel auftritt, gehören Vitamin D, Eisen und Calcium.

Vitamin D kann mit Hilfe von Sonnenlicht durch den Körper selbst produziert oder durch die Nahrung aufgenommen werden. Ein Mangel ist unter anderem vom Hauttyp abhängig und davon wie vielem Sonnenlicht die betreffende Person ausgesetzt ist. Dunklere Hauttypen, Menschen, die in nördlichen Breitengraden wohnen und/oder selten der Sonne ausgesetzt sind, haben dabei ein höheres Risiko für einen Mangel. Dieser kann viele verschiedene Systeme des Körpers beeinflussen.

Ein Eisenmangel kann durch eine zu geringe Zufuhr über die Nahrung, eine verminderte Aufnahme des Körpers oder auch einen erhöhten Bedarf, beispielsweise durch schnelles Wachstum, Höhentraining, Menstruationsblutungen oder auch bestimmte Erkrankungen ausgelöst werden. Ein Eisenmangel kann einen starken Leistungsabfall zur Konsequenz haben. Helfen kann eine Ernährungsumstellung und/oder eine Einnahme von Eisenpräparaten. Eine Überdosierung kann jedoch auch zu Magen-Darm-Beschwerden und schlimmstenfalls sogar Leberversagen führen. Auch hier gilt es also, die jeweils richtige Dosierung unter ärztlicher Beratung zu finden.

Menschen, die wenig Milchprodukte zu sich nehmen oder insgesamt durch eine spezielle Diät wenig Energie aufnehmen, können leicht einen Calciummangel aufweisen. Dieser wird meist spät festgestellt, kann sich aber beispielsweise auf die Knochendichte auswirken. Ist es nicht möglich, die Zufuhr durch eine Ernährungsumstellung zu ändern, können auch Calciumpräparate eingenommen werden. Wird zu viel Calcium aufgenommen, kann dieses im Normalfall vom Körper über den Stuhl abgegeben werden. Nur in Kombination mit anderen Nahrungsergänzungsmitteln wie Vitamin D kann es zu gesundheitlichen Einschränkungen kommen.

Über die drei wichtigsten Mikronährstoffe hinaus könnte eine Nahrungsergänzung von Jod (in Gegenden mit niedrigem Jodgehalt in Lebensmitteln), Folsäure (für Frauen, die schwanger werden könnten) und Vitamin B12 (für Veganer) bei nachgewiesenem Mangel eine Rolle spielen.

Bevor Mikronährstoffe aller Art ergänzt werden, sollte jedoch eine verlässliche Diagnose gestellt werden. Eine Checkliste (ABB. 1) gibt Anhaltspunkte für eine Kosten-Nutzen-Abwägung. 

Sportlernahrung

Für die tagtägliche Ernährung von Spitzensportlern gibt es grundsätzlich klare Richtlinien. Da es manchmal jedoch nicht praktikabel ist, die empfohlenen Ernährungsziele durch die tägliche Ernährung zu erfüllen, greifen viele Sportler auf spezielle Sportlernahrung zurück. Die Sportlernahrung reicht dabei von isotonischen Getränken, Energy-Drinks, Sportlergels, Elektrolytpulver bis zu Proteinpulver, -shake, oder -riegel. Wenngleich diese Produkte meist teurer sind als herkömmliche Lebensmittel, ist die Einnahme von Sportlernahrung für Spitzensportler häufig eine praktikable und wenig risikoreiche Alternative.

Direkte Auswirkung auf die Leistung

Es gibt einige Nahrungsergänzungsmittel, die eine direkte Leistungssteigerung bei Sportlern versprechen. Dazu gehören Koffein, Kreatin, Nitrat, Beta-Alanin und Natriumbikarbonat.

Koffein wirkt bekanntermaßen auf die Ausdauer- und Sprintwiederholungsleistungsfähigkeit. Hier scheint jedoch die Dosierung ausschlaggebend, da eine zu hohe Dosis (≥ 9 mg/kg Körpergewicht) beispielsweise Unruhe und Schlaflosigkeit fördern können.

Kreatinpräparate erhöhen die Vorräte an Muskelkreatin und dadurch die hochintensive Trainingskapazität. Bei der Einnahme sind laut Maughan et al., 2018 keine negativen gesundheitlichen Langzeitfolgen (bis zu vier Jahre) bekannt. Das Körpergewicht kann jedoch durch Wassereinlagerungen um ca. 1-2 Kilogramm ansteigen und dadurch Faktoren, wie die Sprungleistung beeinflussen.

Die Einnahme von Nitrat-Präparaten ist mit den Jahren populär geworden. Nitrat kann die Funktion der Skelettmuskulatur positiv beeinflussen. Bisher sind wenige Nebenwirkungen bekannt, dennoch könnte der Magen-Darm-Trakt durch eine zu hohe Dosierung beeinflusst werden.

Beta-Alanin erhöht die intrazelluläre Pufferkapazität und hat eine potenziell vorteilhafte Wirkung bei hoch intensivem Training. Es gibt jedoch enorme individuelle Unterschiede in den Studienresultaten und weitere Studien sind nötig, um den praktischen Nutzen genauer beurteilen zu können.

Natriumbikarbonat verändert die extrazelluläre Pufferkapazität und könnte dadurch die hoch intensive Trainingsleistung erhöhen. Bei der Einnahme treten häufig Magen-Darm-Beschwerden auf, die verringert werden können, indem gleichzeitig Kohlenhydrate konsumiert werden, oder die Dosen angepasst werden.

Grundsätzlich sollten leistungssteigernde Nahrungsergänzungsmittel nur dann eingenommen werden, wenn wissenschaftliche Studien sie als sicher, legal und wirksam einstufen. Die Athleten sollten eine sorgfältige Risikoanalyse (siehe ABB. 2) durchführen. Dabei ist es auch möglich, dass das Risiko eines versehentlichen Dopings aufgrund von Kontamination einer möglichen geringfügigen Leistungssteigerung überwiegt. Zudem sollten man die Präparate zunächst im Training oder weniger wichtigen Wettkämpfen testen, bevor sie bei bedeutungsvollen Spielen zum Einsatz kommen.

Indirekte Auswirkung auf die Leistung

Neben Nahrungsergänzungsmitteln, die sich direkt auf die Leistung auswirken, gibt es auch solche, die angeben, die Leistung indirekt zu verbessern. Es wird insbesondere versprochen, dass sie die Gesundheit, die Körperzusammensetzung und die Fähigkeit des Athleten unterstützen, hart zu trainieren, sich schnell zu erholen, sich optimal anzupassen, Verletzungen zu vermeiden oder Schmerzen zu tolerieren.

Zu den Nährstoffen mit nachgewiesenermaßen moderaten Effekten auf das Immunsystem gehören laut Maughan et al., 2018, Vitamin D, Probiotika und Vitamin C. Moderaten bis geringen Einfluss zeigten kohlenhydrathaltige Gele oder Getränke, Rinderkolostrum (die erste Milch der Kuh), Polyphenole und Zink zur Behandlung von beginnenden Infekten der oberen Atemwege (bei der Prävention dieser Infekte zeigte sich Zink als wirkungslos). Einen lediglich geringen Effekt auf die Immunabwehr hatten in Studien Glutamin, Koffein, Echinacea und Omega-3-Fettsäuren. Keinerlei Effekt ließ sich durch Vitamin E und ß-glucane nachweisen. Insgesamt scheint die Studienlage bei den Nahrungsergänzungsmitteln, die die Immunabwehr erhöhen sollen nicht ausreichend, um endgültige Urteile fällen zu können.

Zu den Nahrungsergänzungsmitteln, die Trainingskapazität, Erholung, Muskelschmerzen und Verletzungsprävention beeinflussen sollen, gehören viele, die auch auf die direkte Leistungssteigerung oder das Immunsystem Einfluss nehmen sollen, oder die häufig aufgrund eines Mangels substituiert werden sollen, so wie Kreatin, Omega 3-Fettsäuren oder Vitamin D. Ob tatsächlich Effekte vorliegen ist häufig nicht ganz klar und bedarf weiterer Studien.

Präparate die den Muskelaufbau und die Fettverbrennung anregen sollen, gibt es viele auf dem Markt. Etliche von Ihnen sind im Leistungssport jedoch verboten. Ein Hauptbestandteil vieler erlaubter Nahrungsergänzungsmittel ist Protein, das zum Muskelaufbau beiträgt. Übersichtsstudien legen nahe, dass Proteine in Kombination mit Widerstandstraining wirksam sind. Präparate, die die Fettverbrennung steigern sollen, schnitten in wissenschaftlichen Studien jedoch wesentlich schlechter ab. Hier ist bisher keine Wirksamkeit nachweisbar. 

Zusammenfassend sollte mit der Einnahme aller Präparate, die eine indirekte Auswirkung auf die Leistung bewirken sollen, besonders vorsichtig umgegangen werden.

Wirkung und Nebenwirkung

Nahrungsergänzungsmittel können nicht nur aufgrund Verunreinigungen oder ihrer Zusammensetzung selbst, sondern auch wegen möglicher Einnahmefehler schädliche Effekte aufweisen. Zu hohe Dosierungen oder Wechselwirkungen mit anderen Nahrungsergänzungsmitteln oder Medikamenten sind leicht möglich. Zudem wird eine schädliche Wirkung häufig erst nach längerer Zeit erkannt und entsprechende Produkte werden erst spät vom Markt genommen. 
Ein großes Risiko bei der Anwendung von Nahrungsergänzungsmittel ist auch die unbeabsichtigte Einnahme von durch die WADA verbotenen Substanzen. So können Nahrungsergänzungsmittel nicht nur mit verbotenen Mitteln verunreinigt sein, auch ist es leicht möglich, verbotene Substanzen in der Zusammensetzung nicht direkt zu erkennen. 
Wirkungen und Nebenwirkungen der Präparate können zudem stark zwischen einzelnen Individuen schwanken. Dies kann an Faktoren wie den Genen, dem sogenannten Mikrobiom (dieses beinhalten insbesondere die Zusammensetzung der Mikroben im Darm) und der tagtäglichen Ernährung liegen. 
Insgesamt sollte eine sorgsame Abwägung getroffen werden, bevor Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt werden. Vor der Verwendung ist eine ärztliche und/oder eine Beratung durch einen qualifizierten Ernährungsberater zwingend notwendig. Es sollte immer erst eine Ernährungsumstellung in Betracht gezogen werden. Zusätzlich sollten eigenständig die Risiken abgewogen werden (siehe ABB. 1 und 2 sowie die Empfehlungen des IOC [1]).

Die Inhalte basieren auf einer Zusammenfassung der Originalstudie "IOC consensus statement: dietary supplements and the high-performance athlete.", die 2018 im "International journal of sport nutrition and exercise metabolism" veröffentlicht wurde.

Weiterführende Links

Hier geht es zur Infografik Koffein.
Hier geht es zur Infografik Kreatin.
Hier geht es zur Infografik Beta-Alanin.
Hier geht es zur Infografik zu Nitrat-Präparaten.

Literatur

  1. Maughan, R. J., Burke, L. M., Dvorak, J., Larson-Meyer, D. E., Peeling, P., Phillips, S. M., ... & Meeusen, R. (2018). IOC consensus statement: dietary supplements and the high-performance athlete. International journal of sport nutrition and exercise metabolism, 28(2), 104-125.
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    1. Maughan, R. J., Burke, L. M., Dvorak, J., Larson-Meyer, D. E., Peeling, P., Phillips, S. M., ... & Meeusen, R. (2018). IOC consensus statement: dietary supplements and the high-performance athlete. International journal of sport nutrition and exercise metabolism, 28(2), 104-125.