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Volle Energiespeicher für volle Leistung

Warum Muskelglykogen für die Erholung so wichtig ist

Medizin
Ernährung
Pascal Testroet vom SV Sandhausen isst während des Spiels eine Banane.
    • Der Abbau von Muskelglykogen spielt eine zentrale Rolle im Ermüdungsprozess, vor allem gegen Ende eines Spiels oder einer intensiven Trainingseinheit.
    • Ein sinkender Glykogenspiegel wirkt sich auf Muskelfaserebene auf die Muskelfunktion und damit die sportliche Leistung aus, auch wenn der Energiespeicher des gesamten Muskels während eines 90-minütigen Fußballspiels nicht vollständig erschöpft ist.
    • Unterschiede zwischen Typ-1- und Typ-2-Muskelfasern und biochemische Mechanismen auf subzellulärer Ebene beeinflussen die Ermüdung und die Regeneration.
    • Das Auffüllen der Glykogenspeicher sollte gezielter unterstützt werden: durch effiziente Erholungsstrategien nach einem Spiel, mehr Schnelligkeitsausdauertraining, optimale Ernährungspläne während und nach einem Spiel sowie einer reduzierten Trainingsbelastung in den letzten 48 Stunden vor einem Spiel.
Abstract

Profispieler*innen befinden sich im ständigen Wettlauf mit der Zeit, um sich von eng getakteten Spielen und Trainingseinheiten zu erholen. Die körperinterne Energiebereitstellung für diese hochintensiven Aktivitäten mit einer intervallartigen Belastungsstruktur wird vorrangig über die Kohlenhydratspeicherform Glykogen gewährleistet. Insbesondere das Muskelglykogen ist dabei ein Schlüsselfaktor für die Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit über die gesamte Spielzeit hinweg. Weiterhin wird die Erholungszeit nach einem Spiel oder einer intensiven Trainingseinheit durch einen kritisch niedrigen Glykogengehalt stark beeinflusst. Besonders betroffen sind in diesem Zusammenhang Muskelfasern, die für schnelle, explosive, hochintensive Bewegungen gebraucht werden. Daher sollte dem Erreichen optimaler Glykogenlevel vor und während des Spiels mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Viele Spiele, kurze Pausen

Vier Spiele in 10 Tagen während einer Saison plus Training – für Spitzenspieler*innen ist ein solches Pensum keine Ausnahme mehr. Erholungszeiten werden immer kürzer. Immer mehr Fußballprofis spielen Partien in der „kritischen Zone“, hatten also vor einem Spiel weniger als fünf Tage Pause und gelten deshalb als anfälliger für Muskelverletzungen. Einer Umfrage der internationalen Spielervertretung FIFPro nach der Weltmeisterschaft 2022 zufolge, gaben bereits 54 Prozent der Spieler an, eine Verletzung als unmittelbare Folge von Überlastung davongetragen zu haben [1]. Mit der hohen Taktung ist auch das Trainingsvolumen gestiegen, was die Ermüdung und die Verletzungsgefahr noch verschärft. Erholungsstrategien und Präventionsprogramme vor, während und nach Fußballspielen werden deshalb immer wichtiger.

Kraftreserve Glykogen

Dass neben anderen Faktoren, wie Schlaf, Ernährung und Hydration der Glykogenspeicher für den Ermüdungsprozess während hochintensiver intermittierender Belastung eine zentrale Rolle spielt, ist in der Forschungsliteratur unstrittig [2]. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass bei den meisten Spielern nach dem Spiel das Muskelglykogen fast gänzlich aufgebraucht ist. Unklar ist aber, wie genau ein fallender Glykogenspiegel die Muskelfunktion und damit die Belastungstoleranz beeinträchtigt. Sportwissenschaftler vermuten, dass die Unterschiede der Muskelfasertypen eine wichtige Rolle bei der Energiebereitstellung spielen und die Leistungsfähigkeit und Ermüdung während des Fußballspiels beeinflussen.

Es gibt zwei Haupttypen von Muskelfasern, die sich in ihrer Zusammensetzung unterscheiden und somit der Muskulatur verschiedene Eigenschaften verleihen: Typ-I-Fasern sind auf eine aerobe Energiebereitstellung spezialisiert und sorgen für eine konstante Energieversorgung während des Spiels, insbesondere bei geringerer Intensität und längerer Dauer. Typ-II-Fasern arbeiten anaerob und liefern kurzfristig viel Energie bei schnellen, intensiven Aktivitäten. Beim Fußballspielen werden beide Typen von Muskelfasern beansprucht. Allerdings verwerten sie das gespeicherte Glykogen in unterschiedlichem Maße [3].

Der Level macht’s

Laut neueren Forschungserkenntnissen führt diese Unterschiedlichkeit dazu, dass ein hoher Anteil einzelner Fasern kritisch niedrige Glykogenwerte erreicht, obwohl die Glykogenspeicher des gesamten Muskels während eines 90-minütigen Fußballspiels nicht vollständig erschöpft sind [4, 5]. Die Abbaurate von Glykogen ist zudem in den anaerob schnell arbeitenden Muskelfasern höher als bei den Typ-I-Fasern [6]. Zudem gibt es Hinweise, dass die biochemischen Mechanismen auf subzellulärer Ebene eine wichtige Rolle für die Glykogenverfügbarkeit im Muskel spielen [7]. War man bislang davon ausgegangen, dass Ermüdung mit einer nachlassenden ATP-Resynthese-Rate aufgrund einer unzureichenden Verfügbarkeit auf der Ebene des gesamten Muskels zusammenhängt, deutet die neuere Forschung daraufhin, dass die tieferen Stoffwechselprozesse beim Glykogenabbau in den Muskelfasern ihr Aktionspotenzial (genauer: die Erregungs-Kontraktions-Kopplung) nachhaltig beeinflussen und die Muskelerregbarkeit verändern. Dabei gilt: Je höher die Erregbarkeit des Muskels ist, desto höher sind Kraft, Geschwindigkeit und Kraftausdauer. Sportmediziner vermuten zudem, dass ein kritisch niedriger Glykogengehalt auch die Homöostase beeinflusst: also die Anpassungsmechanismen des Körpers, um das biochemische Gleichgewicht von abbauenden und aufbauenden Prozessen nach Belastung wiederherzustellen [6].

Leere Speicher, längere Erholungszeit

Was bedeutet das für die Trainingssteuerung? Erschöpfte Glykogenspeicher ziehen Entzündungsreaktionen und oxidativen Stress nach sich; Ermüdung führt zu Leistungseinbußen. Bei anhaltend hoher Belastung ohne ausreichend Erholung steigt die Gefahr für Muskelverletzungen. Anders als nach kontinuierlicher, submaximaler Belastung braucht der Körper eines Profis nach einem Fußballspiel circa 72 Stunden, um die Glykogenspeicher wieder aufzufüllen [8]. Angesichts steigender körperlicher Anforderungen durch eng getaktete Spiel- und Trainingspläne sollte dem Erreichen optimaler Muskelglykogenlevel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, fordern Sportmediziner. Ihre Empfehlungen:

  • Effiziente Erholungsstrategien sollten verschiedene Maßnahmen, wie Kalt-/Warmwasserbäder, Massage und aktive Erholungsansätze sinnvoll kombinieren. Gezielte Ernährungspläne zum optimalen Auffüllen der Glykogenspeicher vor dem Spiel, nach intensiven Trainingseinheiten und in der Erholungsphase nach Spielen sollten Priorität haben.
  • Das Fitnesstraining sollte hochintensives Intervalltraining beinhalten, um die biochemische Verstoffwechselung auf subzellulärer Ebene in den Muskelfasern (Beta-Oxidation) optimal anzuregen. Ein gezieltes Training der Schnelligkeitsausdauerleistung soll darauf abstellen, die Glykogenspeicher beider Typen, Typ-1- und Typ-2-Fasern, vor dem Wettkampf zu erhöhen.
  • Die Trainingsbelastung sollte in den letzten 48 Stunden vor dem Spiel schrittweise reduziert werden, um die Regenerationsfähigkeit des Körpers anzureizen, um so die Muskelglykogensynthese zu erhöhen und damit eine Leistungssteigerung zu erreichen.
  • Regelmäßiges exzentrisches Krafttraining sollte angesetzt werden, um Muskelschädigungen bei Spielen und intensiven Trainingseinheiten vorzubeugen.
Überlastung im Spieleinsatz vermeiden

Aber auch während der Spiele gibt es Ansätze, um das Leerlaufen der Glykogenspeicher zu vermeiden und die Erholung zu verbessern. So sollten Trainer*innen Auswechslungen insbesondere in den letzten 30 Minuten eines Spiels systematischer nutzen. Spieler*innen mit außergewöhnlich hohen Spielanforderungen sollten in einem eng getakteten Spielplan rotierend eingesetzt werden. Auch könnten Änderungen in der Taktik helfen, um bei kurz aufeinanderfolgenden Einsätzen die Belastungsintensität von besonders beanspruchten Spieler*innen zu reduzieren. Schließlich sollten die Spieler*innen ausreichend mit Kohlenhydraten nach dem Aufwärmen, in der Halbzeitpause und – gerade bei langen Partien mit Verlängerung – auch in den Spielpausen versorgt werden.

Die Inhalte basieren auf der Studie „Muscle glycogen in elite soccer – A perspective on the implication for performance, fatigue, and recovery“, die 2022 in Frontiers in Sports and Active Living“ veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. Mohr, M., Vigh-Larsen, J. F., & Krustrup, P. (2022). Muscle glycogen in elite soccer – A perspective on the implication for performance, fatigue, and recovery. Frontiers in Sports and Active Living, 4, 876534.
    Studie lesen
    1. FIFPRO (2023): FIFA World Cup 2022. Post-tournament review a player Survey. FIFPro Player Workload Monitoring.

      Studie lesen
    2. de Sousa, M. V., Lundsgaard, A. M., Christensen, P. M., Christensen, L., Randers, M. B., Mohr, M., Nybo, L., Kiens, B., & Fritzen, A. M. (2022). Nutritional optimization for female elite football players - Topical review. Scandinavian Journal of Medicine and Science in Sports, 32(S1), 81-104

    3. Essen, B. (1977). Intramuscular substrate utilization during prolonged exercise. Annals of the New York Academy of Sciences, 301, 30-44.

    4. Krustrup, P., Mohr, M., Steensberg, A., Bencke, J., Kjær, M., & Bangsbo, J. (2006). Muscle and blood metabolites during a soccer game: implications for sprint performance. Medicine and Science in Sports and Exercise, 38(6), 1165-1174.

    5. Krustrup, P., Ortenblad, N., Nielsen, J., Nybo, L., Gunnarsson, T. P., Iaia, F. M., Madsen, K., Stephens, F., Greenhaff, P., & Bangsbo, J. (2011). Maximal voluntary contraction force, SR function and glycogen resynthesis during the first 72 h after a high-level competitive soccer game. European Journal of Applied Physiology, 111(12), 2987-2995.

    6. Vigh-Larsen, J. F., Ørtenblad, N., Spriet, L. L., Overgaard, K., & Mohr, M. (2021). Muscle glycogen metabolism and high-intensity exercise performance: A narrative review. Sports Medicine, 51(9), 1855-1874.

    7. Nielsen, J., Krustrup, P., Nybo, L., Gunnarsson, T. P., Madsen, K., Schrøder, H. D., Bangsbo, J., & Ortenblad, N. (2012). Skeletal muscle glycogen content and particle size of distinct subcellular localizations in the recovery period after a high-level soccer match. European Journal of Applied Physiology, 112(10), 3559-3567.