3 Fragen an...

...Prof. Dr. Gerald Hüther

Wie uns die Neurobiologie im Fußball weiterbringen kann.

FRANKFURT AM MAIN, GERMANY - DECEMBER 05: Prof. Dr. Gerald Huether attends the DFB Academy Leadership Festival at DFB Headquarter on December 5, 2018 in Frankfurt am Main, Germany. (Photo by Alexander Scheuber/Getty Images For DFB)
  1. Hüther, Gerald, Dr. rer. nat. Dr. med. habil., Neurobiologe. Vorstand der Akademie für Potentialentfaltung.

    Der Neurobiologe und Autor Gerald Hüther ist ein Vollblutwissenschaftler mit dem tiefen Wunsch, bedeutsame Erkenntnisse auch außerhalb der Hörsäle verfügbar zu machen. Er hat nicht nur zahlreiche wissenschaftliche, sondern auch populärwissenschaftliche Beiträge publiziert. Dabei überträgt er sein fundiertes Fachwissen auf die verschiedensten Anwendungsbereich des täglichen Miteinanders und macht es somit für den Alltag um- und einsetzbar. Hierbei deckt er ein breites Spektrum von Themenbereichen ab. Einige wenige Beispiele der Themen sind: "Denken/Bewusstsein", "Gemeinschaft/Zusammenleben", "Glück", "Lernen", Persönlichkeitsentwicklung" und "Unternehmen und Organisation". Gerald Hüther ist außerdem Vorstand der Akademie für Potenzialentfaltung. Auch beim ersten Leadership Festival der DFB-Akademie hat er bereits einen Vortrag mit dem Titel "Leadership mit Hirn" gehalten.

Neurobiologie und Fußball? Drei Fragen & drei Anworten, die die beiden Themen miteinander verbinden und aufzeigen, wie unser Gehirn uns im Fußball weiterbringt.

Frage Nummer 1:
Das Gehirn als "Energiesparorgan" - Was heißt das für den Fußball?

Jetzt haben die Gehirnforscher endlich den inneren Schweinehund gefunden, den jeder Fußballer überwinden muss, damit er ihn nicht vom Training oder vom vollen Einsatz bis zur letzten Minute abhält. Es ist der zweite Hauptsatz der Thermodynamik. Ihm muss auch unser Gehirn gehorchen und deshalb versucht es ständig, möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Das gelingt ihm dann, wenn dort oben alles möglichst gut zusammenpasst und nichts stört - so ganz nach dem Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“. Probleme haben, Herausforderungen meistern und Anstrengungen auf sich nehmen sind nicht die Lieblingsbeschäftigungen des Gehirns. Das verbraucht alles viel zu viel Energie. Energiesparender sind gute Ausreden, Ausflüchte, Verdrängung oder der schnelle Kick von Ersatzbefriedigungen. Kurzfristig funktioniert das auch, aber auf längere Sicht bringt es nur noch mehr Probleme. Es gibt jedoch eine Möglichkeit, das Energiesparbestreben des Gehirns auf eine auch langfristig günstigere Bahn zu lenken: Wenn man ein Ziel im Auge hat, für das es sich lohnt, sich anzustrengen. Es müsste allerdings ein Ziel sein, das nicht so schnell zu erreichen ist. Also nicht der Sieg beim nächsten Match, denn danach wäre ja alles wieder wie vorher. Eher ein fernes Ziel, das einem wirklich am Herzen liegt und das man mit jeder Trainingseinheit und im Spiel bis zum Abpfiff verfolgt, egal wie schwierig das ist und egal, wann man es endlich erreicht. Das wäre dann so etwas wie ein inneres Anliegen. Und das könnte heißen: Ich will mein volles Potential als Fußballer entfalten! Wer das anstrebt, zeigt dem inneren Schweinehund fortan die Rote Karte.

Frage Nummer 2:
Wie können sich Potentiale in einem Team bestmöglich entfalten und was kann der Trainer oder auch jeder Einzelne dafür tun?

Fußball ist ein Mannschaftssport. Da nützt es nichts, ganz alleine der oder die Beste auf dem Spielfeld zu sein. Um ein Spiel zu gewinnen, braucht man die Anderen. Nicht in erster Linie für sich, sondern für das Zusammenspiel. Denn die Art und Weise, wie dieses Zusammenspiel gelingt, ist nicht nur entscheidend dafür, wie gut jeder Mitspieler bzw. jede Mitspielerin zeigen kann, was in ihm/ihr steckt. Noch viel wichtiger ist es, dass das, was in dieser ganzen Mannschaft als Potential angelegt ist, nur im optimalen Zusammenspiel aller Beteiligten zutage treten kann. Dazu zählen auch die Trainer, Helfer und Ersatzspieler. Und optimal zusammenspielen kann man nur dann, wenn keiner den anderen zum Objekt seiner Erwartungen, Belehrungen, Bewertungen oder Anordnungen macht. Wenn jede und jeder versucht, alle anderen Mitglieder seines Teams bestmöglich zu stärken, zu ermutigen, zu inspirieren. Schwer ist das nicht, und es weiß auch jeder, wie das geht. Nur wirklich wollen muss man das. Und das kann man nur dann, wenn einem nicht der eigene Erfolg, sondern der der ganzen Mannschaft am Herzen liegt.

Frage Nummer 3:
Ist der Appel an ein würdevolles Miteinander mit dem (professionellen) Fußball vereinbar oder stehen Gewinnstreben und maximale Leistungsorientierung im Weg?

Wenn die Mitglieder eines Teams ihre eigene Würde und die ihrer Mitglieder verletzen, werden sie weder irgendetwas gewinnen noch eine optimale Leistung erbringen können. Konkret verletzt jemand immer dann die Würde eines anderen, wenn er ihn für seine Ziele und Absichten benutzt, ihn also zum Objekt seiner Erwartungen, Belehrungen, Bewertungen und Anordnungen macht. Diese Art des Umganges miteinander erzeugt enorme Reibungsverluste. Dabei wird zu viel Energie verplempert, die für ein erfolgreiches Zusammenspiel und maximalen persönlichen Einsatz gebraucht wird. Schlussendlich heißt das, dass die Bewahrung der eigenen Würde also sogar Voraussetzung für eine optimale Leistungsausschöpfung ist bzw. diese sich sozusagen als ein „Nebenprodukt“ des würdevollen Umgangs miteinander ergibt. Umgekehrt kann folglich aber eine reine Fokussierung auf Leistung und Erfolg dem würdevollen Miteinander und damit den eigenen Zielen und Interessen selbst im Weg stehen.

3 Umsetzungstipps

  • Es öffnet den Blick und wirkt wie Dünger für das Hirn, wenn Sie sich hin und wieder einmal fragen, weshalb Sie eigentlich auf diesem Trainingsplatz mit diesen Menschen umherrennen!
  • Versuchen Sie mal, ihren Trainer oder einen besonders eigensinnigen Mitspieler einfach nur liebevoll anzulächeln. Das bewirkt bisweilen Wunder!
  • Machen Sie sich gelegentlich immer wieder mal bewusst, was Fußball eigentlich ursprünglich ist: Das spielerische Ausprobieren, wie ein fruchtbares Miteinander gelingen kann!
Potenzialentfaltung ist der normale Prozess, wir Menschen sind aber in der Lage ihn zu blockieren.
Prof. Dr. Gerald Hüther

Studien zur Psychologie