Was in der Spielvorbereitung wichtig ist

Blogbeitrag von Guido Streichsbier im November 2022

Guido Streichsbier
    • Cheftrainer der deutschen U19-Nationalmannschaft 
    • Seit 2014 beim Deutschen Fußball-Bund und mittlerweile Teil des Trainerzyklus U18 bis U20
    • Inhaltliche Beteiligung an diversen DFB-Projekten und Konzepten wie zum Beispiel der Spielauffassung "Unser Weg" oder FIFA WM-Analyse 2018
    • Früher: Nachwuchstrainer in den Leistungszentren der TSG Hoffenheim und des 1. FC Kaiserslautern

Unsere Matchvorbereitung für die Länderspiele unterscheidet sich von der im Club. In der Nationalmannschaft haben wir nur wenig Zeit mit unseren Spielern. Wenn sie anreisen, steht das nächste Spiel bereits unmittelbar bevor. Die Vorbereitungszeit ist kurz und knapp. Die Botschaften, die wir an die Spieler weitergeben, sollten es auch sein. Deshalb nehmen wir inhaltlich nur wenige Themen auf die Agenda. Schließlich können alle Jungs Fußball spielen und müssen von uns nicht noch einmal durch das komplette Alphabet dieser Sportart geführt werden. In den Besprechungen mit der Mannschaft in den Tagen vor der Partie gelten für uns folgende Regeln:

  • Profil des Gegners erstellen: Drei bis vier Stärken und Schwächen nennen
  • Keine Spitzenspiele ausrufen: Der Hype verhindert Lockerheit
  • Progressiv sein: Negationen vermeiden, Lösungen präsentieren
Die Tage vor dem Wettkampf

Die Anreise erfolgt meistens am Sonntagabend – am Mittwoch steigt die erste Partie. In der Regel haben wir nur zwei Einheiten mit der gesamten Mannschaft. Die inhaltlichen Themen variieren mit den Länderspielphasen. Eine unserer Intentionen ist es aber, die Eigenheiten des kommenden Gegners und unsere Lösungen in den Einheiten auf dem Platz abzubilden. Zusätzlich zu der Praxis schaffen wir weitere Slots für Theorieblöcke in der Gruppe und Teambesprechungen. Wir teilen uns im Trainerteam auf, um mit allen Spielern in den Austausch zu kommen. Die Aufstellung steht in der Regel am Vorabend und wird zumeist allen – in Einzel- oder Gruppengesprächen – mitgeteilt. Zugleich nutzen wir den individuellen Gesprächsrahmen, um die Jungs in ihren Qualitäten zu bestärken sowie die Erwartungen und Aufgaben für die anstehende Partie zu kommunizieren. Das Abschlussmeeting am Vorabend, in der vor allem die Gegneranalyse und unsere Lösungsideen in den Vordergrund rücken, findet mit dem gesamten Team steht. 

Wenn die Aufstellung fix ist, habe ich den Kopf frei, um mich am Abend und in der Nacht vor dem Spiel mit "Wenn-dann-Szenarien" zu beschäftigen. Gedanklich gehe ich noch einmal mögliche Herausforderungen durch, wie wir...

  • ... im Spiel auf einen frühen Rückstand reagieren können?
  • ... kurzfristige Ausfälle kompensieren?
  • ... auf eine unerwartete taktische Ausrichtung des Gegners einstellen?

Diese Szenarien haben wir natürlich im Trainerteam bereits besprochen, aber dieser Gedankenprozess hilft mir persönlich noch einmal. Schließlich ist es meine Aufgabe als Trainer, auf so viele Eventualitäten wie möglich vorbereitet zu sein. Ein Matchplan ist erst dann gut, wenn er sich jederzeit anpassen lässt. Es ist keine neue Weisheit, dass Fußballspiele nur bis zu einem bestimmten Maß planbar sind und deshalb gehören Gedanken wie diese zu jeder Wettkampfvorbereitung. Für diese Überlegungen passt der angegebene Zeitraum für mich am besten.

Matchday

Die Struktur des Spieltags hängt von der Anstoßzeit ab. Spielen wir nach 15 Uhr ist eine lockere Vormittagseinheit auf dem Platz obligatorisch. Die Inhalte variieren, ich bin ein Freund der Abwechslung. Manchmal spielen wir Eckenvarianten durch, ein anderes Mal trainieren wir das Anlaufverhalten. Die Einheit kann auch eine praktische Gelegenheit sein, kurz vor der Partie noch wichtige Bestandteile aus unserem Matchplan anzugehen.

Bei frühen Anstoßzeiten führen wir lediglich einen Aktivierungsspaziergang unter Leitung unseres Fitnesstrainers durch. Dafür nutzen wir die örtlichen Begebenheiten: Wir sind schon durch Wälder, über Wiesen, aber auch über Parkplätze gewandert, um uns hochzufahren. Die Kreislaufaktivierung sowie der Spaß und die gemeinsame Zeit stehen im Vordergrund. Den entspannten Rahmen nutzen wir zudem für Einzelgespräche mit den Spielern. Wir motivieren sie, geben ihnen noch einen helfenden Hinweis für das Spiel oder stellen Ersatzspieler auf ihre mögliche Einwechslung und Aufgabe ein. 

Auch persönlich nehme ich mir vor jedem Spiel eine Stunde Zeit für einen Spaziergang an der frischen Luft. Ich habe festgestellt, dass ich mich mit dieser einfachen Routine am besten auf ein Spiel vorbereiten kann. Auf der einen Seite schaffe ich es, den Fokus für die kommenden 90 Minuten aufzubauen und auf der anderen bewahre ich mir die nötige Ruhe und Entspannung. Eine Mischung aus beidem halte ich für sehr wichtig. 

Kurz vor dem Anpfiff

Bei der Platzbegehung und der Zeit in der Kabine hat jeder seine persönlichen Abläufe. Das Aufwärmen übernimmt mein Trainerteam und ich bin in der Beobachterrolle auf dem Platz. In Länderspielen gibt das Abspielen der Nationalhymnen einen bestimmten Rhythmus vor. Die Zeit zwischen dem Verlassen der Katakomben und dem Anpfiff ist somit länger als in Ligaspielen und die Spieler haben noch einige Augenblicke für sich. Wir halten die Jungs an, sich hier auszuprobieren, um die richtige Anspannung aufzubauen. Jeder muss selbst entscheiden, ob er sich anschließend mit kurzen Sprüngen oder Sprints noch einmal aktiviert. Wir beobachten das und wenn wir den Eindruck haben, dass ein Spieler im Club etwas schneller „auf Touren“ kommt, versuchen wir ihm Hilfen an die Hand zu geben.

Wenn die Aufstellung fix ist, habe ich den Kopf frei, um mich am Abend und in der Nacht vor dem Spiel mit "Wenn-dann-Szenarien" zu beschäftigen.
Guido StreichsbierU-Nationaltrainer