3 FRAGEN AN...

...PROF. DR. MAREN URNER

Wie damit umgehen, dauerhaft erreichbar zu sein?

Dr. Maren Urner beim Leadership-Festival © 2019 Getty Images
  1. Überschrift zur Personenbeschreibung

    Prof. Dr. Maren Urner studierte Kognitions- und Neurowissenschaften in Deutschland, Kanada und den Niederlanden und promovierte am University College London. 2016 gründete sie Perspective Daily mit, das erste werbefreie Online-Magazin für Konstruktiven Journalismus. Seit April 2019 ist sie Dozentin für Medienpsychologie an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Köln und wurde im Oktober zur Professorin berufen. Ihr Buch "Schluss mit dem täglichen Weltuntergang: Wie wir uns gegen die digitale Vermüllung unserer Gehirne wehren" landete wenige Wochen nach Erscheinen (Juni 2019) auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

Unser Gehirn ist jeden Tag einer schier unübersehbaren Vielzahl an (negativen) Nachrichten ausgesetzt. Drei Fragen und drei Antworten geben Einblicke, wie man damit richtig umgehen kann.

Frage Nummer 1:
Ihr 2019 erschienener Bestseller heißt „Schluss mit dem täglichen Weltuntergang – wie wir uns gegen die tägliche Vermüllung unserer Gehirne wehren“. Sie beziehen sich darauf, dass uns das ständige Konsumieren von News negativ beeinflussen kann. Warum sind Nachrichten stressiger als die Realität?

Weil die „News“ sich mit Vorliebe auf negative Einzelereignisse beziehen: das Erdbeben, der Flugzeugabsturz oder der Skandal – das sind die Dinge, dir wir auf „Seite 1“ lesen. In Zeiten von Smartphone und dauerhafter Erreichbarkeit erhalten wir so potentiell 24 Stunden am Tag die geballte Ladung von allem, was schlecht läuft in der Welt. Klar ist aber auch, dass das nur ein sehr selektiver Ausschnitt der Welt und Realität da draußen ist. Für viele Journalisten gilt leider nach wie vor das Ethos „Only bad news are good news“, sodass die meisten Menschen mit einem zu negativen Weltbild umherlaufen.

Damit aber nicht genug. Denn der Fokus aufs Negative kann uns auf psychischer Ebene dauerhaft stressen. Und zwar bis zu dem Punkt, dass wir „lernen“, uns hilflos zu fühlen und nichts gegen die großen und kleinen Probleme ausrichten zu können. In letzter Konsequenz – und um sich vor all dem Negativen zu schützen – wenden sich Menschen von den Nachrichten und dem Weltgeschehen ab. Sie konzentrieren sich dann stattdessen auf das, was sie beeinflussen können, kochen vielleicht Marmelade ein und leben eine Art „neues Biedermeier“. Dieses passive Verhalten ist natürlich Gift für eine gelebte Demokratie.

Frage Nummer 2:
Welche Praxistipps kann jeder selbst berücksichtigen, um sein Gehirn vor einer „Vermüllung“ zu schützen?

Das wichtigste Stichwort hier ist: Gewohnheiten! Oder besser: Gewohnheiten hinterfragen. Denn wir können uns diesem Feuer aus negativer Dauerbeschallung nur entziehen, indem wir es uns im ersten Schritt bewusst machen: Was passiert hier gerade und will ich das eigentlich? Will ich dauernd abgelenkt sein? Warum habe ich immer öfter das Gefühl, etwas zu verpassen? Dann folgt ein kleiner Selbst-Test, der offenbart wann wir Medien „wie“ konsumieren. Ich bezeichne das gern als eine Art Bestandsaufnahme der eigenen (häufig nicht vorhandenen) Medienhygiene. Die gilt es im nächsten Schritt nach den eigenen Bedürfnissen zu ändern. Sprich, im dritten und letzten Schritt, geht es darum, Gewohnheiten so zu ändern, dass wir mit unserem eigenen Medienkonsum zufrieden sind.

Dabei geht es zum Beispiel darum, Apps zu löschen, Morgen- oder Abendroutinen zu etablieren, Smartphone-freie Zonen und/oder Zeiten einzurichten. Wichtig ist immer – wie beim Training auch – dass es zwar gewisse Grundprinzipien gibt, die bei jedem funktionieren und angewandt werden können, es aber vor allem darauf ankommt, individuelle Fähigkeiten und Vorlieben zu berücksichtigen.

Frage Nummer 3:
Auch der (Profi-)fußball steht im Fokus der Öffentlichkeit. Nicht nur die neuesten Ergebnisse, sondern auch zahlreiche Berichterstattungen werden täglich über die verschiedensten Medien ausgespielt. Wie kann sich ein Trainer/Fußballer/Manager verhalten, um dadurch keinen Stress entstehen zu lassen?

Hier geht es prinzipiell um die gleichen Fragestellungen wie eben, beginnend mit den beiden Fragen: Wie viel ist genug? Welches Wissen brauche ich „wirklich“, um meinen Job machen zu können und qualifizierte Entscheidungen treffen zu können? Vor allem geht es darum, der ständigen Ablenkung zu widerstehen, die uns im digitalen auf zahlreichen Kanälen begegnet.

Wir kommen also wieder nicht drum herum, eigene Gewohnheiten zu hinterfragen. Gleiches gilt für die Erwartungshaltungen anderer. Wie viele Push-Nachrichten sind zu viel? Wie viele Pop-Ups und Notifications lenken mich über den Tag verteilt von meiner eigentlichen Tätigkeit ab? Muss ich wirklich auf jede E-Mail innerhalb der nächsten drei Stunden antworten? Es geht also vor allem darum, sich dem permanenten Gefühl des „Hinterherlaufens“ zu entziehen und wieder Herr der eigenen Entscheidungen zu werden!

3 Umsetzungstipps

  • Potentielle Ablenkungen wie das Smartphone öfter beiseitelegen oder sogar „aus dem Weg räumen“.
  • Nicht ständig zwischen Aufgaben hin und her springen – genau das passiert, wenn wir glauben, Multitasking zu betreiben.
  • Pausen Pausen sein lassen: Also nicht am Bildschirm, sondern am besten „ohne alles“ raus an die frische Luft!