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Stabilisator Nacken

Eine starke Hals- und Nackenmuskulatur dämpft Krafteinwirkungen auf den Kopf

Athletik
Bewegungsanalyse & Biomechanik
Medizin
Merle Barth von Leverkusen und Naemi Hausen von Freiburg springen zu einem Kopfballduell. (Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)
    • Training der Hals- und Nackenmuskulatur (HNM) bietet Schutz bei Krafteinwirkungen auf den Kopf.
    • Höhere Maximalkraft und vorbereitende Aktivierung der HNM Stabilisieren den Kopf.
    • Junge weibliche Spielerinnen sind am geringsten geschützt.
Abstract

Eine stärkere Hals- und Nackenmuskulatur sowie deren antizipative Aktivierung in Vorbereitung von äußeren Krafteinwirkungen auf den Kopf, sollen das Risiko einer Gehirnerschütterung reduzieren. In einer beschreibenden experimentellen Studie mit 46 weiblichen und männlichen Athletinnen und Athleten wurde der Frage nachgegangen, ob Kraft- und Aktivierungsparameter der Hals- und Nackenmuskulatur die Bewegungsreaktion des Kopfes, im Sinne einer Stoßreduzierung, beeinflussen. Es wird herausgestellt, dass der Zustand der Hals- und Nackenmuskulatur bei Kopfbeschleunigungen einen Teil der kinematischen Antwort in eine stabilisierende Richtung erklärt.

Muskelschutz fürs Gehirn

Eine Wissenschaftlergruppe aus Michigan (USA) befasst sich in einer aktuellen Studie mit der etwaigen Schutzfunktion der Hals- und Nackenmuskulatur (HNM) bei Krafteinwirkungen auf den Kopf. Es ging vornehmlich um die Fragen, ob höhere Maximalkraftwerte der HNM und die antizipatorische Aktivierung der HNM die Bewegungsreaktion des Kopfes verändern. Sollte dies der Fall sein, so könnte es helfen, das Risiko einer Gehirnerschütterung von Athletinnen und Athleten bei einer Krafteinwirkung zu reduzieren. 

Untersuchungsmethodik

Dafür untersuchte die Gruppe 46 männliche und weibliche Sportlerinnen und Sportler aus Kontaktsportarten (Fußball, Eishockey, American Football, Ringen etc.) im Alter zwischen 8 und 30 Jahren. Neben einer Vielzahl demographischer und körperbaulicher Variablen, wurde die isometrische Maximalkraft und deren Kraftentwicklungsrate bestimmt. Dafür saßen die Teilnehmenden fixiert auf einem Sitz und trugen eine Art Kopfbedeckung, die in allen Ebenen mit einem Kraftsensor verbunden war. Auf Instruktion der Versuchsleitung sollten die Personen in Extension, Flexion und Rotation entweder innerhalb von drei Sekunden die Druckkraft bis zum Maximum (isometrischer Maxkraftwert) oder so schnell wie möglich (Kraftentwicklungsrate) aufbauen. Um eine äußere Kraft am Kopf zu applizieren, wurde an der Kopfbedeckung ein Kabel montiert, das den Kopf mithilfe von Gewichten in die entsprechende Richtung auslenkte. Die Zugkraft konnte gemessen werden; ein Sicherheitspad verhinderte unkontrolliertes Ziehen. Die Kopfbewegungen wurden mithilfe eines sog. Motion-Capturing-Systems (Bewegungsanalyse) erhoben, um Zusammenhänge zwischen der Geschwindigkeitsänderung des Kopfes und der Maximalkraft der Hals-und Nackenmuskulatur zu untersuchen. 

Trainierbare Schutzfunktion für den Kopf

Die Ergebnisse unterstützen die Erwartung, dass eine höhere Maximalkraft und eine vorbereitende Aktivierung mit einer abgeschwächten kinematischen Antwort (d. h. geringerer Geschwindigkeitsänderungen) auf weitestgehend allen Ebenen verbunden sind. Die Köpfe der Personen, deren HNM eine höhere Maximalkraft aufweist, reagieren also auf eine extern applizierte Last mit einer geringeren Auslenkung und sind dadurch ggf. besser geschützt. Das gleiche gilt für die Voraktivierung der HNM: diese reduziert die Geschwindigkeitsänderung bei einer von außen wirkenden Störung erkennbar. 

Junge weibliche Spielerinnen besonders gefährdet

Allerdings besteht auch ein klarer Zusammenhang zwischen der Maximalkraft und dem Halsumfang, was darauf hindeutet, dass vornehmlich junge weibliche Spielerinnen am geringsten geschützt sein mögen, d. h. also hohe Geschwindigkeitsänderungen bei Impact zeigen. Limitierend muss zudem gesagt werden, dass die in dieser Studie höchstens ausgelöste Beschleunigung von 4 g (verständlicherweise) deutlich unter der im Rahmen von Gehirnerschütterungen lag (zwischen 30 und 150 g). Ob somit die muskuläre Stabilisation bei diesen Beschleunigungen die kinematische Antwort abzubremsen vermag, bleibt zunächst ungeklärt. Eine direkte Messung der Muskulatur über EMG wäre zudem auch hilfreich gewesen, um die Muskelaktivierung differenzierter beschreiben zu können. 

Fazit

Dennoch bleibt als Fazit: Der Zustand der Hals- und Nackenmuskulatur erklärt bei Kopfbeschleunigungen einen Teil der kinematischen Antwort und sie tut dies in eine stabilisierende Richtung. 

Autor des Textes ist Prof. Karen Zentgraf von der Goethe-Universität Frankfurt. Die Inhalte basieren auf der Originalstudie "Effect of neck muscle strength and anticipatory cervical muscle activation on the kinematic response of the head to impulsive loads.", die 2014 im "American Journal of Sports Medicine" veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. Eckner, J. T., Oh, Y. K., Joshi, M. S., Richardson, J. K., & Ashton-Miller, J. A. (2014). Effect of neck muscle strength and anticipatory cervical muscle activation on the kinematic response of the head to impulsive loads. American Journal of Sports Medicine, 42(3), 566-576.
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    1. Eckner, J. T., Oh, Y. K., Joshi, M. S., Richardson, J. K., & Ashton-Miller, J. A. (2014). Effect of neck muscle strength and anticipatory cervical muscle activation on the kinematic response of the head to impulsive loads. American Journal of Sports Medicine, 42(3), 566-576.

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