Spielanalyse

Andrew Robertson – der unermüdliche Dauerbrenner

Der linke Außenverteidiger ist wohl Schottlands einziger Spieler mit Weltklasse-Format. Welche Qualitäten bringt er auf den Platz?

Schottlands Außenverteidiger Andrew Robertson behauptet den Ball gegen Belgiens Thorgan Hazard.
  1. Christopher Toetz

    Christopher Toetz, Redakteur der DFB-Trainerzeitschrift „Fußballtraining“, analysiert Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball.

Mit einem schier unermüdlichen Lauf- und Einsatzpensum entwickelte sich Robertson sowohl zum Publikumsliebling beim FC Liverpool als auch zum Kapitän der schottischen Nationalmannschaft. Fast schon routiniert spult der 27-Jährige Woche für Woche seine Leistungen ab, die sich durch Zuverlässigkeit in der Defensive und Offensive auszeichnen.

Jederzeit aktiv

In der Defensive überzeugt Robertson durch eine hohe Intensität und einer positiv-aggressiven Mentalität. Er attackiert Pässe aktiv, setzt Gegenspieler früh unter Druck und erzielt dadurch im besten Fall Ballgewinne aus der Bewegung heraus, die teils für daran anschließende Umschaltsituationen genutzt werden. Generell verteidigt Robertson mit einer großen Hingabe und Robustheit, was ihn für jeden Angreifer zu einem unangenehmen Gegenspieler macht. Er zeigt eine hohe Lauf- und Sprintbereitschaft und antizipiert viele Situationen vorab. Dabei kommt ihm auch das schottische System mit einer Fünferkette entgegen, wodurch er noch mutiger und aggressiver nach vorne verteidigen kann. Wenn nämlich Robertson herausrückt, befinden sich nach wie vor mindestens vier Verteidiger in der letzten Reihe – ein nicht zu unterschätzender psychologischer und taktischer Vorteil. Und wenn er in einer Situation mal überspielt wird, überzeugt er mit einem starken "Rückwärtspressing", bei dem er intensiv nachsetzt und den Passempfänger unter Handlungsdruck bringt.

    1. Der gegnerische Innenverteidiger (IV) passt zum äußeren Mittelfeldspieler (AMF) in die rechte Halbspur. Robertson (nicht im Bild), der sich zwischen Außenverteidiger (AV) und dem AMF positioniert und so Zugriff auf beide Gegner hat, erkennt die Absicht frühzeitig und sprintet dem Zuspiel entgegen.

    2. Dadurch gelangt Robertson vor dem AMF an den Ball, den er direkt zu McGinn weiterspielt. Dieser dreht nach hinten auf ...

    3. ... und sichert den Ball mit einem Pass zum Mitspieler. Daraufhin rückt Robertson weiter auf und bietet sich als Anspielstation in der Außenspur an.

    1. Der gegnerische Innenverteidiger (IV) passt zum zentralen defensiven Mittelspieler (ZDM) in die Außenspur. Robertson (nicht im Bild) läuft den Passempfänger frühzeitig an, der die Situation jedoch wahrnimmt.

    2. Der ZDM lässt Robertson ins "Leere" laufen, indem er diesen mit einem Direktpass zum äußeren Mittelfeldspieler (AMF; nicht im Bild) überspielt. Robertson bleibt jedoch in der Situation und orientiert sich umgehend zum Passempfänger.

    3. Robertson setzt den AMF bereits bei der Annahme unter Druck und klärt so den Ball ins Seitenaus.

Variabel in der Außenspur

Generell ist Robertson ein Außenverteidiger, der sich durch Laufbereitschaft und Aktivität in den höheren Offensivbereichen auszeichnet. Er versteht es hervorragend, das Spiel zunächst so breit wie möglich zu ziehen, um mit dem Ballvortrag den richtigen Moment zu erkennen, von einer maximal breiten Positionierung in eine so tief wie mögliche und so breit wie nötige zu gelangen. Durch die gut getimten Läufe in den Rücken der Abwehr erarbeitet er sich einen Bewegungsvorsprung, der für seine Anschlussaktionen essenziell ist. Doch er hat ebenso ein gutes Gespür dafür, wann es hilfreich ist, sich in Richtung Halbspur zu orientieren und von dort eine Dynamik zu entwickeln. So unterstützt er seine vor ihm agierenden Mitspieler, die dann meist nahe der Seitenlinie am Ball sind, mit einem "Vorderlaufen" und attackiert die Schnittstellen, worauf die Verteidiger entsprechend reagieren müssen. Dadurch ergibt sich entweder mehr Raum für den dribbelnden Mitspieler oder eine gefährliche Passoption in die Tiefe. Gelingt der Durchbruch über die Außen, so reagiert Robertson mit variablen Lösungen. Von der Grundlinie wählt er meist den Flachpass in den Rückraum, wohingegen er bei ausreichend Raum zwischen Abwehrreihe und Grundlinie vermehrt den Pass zum ballfernen Pfosten wählt, wo der Passempfänger meist aus dem Rücken des direkten Gegenspielers abschließen kann.

    1. Kontersituation: Armstrong dribbelt den ballnahen Innenverteidiger (IV) an und bindet diesen. Gleichzeitig schließt Robertson im Sprinttempo auf ...

    2. ... und hinterläuft seinen ballführenden Mitspieler, wodurch eine 2-gegen-1-Überzahl entsteht.

    3. Kurz bevor Robertson auf Höhe des IVs ist, passt Amstrong in dessen Lauf. Nisbet nimmt die Situation auf der ballfernen Seite wahr, erhöht sein Tempo und setzt sich im Rücken des absichernden zentralen defensiven Mittelfeldspielers (ZDM) ab.

    4. Robertson passt mit dem ersten Kontakt in die Mitte, wo der lauernde Nisbet einläuft und die Hereingabe erfolgreich verwertet.

    1. Mané dribbelt in der Außenspur und bindet den gegnerischen Außenverteidiger (AV). Robertson reagiert mit einem Lauf in die Halbspur, wobei er sich in den Rücken des äußeren Mittelfeldspielers (AMF) absetzt.

    2. Mané erhöht den Druck auf den AV. Dadurch blickt der AMF vermehrt zum Ball und verliert Robertson aus den Augen. Dieser nutzt die Situation, indem er sein Tempo erhöht und einen Pass in den Raum im Rücken der Verteidiger fordert, den er auch erhält. Robertson erläuft das Zuspiel ...

    3. ... und passt mit dem ersten Kontakt in den Rückraum, wo Firmino im richtigen Moment einläuft und den Führungstreffer erzielt.

Unverzichtbar

In der Defensive überzeugt Robertson mit einem aktiven Stil. Er zeigt eine hohe Lauf- und Sprintbereitschaft, attackiert Pässe aktiv und setzt den Gegner früh unter Druck. Im Offensivspiel verfügt er über einen natürlichen Vorwärtsdrang, mit dem er stets eine Grunddynamik in das Offensivspiel seiner Mannschaft einbringt. Dabei glänzt er mit einer hohen Durchschlagskraft, die vor dem gegnerischen Tor immer wieder in torgefährlichen Situationen mündet. Mit seiner Robustheit, seiner Schnelligkeit sowie seinen ausgeprägten technisch-taktischen Fähigkeiten ist er in der linken Außenspur kaum zu ersetzen.

"Viele Kinder, Teenager und junge Menschen haben uns noch nie bei einem Turnier gesehen. Ich hoffe, dass wir eine Nation inspirieren können."
Andrew Robertson
Weiterführende Links

Weitere Spielanalysen