3 Fragen an...

Markus Hirte

Den Bolzplatz aufs Vereinsgelände bringen.

Talententwicklung
Markus Hirte: Sportlicher Leiter DFB-Talentförderung
  1. Ehemaliger Torhüter und sportlicher Leiter der DFB-Talentförderung

    • arbeitete viele Jahre als Verbandssportlehrer in Berlin,

    • war für die sportliche Leitung in den Leistungszentren von Fortuna Düsseldorf und des Hamburger SV verantwortlich,

    • ist seit 2016 sportlicher Leiter der Talentförderung beim Deutschen Fußball-Bund.
1) Was macht für dich einen guten Bolzplatz aus?

Der Bolzplatz ist die Heimat der Dribbelkünstler. Aber darüber hinaus bietet er noch so viel mehr. Auf einem Bolzplatz machen die Spieler*innen alles selbst. Sie bestimmen die Spielfeldgröße, die Anzahl der Tore, die Regeln und Sonderregeln und die Mannschaftszusammensetzungen. Letztlich übernehmen sie auf dem Bolzplatz Aufgaben, die bei uns in den Vereinen eigentlich immer von den Trainer*innen ausgeführt werden. Das ist vielleicht das Besondere. Diese beiden Rollen sind auf dem Bolzplatz nicht klar voneinander getrennt. Im Team coachen sich die Spieler*innen zudem meist auch noch gegenseitig.

2) Wie bekommt man die Bolzplätze ins Training?

Nun, was ich bei der Frage davor beschrieben habe, wäre meines Erachtens das Maximum. Das Minimum wäre, Spielformen zu organisieren, die den Spielerinnen und Spielern ein gewisses Maß an eigenen Lösungen ermöglicht. Dazwischen gibt es sicherlich eine ganze Menge Abstufungen. Ziel sollte immer sein, den Spieler*innen Freiräume zu geben, um selbstbestimmt Lösungen für Spielsituationen oder Aufgabenstellungen zu finden. Nur mehr spielen zu lassen, reicht dafür aber nicht aus. Trainer*innen können Spielformen so gestalten, dass bestimmte Spielsituationen, für die die Spieler*innen Lösungen entwickeln sollen, häufiger auftreten als im normalen Spiel. Darüber hinaus können wir als Trainerinnen und Trainer helfen und Lösungen anbieten bzw. mit der Gruppe erarbeiten. Hierfür müssen wir unsere Rolle als Trainer überdenken. Dazu gehört sicherlich auch, mehr durch Fragestellungen Lösungen entwickeln zu lassen, als immer schon die Antworten selbst zu geben. Dies haben wir auch ganz bewusst ins Zentrum unserer neuen Trainer- und Expertenentwicklung gelegt.

3) Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich durch Ganztagsschule und immer vielfältiger werdende Freizeitangebote geändert. Kann das Wesen der Bolzplätze trotzdem erhalten bleiben?

Der Bolzplatz, wie wir ihn früher kannten, ist so kaum noch zu finden. Deshalb müssen wir umdisponieren. Wenn wir nicht mehr zum Bolzplatz gehen, muss der Bolzplatz zu uns (den Vereinen) kommen, konkret gesagt: Wir müssen Angebote schaffen, bei denen Kinder und Jugendliche den Bolzplatz so gut es eben geht bei uns erleben. Ein Angebot in diese Richtung ist die neue Wettspielreform im Kinderfußball. Gerade leistungsschwächere oder auch körperlich unterlegene Kinder sind in den klassischen Wettbewerbsformaten zum Teil untergegangen und haben dadurch den Spaß am Spiel und die Chance auf Weiterentwicklung verloren. Die neuen Spielformen sollen den Kindern bessere Möglichkeiten bieten, Fußball so zu spielen, dass sie häufig am Ball sind und dabei Spaß haben – eben so, wie es früher auf dem Bolzplatz auch von den Kindern selbst organisiert worden wäre.

Und es gibt immer weniger Kinder, die individuelle, kreative Lösungen in das Spiel einbringen, insbesondere in 1-gegen-1-Situationen. Es wird nicht eigenständig, sondern auf Anweisung gehandelt. Die neue Wettspielreform soll das Grundverständnis bei allen Trainerinnen und Trainern wecken, den Kindern das selbstständige Lösen wieder mehr zu ermöglichen. Von daher ist es ein guter Startpunkt, um unseren Fußball bei den Kleinsten weiterzuentwickeln. Denn nur so können sie eines Tages selbst die Größten werden.