Spielanalyse
Olympia-Finale: US-Frauen sichern sich Gold
In einem engen Spiel setzen sich die Rekordsiegerinnen gegen Brasilien durch.
Christopher Toetz
Christopher Toetz, Redakteur der DFB-Trainerzeitschrift „Fußballtraining“, analysiert Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball.
In einem intensiven Finale um Gold setzten sich die USA knapp mit 1:0 gegen Brasilien durch. Damit hat das USWNT fünf der bisherigen acht Austragungen des olympischen Fußballturniers gewonnen, während die Südamerikanerinnen weiterhin auf ihren ersten Titel warten müssen.
Positionelle Überlegenheit …
Überraschenderweise war Brasilien, das sich lediglich als zweitbester Drittplatzierter für die K.o.-Phase qualifizierte, gerade in der ersten Halbzeit das bestimmendere Team. Im Positionsangriff bevorzugten die Brasilianerinnen aus einem 3-4-3 ein schnelles und eher vertikales Passspiel in die Spitze. Dabei beschränkte sich die Ballzirkulation hauptsächlich auf die Innenverteidigerinnen und die beiden Sechserinnen, aus der sie mit einem plötzlichen Rhythmuswechsel in ein zielgerichtetes Vertikalspiel übergingen. Besonders in der ersten Halbzeit kamen ihnen die Vorteile des eigenen Systems gegenüber dem der US-Amerikanerinnen zugute. Letztere agierten in der Defensive in einem 4-2-3-1 bzw. 4-4-2, wobei die äußeren Mittelfeldspielerinnen verstärkt darauf achteten, eine kompakte Mittelfeldreihe zu bilden oder sogar die gegnerischen Innenverteidigerinnen unter Druck zu setzen. Dadurch hatten die brasilianischen Schienenspielerinnen keinen direkten Gegnerdruck und konnten in der vordersten Linie zusammen mit den drei Angreiferinnen eine 5-gegen-4-Überzahl schaffen.
… führt zu Torchancen
Gerade in der ersten Halbzeit konnten sie diese Überzahlsituationen aufgrund der hohen Beweglichkeit, Dynamik und der individuellen Qualität aller Angreiferinnen mehrfach gut ausspielen und sich in aussichtsreiche Positionen in den Außen- und Halbspuren kombinieren. Von dort aus waren insbesondere scharfe Hereingaben gefährlich, da sie in Tornähe eine Gleichzahl oder durch die ballfernen Schienenspielerinnen sogar eine Überzahl herstellen konnten. Doch letztlich konnten sie die aussichtsreichen Situationen nicht in zählbares ummünzen.
Nach einem Ballgewinn passt Adriana umgehend in die Tiefe und schickt Portilho in ein Laufduell mit Davidson.
Portilho erläuft den Ball und sucht umgehend das frontale Duell gegen Davidson. Gleichzeitig rücken Ludmila und Jhennifer in die Box nach, bleiben dabei jedoch im Rücken der direkten Gegenspielerinnen.
Von der seitlichen Strafraumgrenze flankt Portilho in die Mitte, wo die nachgerückten Mitspielerinnen bereits im Rücken der Verteidigerinnen lauern. Letztlich ist es Ludmila, ...
... die zum Ball hochsteigt, den Kopfball jedoch danebensetzt.
Yasmim ist nach einem Pass aus dem Zentrum in Ballbesitz. Ludmila fordert umgehend einen Pass in den R ücken der Abwehr. Yasmim, die von Fox aufgrund ihrer Distanz beim Herausrücken erst spät Druck aufbauen kann, erkennt die Situation und schickt Ludmila in ein Laufduell mit Girma.
Ludmila erläuft den Ball und muss aufgrund ihrer Positionierung kurzzeitig das Tempo rausnehmen, wodurch Girma nahezu zum Stehen kommt. Dies nutzt Ludmila mit einem plötzlichen zielstrebigen Dribbling aus, hängt die Verteidigerin ab und schließt souverän ab. Doch der Treffer wird anschließend aberkannt, da Ludmila beim vorherigen Pass leicht im Abseits stand.
Die USA stellt um …
Im geordneten Spiel gegen den Ball praktizierten die US-Frauen in weiten Teilen des Spiels ein Pressing im Mittelfeld- bzw. Angriffsdrittel. Was in der ersten Halbzeit aufgrund der positionellen Unterlegenheit eher zahnlos wirkte und wenig Zugriff erzeugte, sollte sich durch eine taktische Umstellung zur zweiten Halbzeit ändern. Die US-Trainerin Emma Hayes passte die defensive Formation an und ließ ein verkapptes 5-2-3 spielen. Die äußere Mittelfeldspielerin Rodman ließ sich weiter zurückfallen und orientierte sich fortan stärker an der brasilianischen Schienenspielerin Yasmim. Gleichzeitig schob „Zehnerin“ Horan situativ nach vorne und bildete mit den verbliebenen Angreiferinnen eine Dreierreihe. Dies wiederum ermöglichte es der Viererkette, stärker auf die linke Seite durchzuschieben, sodass sie die brasilianischen Vorteile ausgleichen konnten.
… und setzt auf Umschaltsituationen
Infolge der Umstellung hatten die US-Frauen mehr Zugriff und konnten häufiger Ballgewinne erzielen, die sie umgehend für eigene Konter nutzten. Nach Ballgewinnen versuchten sie, mit tiefen Pässen schnell in den Rücken des Mittelfelds zu gelangen und die Restverteidigung Brasiliens mit Tempo zu attackieren. Dabei achteten sie darauf, Spielerinnen mit einem vorwärts gerichteten Sichtfeld anzuspielen, wodurch sie das Tempo stets hochhalten konnten. Die erhöhte Unordnung nutzten sie dann mit ihrer Kreativität und einer unnachgiebigen Zielstrebigkeit aus.
Nach einer Verlagerung passt Albert umgehend zu Horan, die sich unter Druck nach vorne aufdreht und einen Pass in die Außenspur spielt. Rodman erläuft den Ball und wird von Ferreira unter Druck gesetzt.
Rodman sucht mutig das direkte Duell mit Ferreira, überwindet diese und dribbelt zielstrebig in Richtung gegnerisches Tor.
Kurz vor dem Strafraum versucht Tarciane Druck auf Rodman auszuüben. Rodman hat jedoch einen deutlichen Geschwindigkeitsvorteil, kappt problemlos nach innen ab und dribbelt um ihre Gegenspielerin herum. Anschließend schließt sie aufs Tor ab, der kraftvolle Abschluss ist jedoch nicht präzise genug.
Coffey erhält den Ball in der Halbspur und passt umgehend zu Swanson in die Tiefe. Lauren (nicht im Bild) antizipiert das Zuspiel, klärt den Ball jedoch in die Mitte zu Albert, die keinen Druck hat.
Albert dribbelt umgehend nach vorne und kann Druck auf die Abwehr ausüben. Swanson, die sich bereits von Lauren absetzen konnte, und Smith erkennen die Situation und fordern einen Pass in den Rücken der Abwehr. Albert entscheidet sich für den Pass zu Swanson, ...
... die mit dem ersten Kontakt den Weg in den Strafraum sucht. Dort schließt Swanson überlegt in die lange Ecke ab und erzielt den entscheidenden 1:0-Siegtreffer.
Der eine Moment
Auch wenn Brasilien das aktivere Team war und einen Ballbesitz von rund 60% sowie das Gros der Torschüsse verzeichnen konnte, war letztlich keines der beiden Teams zwingend genug, sodass es am Ende auf einen erfolgreichen Moment ankam. Brasilien verpasste dies in der ersten Halbzeit, während die US-Frauen in einer ausgeglicheneren zweiten Halbzeit die erste Chance nutzten. Damit krönten sie sich zum ungeschlagenen Sieger des Olympiaturniers.
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