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Sprintwiederholung: Die ermüdungsbedingten Auswirkungen auf die Biomechanik des Sprintens

Variierende Veränderungen im Laufmuster von Fußballspielern sprechen für eine individuelle Analyse

Bewegungsanalyse & Biomechanik
Eine Studie untersucht die ermüdungsbedingten Auswirkungen auf die Biomechanik des Sprintens.
    • Der durchgeführte Sprintwiederholungstest führte zu unmittelbaren Veränderungen in der Sprintkinetik und Sprintkinematik bei Amateurfußballspielern. 
    • Ermüdungsbedingte kinematische Veränderungen zeigten sehr unterschiedliche Bewegungsmuster zwischen den analysierten Spielern.
    • Individuelle Veränderungen in der Sprintkinematik können das theoretische Verletzungsrisiko der Hamstrings erhöhen oder verringern. 
Abstract

Die vorliegende Studie analysiert den Einfluss der Ermüdung auf die Biomechanik des Sprintens. Dazu absolvierten 51 Amateurfußballspieler 12 maximale 30-m-Sprints. Die durch den Sprintwiederholungstest hervorgerufene Ermüdung führte zu Veränderungen der Sprintkinetik und Sprintkinematik. Beispielsweise wurde eine Reduzierung der maximalen Laufgeschwindigkeit, der maximalen horizontalen Kraftwerte und der maximalen mechanischen Leistung festgestellt. Ermüdungsbedingte kinematische Veränderungen wiesen eine größere Streuung auf und variierten zwischen den Spielern. Mithilfe einer Clusteranalyse konnten fünf übergeordnete Bewegungsmuster gefunden werden, deren Risiko bezüglich potenzieller Hamstringverletzungen diskutiert wurde. 

Auf der Suche nach den Ursachen sprintbedingter Muskelverletzungen im Fußball

Das physische Anforderungsprofil im Fußball umfasst während eines Spiels ein breites Spektrum an Bewegungsintensitäten von Gehen über Joggen bis hin zum Sprinten. Das Sprinten spielt dabei eine besondere Rolle, da es zu einer der häufigsten Aktionen von Torschützen oder Vorlagengebern unmittelbar vor der Torerzielung zählt [1]. Darüber hinaus wurde in den letzten Jahren über einen zunehmenden Anstieg von hochintensiven Läufen im Wettkampf berichtet [2, 3]. In diesem Zusammenhang wurde auch eine Zunahme von Muskelverletzungen an der Rückseite des Oberschenkels (Hamstring) beobachtet, wobei insbesondere die aufsummierte Ermüdung, verursacht durch eine Vielzahl von Hochgeschwindigkeitsläufen, ein Risikofaktor sein kann [4-10].

Die Forschungsfrage

Um die Auswirkungen von akuter Ermüdung auf die Sprintkinetik, die Sprintkinematik und das Hamstringverletzungsrisiko zu untersuchen, haben Romero et al. (2022) das Sprintverhalten von 51 Amateurfußballspielern während eines Sprintwiederholungstests analysiert. Der Test bestand aus zwei Sätzen mit jeweils sechs 30-m-Sprints, 20 Sekunden Pause zwischen den Sprints und einer 3,5-minütigen passiven Erholung pro Satz. Die Sprintleistung wurde mit einem Radarsystem und einer Videokamera aufgenommen. Kinetische Parameter, unter anderem der Geschwindigkeits-Kraft-Verlauf und die mechanische Leistung, wurden durch umfangreiche Datenanalyseverfahren (Extrapolation, Modellierung und inverse Dynamik) berechnet. Kinematische Parameter, wie zum Beispiel die Oberkörperneigung, der Hüftwinkel und der Kniewinkel, wurden aus den Videodaten extrahiert.             

Sprintwiederholungstest: Die kinetische und kinematische Veränderung im Detail 

Im Ergebnis zeigt sich, dass das Sprintwiederholungsprotokoll sowohl die Sprintkinetik als auch die Sprintkinematik beeinflusst. Hinsichtlich der kinetischen Parameter hat sich durch die Sprintintervention und die dadurch ausgelöste Ermüdung die maximale Laufgeschwindigkeit (-12,89 %), der maximale horizontale Kraftwert (-6,98 %) und die maximale mechanische Leistung (-18,9 %) statistisch signifikant verringert (mit moderater bis großer Effektstärke). Im Gegensatz dazu scheinen die kinematischen Reaktionen auf ermüdungsinduzierende Belastungen individueller zu sein. Zwei Spieler mit ähnlichen Veränderungen in der Kinetik können daher unterschiedliche kinematische Veränderungen aufweisen. Mithilfe einer Clusteranalyse wurden insgesamt fünf verschiedene Cluster identifiziert, die die kinematischen Veränderungen zusammenfassen. Ausgehend von der Definition einer Zerrung – einer übermäßigen Zugbelastung bei in der Regel entgegengesetzten Zugkräften – zeigten einige Spieler ein „schützendes“ Bewegungsmuster (reduzierte Länge der Hamstrings, Cluster 1: 11 von 51 Spielern), während andere ein potenziell Verletzungsrisiko erhöhendes Muster (erhöhte Länge der Hamstrings, Cluster 5: 20 von 51 Spielern) aufwiesen. Für die restlichen Spieler konnten keine einheitlichen Muster bezüglich der kinematischen Veränderung gefunden werden (Cluster 2-4: 20 von 51 Spielern, vgl. ABB. 01).

Schützende oder gefährdende Bewegungsmuster? 

Im Allgemeinen wird beim Sprinten eine stärkere Vorwärtsneigung des Rumpfes und damit eine größere Vorkippung des Beckens mit einer höheren Dehnung der Hamstrings in Verbindung gebracht. Umgekehrt scheint es folgerichtig zu sein, dass ein gestreckterer Rumpf mit einer eher rückwärtigeren Beckenkippung die auf die Hamstrings ausgeübte Zugkraft reduziert. Eine wichtige Erkenntnis aus dieser Studie ist, dass die ermüdungsbedingten kinematischen Veränderungen beim wiederholten Sprinten individuell sind. Die Studienautoren schließen daraus, dass es ratsam ist, Spieler im Rahmen der Vorbeugung gegen ermüdungsbedingte Hamstringverletzungen beim Sprinten hinsichtlich ihrer individuellen kinematischen Veränderungen zu analysieren. 

Die Inhalte basieren auf der Originalstudie „Effects of fatigue induced by repeated sprints on sprint biomechanics in football players: Should we look at the group or the individual?“, die 2022 im „International Journal of Enviromental Research and Public Health“ veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. Romero, V., Lahti, J., Castaño Zambudio, A., Mendiguchia, J., Jiménez Reyes, P., & Morin, J. B. (2022). Effects of fatigue induced by repeated sprints on sprint biomechanics in football players: Should we look at the group or the individual? International Journal of Environmental Research and Public Health, 19(22), 14643.
    Studie lesen
    1. Faude, O., Koch, T., & Meyer, T. (2012). Straight sprinting is the most frequent action in goal situations in professional football. Journal of Sports Sciences, 30(7), 625-631.

    2. Barnes, C., Archer, D. T., Hogg, B., Bush, M., & Bradley, P. (2014). The evolution of physical and technical performance parameters in the English Premier League. International Journal of Sports Medicine, 35(13), 1095-1100.

    3. Haugen, T. A., Tønnessen, E., & Seiler, S. (2013). Anaerobic performance testing of professional soccer players 1995-2010. International Journal of Sports Physiology and Performance, 8(2), 148-156.

    4. Woods, C., Hawkins, R. D., Maltby, S., Hulse, M., Thomas, A., & Hodson, A. (2004). The Football Association Medical Research Programme: An audit of injuries in professional football – analysis of hamstring injuries. British Journal of Sports Medicine, 38(1), 36-41.

    5. Orchard, J., Best, T. M., & Verrall, G. M. (2005). Return to play following muscle strains. Clinical Journal of Sport Medicine, 15(6), 436-441.

    6. Hägglund, M., Waldén, M., & Ekstrand, J. (2006). Previous injury as a risk factor for injury in elite football: A prospective study over two consecutive seasons. British Journal of Sports Medicine, 40(9), 767-772.

    7. Hallén, A., & Ekstrand, J. (2014). Return to play following muscle injuries in professional footballers. Journal of Sports Sciences, 32(13), 1229-1236.

    8. Ekstrand, J., Krutsch, W., Spreco, A., van Zoest, W., Roberts, C., Meyer, T., & Bengtsson, H. (2020). Time before return to play for the most common injuries in professional football: A 16-year follow-up of the UEFA Elite Club Injury Study. British Journal of Sports Medicine, 54(7), 421-426.

    9. Jones, A., Jones, G., Greig, N., Bower, P., Brown, J., Hind, K., & Francis, P. (2019). Epidemiology of injury in English Professional Football players: A cohort study. Physical Therapy in Sport, 35, 18-22.

    10. Raya-González, J., Suárez-Arrones, L., Navandar, A., Balsalobre-Fernández, C., & de Villarreal, E. S. (2019). Injury profile of elite male young soccer players in a Spanish professional soccer club: a prospective study during 4 consecutive seasons. Journal of Sport Rehabilitation, 29(6), 801-807.