Glauben heißt nicht Wissen, und Wissen bedeutet nicht Können.

Blogbeitrag von Damir Dugandzic im August 2022

Damir Dugandzic, sportlicher Leiter des DFB-Talentförderprogramms
    • Sportlicher Leiter des DFB-Talentförderprogramms

    • Von 2007 bis 2018 Stützpunktkoordinator für den Badischen Fußballverband

    • Betreute in dieser Zeit die U 14-Auswahl des Badischen Verbandes sowie die deutsche U 15-Nationalmannschaft als Co-Trainer

    • Jahrgangsbester des 63. Fußball-Lehrer-Lehrgangs

„Papa, hast du den auch schon mal trainiert?“, fragt mich mein 9-jähriger Sohn oftmals, wenn wir zusammen vor dem Fernseher sitzen und die Sportschau verfolgen. Mit leicht Stolz unterlegtem Understatement picke ich mir die Rosinen raus und kann zu dem einen oder anderen Bundesligaspieler die Frage bejahen, formuliere es aber so: „Zumindest habe ich seine Karriere nicht verhindert.“

Hinter der leicht scherzhaften Aussage verbirgt sich aber eine ernsthafte Grundsatzfrage: Welchen Beitrag leistet man als Trainer*in der Entwicklung von talentierten Spieler*innen? Ist ein Erfolg in Form eines Bundesliga-Debüts oder eines Profivertrags darauf zurückzuführen, dass ich mit einem Talent sechs Jahre zuvor einige Trainingseinheiten absolviert habe?

Glauben heißt nicht Wissen, und Wissen bedeutet nicht Können. Ein Leitsatz, der kaum besser die Arbeit, aber auch die Herausforderung in der Talententwicklung beschreibt. Die Ausgangssituation ist immer identisch und der Konjunktiv ein ständiger Begleiter: Potenziale zu erkennen und die Fantasie zu besitzen, wie sich ein Talent unter den bestmöglichen Rahmenbedingungen entwickeln könnte. Jedoch ist die Irrtumswahrscheinlichkeit relativ hoch. Dafür sorgen die hohe Anzahl an fußballspielenden und von einer Profikarriere träumenden Kindern auf der einen Seite und die limitierte Anzahl an Mannschaften und Kaderplätzen im Profibereich auf der anderen.

Verschärft wird die Schwierigkeit der Talentprognose durch die Tatsache, dass das Höchstleistungsalter im Fußball im Vergleich zu anderen Sportarten relativ spät erreicht wird. Der Weg zum Profi ist mit vielen Stolpersteinen versehen und viele Sackgassen und Umleitungen erschweren die Orientierung. Selbst wenn ich mir sicher bin, dass ein Talent alle Voraussetzungen zum Profi mitbringt, so limitieren viele Faktoren meinen Einfluss. Möchte das Talent den unwegsamen Weg voller Überzeugung gehen? Ist das soziale Umfeld in der Lage, die notwendige Unterstützung zu geben? Und nicht zuletzt: Sind der Verein und die zuständigen Trainer*innen derselben Überzeugung?

Meine Aufgabe (und die vieler Mitstreiter*innen) ist es, unterschiedliche Entwicklungswege so lange wie möglich offenzuhalten und die Faktoren Zufall und Glück zu verringern. Ein enger Austausch aller Beteiligten ist hierfür unbedingt notwendig – aber im Mittelpunkt sollte immer der Spieler bzw. die Spielerin stehen.

Was ich über die Jahre gelernt habe und was mir immer deutlicher wird, ist die Notwendigkeit, geduldig zu bleiben. Damit der eigene Glauben und die damit verbundenen Entscheidungen Zeit zum Reifen und zur Verwirklichung bekommen können. Und am Ende niemand verhindert, sondern ermöglicht wird. Dann werde ich zukünftig die Frage meines Sohnes auch anders beantworten können.

Eine verlässliche Talentprognose ist auch deshalb schwierig, da das Höchstleistungsalter im Fußball im Vergleich zu anderen Sportarten erst relativ spät erreicht wird.
Damir DugandzicSportlicher Leiter des DFB-Talentförderprogramms