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Spielanalyse von Bio-Banding-Mannschaften

Bio-Banding beeinflusst technische und taktische Parameter des Wettspiels

Talententwicklung
Sofie Lena Zdebel nimmt beim Spiel gegen Portugals U16 ihrer Gegenspielerin Andreia Bravo im Zweikampf den Ball ab. © 2020 Getty Images
    • Aus Spielanalysen von Mannschaften, die nach Bio-Banding und Mannschaften die nach chronologischem Alter eingeteilt wurden, schlussfolgern die Studienautoren, dass durch Bio-Banding die physischen Anforderungen reduziert werden und sich ein technisch-taktisch anspruchsvolleres Spiel entwickelt.  
    • Konkret führte Bio-Banding zu einem dynamischeren Spiel mit mehr Wechseln zwischen Angriff und Verteidigung, mehr Zweikämpfen und Standardsituationen. Hingegen reduzierte sich die Anzahl erfolgreicher Pässe und die durchschnittliche Zeit des Ballbesitzes pro Aktion.
    • Laufleistungsdaten ergaben, dass Bio-Banding zu einer Verringerung der Gesamtlaufdistanz während des Trabens und Laufens mit mittleren bis hohen Geschwindigkeiten führte.
Abstract

Beim Bio-Banding werden Spielerinnen und Spieler in Training und Wettkampf nach biologischem Alter anstatt nach chronologischem Alter eingeteilt. Befürworter argumentieren, dass dadurch die Talententwicklung und die Chancengleichheit im Nachwuchsfußball verbessert wird. Eine Pilotstudie hat nach biologischem Reifegrad zusammengestellte und nach chronologischem Alter eingeteilte Nachwuchsmannschaften miteinander verglichen. Das Ergebnis: Bio-Banding führte zu einem technisch und taktisch anspruchsvolleren Spiel.

Das Unterschätzte Potenzial von Spätentwicklern

Trainer und Talentscouts stehen vor einer Herausforderung: Es ist nicht leicht vorherzusagen, ob aus einem jungen Talent eines Tages ein vielversprechender Profispieler1 wird. Frühentwickler neigen dazu, das Spiel aufgrund ihrer derzeit überlegenen körperlichen Fähigkeiten zu dominieren. Nachwuchsspieler, die spät im Jahr geboren sind (bei Stichtag 1. Januar) und sich im Vergleich zu ihren Altersgenossen durchschnittlich eher spät körperlich entwickeln, könnten deshalb bei der Talentsichtung durchs Raster fallen. Beispielsweise waren von 115 analysierten Jugendspielern aus englischen Nachwuchsakademien 43 Spieler (ca. 50 %) frühreifend und nur 2 Spieler (ca. 1,9 %) Spätentwickler [1].  

Was für ein Bio-Banding bei der Talententwicklung spricht

Um den Wettbewerb bei der Nachwuchsförderung gerechter zu gestalten, ist das Bio-Banding ein möglicher Ansatz. Jugendspieler werden statt nach ihrem chronologischen Alter nach ihrem biologischen Entwicklungsstand eingestuft und beurteilt. Dadurch könnte den Unterschieden in der körperlichen Reife begegnet werden. Der Vorteil: Frühentwickelte Spieler müssen bei physisch ebenbürtigen Gegnern vermehrt technische Fertigkeiten und taktische Fähigkeiten einsetzten, um erfolgreich zu sein. Umgekehrt haben spätentwickelte Spieler eine bessere Chance, ihre technischen Fertigkeiten unter Beweis zu stellen und sich durchzusetzen. Studien zeigen, dass Spätentwickler sogar ihre frühentwickelten Mit- und Gegenspieler aufgrund ihrer überlegenen technischen und psychologischen Fertigkeiten im Hochleistungsalter „überholen“ können, wenn sie nicht zu einem früheren Zeitpunkt aus dem Fördersystem ausscheiden [2, 3].  

Ziele der analysierten Pilotstudie

Bisher kaum untersucht ist jedoch, welche tatsächlichen technischen und taktischen Auswirkungen Bio-Banding auf das Wettspiel hat. Eine Pilotstudie von Romann et al., 2020 hat deshalb bei 33 Nachwuchsspielern (U 13-U 14) von Schweizer Elite-Clubs ausgewählte technische und taktische Parameter während Testspielen untersucht. Beurteilt wurden Parameter wie zum Beispiel Ballbesitzzeit, Anzahl der Ballverluste und erfolgreich gespielte Pässe. Für die Testspiele wurden die Mannschaften paarweise nach biologischem Alter und – zum Vergleich – nach chronologischem Alter zusammengestellt.

Was Bio-Banding bewirkte

Im Vergleich der Spiele zeigte sich, dass Bio-Banding zu mehr Zweikämpfen und mehr Standardsituationen führte, während sich die Anzahl erfolgreicher Pässe und die durchschnittliche Zeit des Ballbesitzes pro Aktion reduzierte. Die genannten Parameter wiesen große Effekte auf. Keine Änderungen wurden bezüglich der Gesamtanzahl an Pässen festgestellt (ABB. 01).

Diese Abbildung zeigt eine Tabelle, auf der einzelne Parameter wie Fouls, Ballverluste, Standardsituationen, etc. zwischen Mannschaften mit Bio-Banding und Chronlogischer Altersgruppe vergleicht werden.

Bei der Analyse der Laufleistungsdaten wurde ermittelt, dass Bio-Banding zu einer Verringerung der Gesamtlaufdistanz während des Trabens und Laufens mit mittleren bis hohen Geschwindigkeiten (mittlere Effekte) führte. Die Studienautoren interpretieren die Ergebnisse dahingehend, dass durch das Bio-Banding die physischen Anforderungen zurückgegangen sind. Im Hinblick auf Technik und Taktik resultierte aus dem Bio-Banding jedoch ein anspruchsvolleres Spiel. Insbesondere die höhere Anzahl an Zweikämpfen und die Reduzierung der Anzahl von erfolgreichen Pässen deuten die Autoren als einen Indikator für einen schnelleren Wechsel der Spielsituationen zwischen den Mannschaften.  

Vorhergehende Studien haben gezeigt, dass Bio-Banding die Dominanz und den physischen Vorteil frühreifer Spieler verringert. Spätreifende Spieler hingegen nehmen aktiver am Spielgeschehen teil [2, 3]. Sie haben eine bessere Möglichkeit Führungsqualitäten zu zeigen und Selbstvertrauen zu entwickeln [3].  

Ein Blick in die Zukunft

Zukünftige Studien sollten ebenso auf das Crossover-Design mit paarweisen nach biologischem Alter und nach chronologischem Alter zusammengestellten Mannschaften zurückgreifen. Beachtet werden sollte aber, dass die Spieler bei allen Spielen immer die gleichen Positionen besetzen. Nur so können die Auswirkungen des Bio-Bandings auf die technischen, taktischen und physischen Fertigkeiten näher betrachtet werden, die nicht nur für den Reifegrad spezifisch sind, sondern auch für die Spielposition. 

Die Inhalte basieren auf der Studie “Bio-banding in junior soccer players: a pilot study”, die 2020 im “BMC Research Notes” veröffentlicht wurde.


 ¹ Anmerkung zum Sprachgebrauch: Im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit in der Regel nur noch die männliche Form verwendet. Es sind damit alle Personen unabhängig von ihrem Geschlecht gemeint. 

Literatur

  1. Romann, M., Lüdin, D., & Born, D. P. (2020). Bio-banding in junior soccer players: a pilot study. BMC research notes, 13(1), 1-5.
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    1. Bradley B, Johnson D, Hill M, McGee D, Kana-Ah A, Sharpin C, Sharp P, Kelly A, Cumming SP, Malina RM (2019). Bio-banding in academy football: player’s perceptions of a maturity matched tournament. Ann Hum Biol. 46(5): 400–408.

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    2. Zuber C, Zibung M, Conzelmann A. Holistic patterns as an instrument for predicting the performance of promising young soccer players–a 3-years longitudinal study. Front Psychol. 2016;7:1088

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    3. Cumming SP, Searle C, Hemsley JK, Haswell F, Edwards H, Scott S, Gross A, Ryan D, Lewis J, White P. Biological maturation, relative age and self-regulation in male professional academy soccer players: a test of the underdog hypothesis. Psychol Sport Exerc. 2018;39:147–53

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